Ich persönlich habe mit einem derart "beliebigen" Spielkonzept Schwierigkeiten. Kann die aber beiseite schieben.
Meine Bedenken sind: Einerseits erhöht das Verfahren den Grad der Willkür meines Erachtens sogar, andererseits weiß ich nicht, wie man dann als SL noch einen Plot vorbereiten und spannend gestalten will, wenn ich wesentliche Entscheidungen aus der Hand gebe.
Beispiel, so wie ich es verstanden habe:
1) Ergebnisse darf ich eigentlich nicht vorwegnehmen. Also kann ich eigentlich nur schreiben, dass Clive mit dem Stock zuschlägt. Ob er trifft und welche Wirkung das hat, müsstest Du beschreiben. Ich habe dann zunächst nicht einmal einen Wurf, liefere mich also im ersten Schritt der SL-Willkür aus. Gefällt mir das Ergebnis nicht, kann ich einen Wurf einfordern, der - wenn er wieder einmal schiefgehen sollte - auch eine Verschlechterung auslösen kann. ... Hmmm, wie werde ich mich bei meiner (begründeten oder irrationalen) Haltung zu meinem Würfelglück wohl entscheiden? Könnte ich wie in herkömmlichen Systemen sofort einen Trefferwurf tätigen, bestünde allenfalls das sehr überschaubare Risiko eines kritischen Fehlschlages.
Auf mich wirkt das insgesamt sehr viel willkürlicher. Das muss aber nicht unbedingt schlimm sein unter der Prämisse einer sehr ausgeprägten Variante von Storytelling. Nur wird es mir manchmal vielleicht nicht besonders schmecken, wenn ich das Ergebnis für realitätfern halte. Da sehe ich das Problem, dass bei Cthulhu manches vielleicht bewusst realitätsfern sein SOLL, ich das als Spieler aber zunächst einmal nicht abgrenzen kann. Darum wäre vielleicht in solchen Fällen ein Hinweis des SL hilfreich im Sinne von: "Was gerade geschieht ist tatsächlich schwer zu erklären, auch Dein SC ist verwundert." Oder eben eine deutliche Schreibe IT, die das Außergewöhnliche hervorhebt.
2) Nehme ich das Ergebnis des Kampfes vorweg, was nicht meinem bisherigen Verständnis des Regelkonzeptes entspräche, was Du aber mit Deinem vorletzten Post vorgeschlagen zu haben scheinst, liegt es gänzlich in meiner Hand, ob ich einen Gegner ausschalte oder nicht. Das würde aktionsgeladenen Szenen jede Spannung nehmen, oder? Außerdem bekomme ich dann den Eindruck, dass es keine gute oder schlechte, keine richtige oder falsche Entscheidung gibt. Man kann alles "zurechtbiegen". Und ich habe dann ggf. auch den Eindruck, es sei für das Abenteuer nicht weiter wichtig, was jetzt passiert.
Zuviel Beliebigkeit ist nicht immer förderlich, finde ich. Schließlich spielen wir noch immer ein Spiel und sind keine Co-Autoren eines Buchs.
Überspitzt formuliert: Treten wir einem der Großen Alten höchstpersönlich gegenüber, entscheide ich dann auch noch selbst, ob Clive diesen mit einem gekonnten Schlag seines Gehstocks in die Traumlande schickt?!?
Ich schreibe jetzt mal irgendwas IT, damit wir voran kommen. Meine Verunsicherung mag man mir zugute halten.
EDIT:
Ich habe Deinen Post erst nach Abfassung meines Posts gesehen, Puklat. Ich habe meinen Post trotzdem vorstehend belassen, obwohl wir in dieselbe Richtung zielen. Wir haben die gleichen Fragen und ich denke auch die gleichen Bedenken.
Dein Gefühl ist nicht nur subjektiv. Mir geht es hinsichtlich des Gefühls einer zunehmenden Verschiebung der Spielanteile auf die Spieler wie Dir. Habe ich ja auch schon früher geschrieben.
Ich erinnere auch daran, dass auch Nyre immer wieder um mehr Input gefleht hat ... Ich mag nicht beurteilen, was genau letztendlich zu ihrem Ausstieg geführt hat, aber ich spekuliere, dass hierin ein nicht unerheblichen Faktor gelegen haben
könnte. Vielleicht hast Du das mit Nyre damals ja unter vier Augen geklärt, Läuterer?
Ich will das garnicht überbewerten, aber Ziel des Spiels muss es sein, dass ALLE Spaß haben. Das sollte man nicht vergessen. Das betrifft natürlich Spieler UND Spielleiter. Ich denke in letzter Zeit viel über solche Fragen nach, auch über meinen eigenen Leitungsstil und über Verbesserungsmöglichkeiten. Warum sind manche Abenteuer / Kampagnen nicht beendet worden? Waren es nur die äußeren Umstände der Spieler? Habe ich meine Spieler überfordert? Oder waren sie zu bequem? ... Warum hat es in anderen Abenteuern super geklappt und alle waren begeistert, haben mitgefiebert? Worin genau lagen die Unterschiede, die zu Erfolg / Misserfolg beigetragen haben? Im Thema, in den Anforderungen an die Spieler (Komplexität der Hintergründe etc.), in Frust über Misserfolge der SCs oder im Stil der Leitung?
Es gibt hier einen Thread über "
Die Aufgaben der Spielleitung", in dessen Eröffnungs-Post Murksmeister schildert, er sei mit dem Konzept eines Dienstleister-SL großgeworden, von dem er sich nun lösen wolle.
Ich kann das in gewisser Weise verstehen, weil ich über viele Jahre der Ist-doch-klar-IMMER-SL war und die Selbstverständlichkeit, mit der der Vorbereitungs(zeit)aufwand von den Spielern (vereinzelt auch schon mal undankbar) betrachtet wurde, mich schon mitunter frustriert hat.
ABER: Ich glaube ungeachtet dessen, dass man sich entscheiden muss, ob man zufriedene Spieler haben will und notgedrungen den Dienstleister gibt, um sie neugierig zu machen, in Spannung zu versetzen und mitzuziehen, oder ob man die Gruppe einen langsamen, qualvollen Tod des wachsenden Desinteresses sterben lässt. Die Spieler haben eine berechtigte Erwartungshaltung an den Spielleiter, dass er den Plot vorbereitet und die Geschichte durch aktives Eingreifen im Fluss hält. Der Spielleiter hat eine berechtigte Erwartungshaltung an die Spieler, dass diese die von ihm hingeworfenen Fäden auch irgendwie ergreifen und Einsatz zeigen, sich einbringen, Fluff beisteuern, dem Spiel Farbe und ihre individuelle Note gebenk, statt nur im Sofa zu hängen. Erfüllt eine Seite diese Erwartungshaltung der anderen Seite nicht, schadet das dem Spielspaß und die Runde hat nach meiner Erfahrung keine Zukunft bzw. braucht eine Pause.
Vielleicht habe ich aber auch nur die falschen Spieler für "andere" Spielkonzepte. ... Ich glaube aber, solche Spieler, mit denen es auf Dauer ohne den Dienstleister-SL klappt, gibt es - wenn überhaupt - nur seeeehr selten. Ich bin unsicher, ob ich solche Qualitäten biete; ich bemühe mich darum, schon um Schlussfolgerungen für meine Spielleitung daraus zu ziehen. Aber es fordert in manchen Momenten schon Selbstmotivation.
Wie gesagt: Ich mache alles mit und schreibe jetzt auch IT weiter. Trotzdem sollte man solche Themen ruhig auf den Prüfstand stellen hinsichtlich Praxistauglichkeit, Sinnhaftigkeit und Erforderlichkeit. Welche Probleme schafft man sich vielleicht ohne Not? Welche Chancen stehen dem gegenüber? Ich für meinen Teil tue es jedenfalls. Und ich denke, es hat auch Einfluss auf meine eigenen Konzepte / Planungen als SL.