Clive
Beinahe wäre ich gestrauchelt, als ich die Stimme vor mir vernehme. Die Farben blenden mich, aber ich brauche nicht zu sehen, um diese Stimme wiederzuerkennen. Pauls Stimme hat sich wie alles andere, was in diesen Stunden auf Herm geschah, unauslöschlich in mein Gedächtnis gebrannt.
"Paul?", frage ich dennoch und meine Gedanken beginnen sich langsam wieder um dieses Ereignis zu ordnen, Struktur zu gewinnen, Halt in einem Erklärungsversuch zu finden.
"Es MUSS ein Traum sein. Es KANN nicht anders sein. Das Erscheinen der Fremden, das Verhalten der Dorfbewohner, dieses ganze Chaos ist eine Vermischung meiner Studien über Azathoth und die Wege durch Zeit und Raum seit Herm, meiner Erlebnisse in London, meiner unbeantworteten Fragen zu der Äthiopierin, von der Ove Eklund, Matilde und Baxter Wentworth berichtet hatten. Meine Ängste und Hoffnungen prallen aufeinander: Die Angst, das Leben wieder zu verlieren, das ich mir hier geschaffen habe. Die Hoffnung, Matilde hier eine neue Heimat finden zu lassen, in der die Menschen sie als meine Tochter anerkennen.
'Miss. Savage' ... ein Beamter der Brandschutzbehörde, der den Brandstifter als seinen Kollegen bezeichnet und hier ermittelt ... Karim, der die Dorfkirche als Tor durch den Raum benutzt ... die Äthiopierin, die Mitten auf der Dorfstraße erscheint ... und nun auch noch das Auftauchen von Paul, kaum dass ich an ihn gedacht habe ... Das ist alles dermaßen surreal, dass es nicht wahr sein KANN.
... ...
Es sei denn ... es sei denn, ich könnte die Realität um mich verändern ... oder etwas bewirkt dies durch mich ...
Bin ich zu tief in die Geheimnisse vorgedrungen, die man nicht anrühren sollte? Aber wer bin ich schon, dass ich solche Macht haben sollte? ... Bestenfalls ... nein, schlimmstenfalls ein Werkzeug ..."
Mit schaudern überlege ich, was das bedeuten würde, wenn es wahr wäre.
"Könnte ich dann auch die Verschollenen und Toten durch die Zeit hierherbringen? Einfach, indem ich mir vorstelle, sie würden hier auftauchen? Was ist mit Ruairí, dessen Gebeine angeblich im Hof des Pentonville-Gefängnisses verscharrt liegen? Was ist mit Cainnech, dessen Verbleib bis heute ungeklärt ist und den Karim eben schon erwähnt hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe? Was ist mit IHR, deren Körper in einem Sarkophag im Urwald des Kongo vergraben liegt, der ein einziges geschnitztes Versprechen auf Leben ist, und deren Seele irgendwo in den Tiefen meines Geistes fortbesteht?
Selbst wenn es ein Traum ist, bedeutet das nicht, dass es nicht auf seine Weise WIRKLICH ist. Es bedeutet nicht, dass es nicht gefährlich wäre!"