Weißt du, in der Sache stimme ich dir zu. Aber in der größten Ausprägung finde ich das Problem mit der Kontrolle eigentlich bei Shadowrun, wo epische Planungsorgien genau dazu da sind - die Kontrolle über die Situation zu erhalten. Oder bei den oftmals beklagten Einkaufsszenen. Wenn es da nicht um die Frage der Farbe der Zweitunterhose geht, dann kaufen die Leute Kontrollmittel. Habe ich eine Fackel, kontrolliere ich als Spieler die Sichtweite. Kaufe ich einen Heiltrank..., kaufe ich ein Seil..., - jeweils erkaufe ich Kontrolle über bestimmte Situationen.
Gummipunkte verlagern das. Ich muss nicht mehr planen oder einkaufen. Ich kann den Gummipunkt ausgeben und darf definieren, dass ich eine Fackel habe. Ich kann mir die Erfolge kaufen, die ich brauche, um ohne Seil klettern zu können, etc.
Ich möchte umgekehrt sagen: Niemand spielt gerne einen hilflosen Charakter. Je schwächer dich das Regelwerk lässt, um so mehr versucht der Spieler die Situation auf andere Weise (z.B. Ausrüstung, Planung, Informationsgewinnung) zu kontrollieren. Das kann man sicherlich mögen, aber ich halte das für Geschmackssache, nicht für "richtiger".
Ich stimme dem zu.
Aber...
Ich brauche keine Belohnung, um mich in die Scheiße zu reiten. Das kann (und möchte) ich auch ohne.
Daß ich dafür eine Ressource als Gegenleistung bekomme, empfinde ich als Zeichen mangelndes Vertrauen zwischen Spielleiter und Spieler, dass man bei der Mitgestaltung von Konflikten Anreize schaffen muß.
Und ich finde es auch bedenklich, dass ich alleine eine Belohnung bekomme, wenn ich mich in die Scheiße reite, denn meistens reitet der Rest der Gruppe auch mit.
Das gilt insbesondere, wenn diese Belohnungsressource irgendwann eingesetzt wird, um gegeneinander zu spielen ("it's drama, baby!").
Ich brauche eigentlich auch keine Gummipunkte, um zu definieren, dass ich eine Fackel, ein Seil habe oder sowas. Fakten schaffen sollte bei jedem halbwegs aufgeklärten Spielleiter zum Standard-Repertoire gehören
(und bei den anderen macht es eh keinen Sinn zu spielen). Auch hier wieder: Mangelndes Vertrauen, deswegen müssen die Mitgestaltungsrechte geregelt werden.
Der Aussage "Gummipunkte verlagern das. Ich muss nicht mehr planen oder einkaufen." möchte vehement wiedersprechen - denn bei Fate geht es extrem stark um die Fate-Punkt Ressourcenverwaltung und -planung.
Wie häufe ich möglichst viel an, wie setze ich sie wann möglichst effektiv ein, wie gestalte ich die Aspekte so, dass ich möglichst schnell möglichst viel generiere.
Letztendlich ist das nichts anderes, als was ein Powergamer bei D&D macht, nur dass es ihm um andere Ressourcen geht und er bei der Ressourcenverwaltung die Mitspieler nicht in die Scheiße zieht.
Hinzukommt, dass es bei der Wahl der Gummipunkt-Ressourcengenerierung ("Aspektausformulierung") auch noch auf Verklausulierungsfinesse ankommt - je gewiefter man es formuliert, desto effektiver ist die Ressource.
In den Powergamer-regellücken-ausnutzungs Problemen kann man wenigstens die Autoren verdammen, die die Lücke nicht ausgemerzt haben. Fate hat eine Regellücken-Generierungsregel implementiert.
Der, der sie gewieft ausnutzen kann, kann durch neue Aspekte beliebig viele neue "Regellücken" erzeugen. Der, der es nicht kann, steht am Rand und schaut zu, wie die Powergamer die Show abziehen.
Was mich noch stört, ist die mangelnde Konsistenz:
Spiele ich GURPS (mache ich nicht), kann ich für Nachteile Punkte bekommen und damit andere Ressourcen verbessern. Aber dann habe ich den Nachteil auch und er gilt immer. Wenn ich für "religiös fanatisch" X Punkte bekommen habe, dann ist das eine Verpflichtung, die ich eingehe, dafür bekomme ich auch was, das konstant verfügbar ist.
Bei Fate kann ich meinen Aspekt "religiös fanatisch" reizen, wenn es mir passt oder auch unterlassen, wenn ich es mir nicht passt. Unverbindlichkeit und sich auf nichts festlegen müssen ist ja ein zeichen der Moderne, aber ich finde sowas abträglich. Wenn ich etwas zusage, dann halte ich das auch ein. Wenn ich für etwas entlohnt werde, dann liefere ich auch was.
"Je schwächer dich das Regelwerk lässt, um so mehr versucht der Spieler die Situation auf andere Weise zu kontrollieren."
Stimmt zum großen Teil, ich würde statt "das Regelwerk" aber "die Spielregeln und der Spielleiter" schreiben und damit entsteht ein anderer Sachverhalt.
Denn der Spielleiter, der das erkannt hat, kann das (Regelwerkseitige) kompensieren.
Und dann braucht er den ganzen Unterstützungskram nicht mehr. Das ist der Grund, warum ich sage, Leute die Fate richtig nutzen brauchen es nicht, weil sie andere Rollenspiele genauso "richtig" spielen würden.