In diesem Thread (1) möchte ich gerne potentiellen SL, die sich keine funktionierenden Runden mit dramaturgieorientierten SL-Eingriffen (aka Railroading, Würfeldrehen, goldene Regel, Regelbrechen etc.) vorstellen können, ein paar generelle Tips geben. Ich habe nämlich sehr häufig das Gefühl, dass da einiges durcheinander geht. Selbst spiele ich sowohl mit als auch ohne Regelbrechen, trenne das aber klar voneinander und habe mit beiden Ansätzen viel Erfahrung gesammelt. Beides funktioniert uach nach meiner Erfahrung und Überzeugung wunderbar, fühlt sich jedoch gerade als SL recht unterschiedlich an und fordert partiell andere Kompetenzen.
Was mich in Foren immer wieder wundert, ist die absolute Inbrunst und Überzeugung, mit welcher das dramaturgieorientierte Leiten verdammt wird. Oft hört man dann beispielsweise, dass dramaturgieorientiertes Leiten irgendwann "auffällt" oder die Spieler sich ab einem gewissen Punkt "drangsaliert" fühlen. Wenn so etwas eintritt, halte ich das schlicht für SL-Versagen. Deshalb möchte ich in diesem Thread Tips an die Hand geben, mit denen das Desaster am Spieltisch vermieden werden kann ohne dramaturgieorientierte Entscheidungen als SL generell aufgeben zu müssen. Wenn eine dramaturgieorientierte Runde nämlich nicht gut funktioniert und man wirklich Interesse am Thema hat, sollte man sich meiner Meinung nach einfach bei den Leuten erkundigen, die das jahrzehntelang mit großem Erfolg und zur allgemein höchsten Zufriedenheit betreiben. Ich halte es für voreilig, dramaturgieorientiertes Leiten generell abzuwerten. Auch erscheint es mir wenig sinnvoll, aufgrund der eigenen Negativerfahrungen die verallgemeinerte Schlussfolgerung zu ziehen, dass das alles so niemals vernünftig funktionieren kann und nur zu Frustrationen führt. Wer also dramaturgieorientiertes Leiten generell unterlegen, fehlerhaft oder schlecht findet, sollte bitte bitte bitte nicht zu diesem Thread beitragen. Danke!
Die folgenden Grundsätze würde ich angehenden dramaturgieorientierten SL für ein besseres Spielerlebnis ans Herz legen:
1. Dramaturgie ist eine von mehreren Optionen: Bevor Du als SL dramaturgieorientiert agierst, stelle die Akzeptanz und Unterstützung der Runde sicher. Es gibt sehr viele Präferenzen da draußen und eine Runde aus lauter Gamisten oder Simulationsfans wird Deine Eingriffe mit Sicherheit nicht zu schätzen wissen. Vor etwaigen Eingriffen sollte also beim SL ein fundierbarer Eindruck bezüglich der Vorlieben der Runde vorhanden sein. Insbesondere bei OneShots, beispielsweise auf Cons, würde ich komplett auf Dramaturgie verzichten. Wenn Dein OneShot nur mit Dramaturgie funktioniert, machst Du als SL etwas falsch. Punkt.
2. Dramaturgie ist die Ausnahme: Spieler lieben es, Situationskontrolle zu besitzen. Das musst Du Dir, lieber Drama-SL in spe, immer wieder vor Augen führen. Dramaturgieorientierte Eingriffe dürfen nur extrem PUNKTUELL vorkommen. Es ist als SL sehr verführerisch, den Spielern sukzessive mehr und mehr Freiheiten zu rauben. Diesem Drang gilt es zu widerstehen. Sonst kommt es zu Ärger.
3. Dramaturgie ist strategisch: Dramaturgie sollte strategisch eingesetzt werden und weniger taktisch. Der angehende Drama-SL sollte sich sehr gut überlegen, an welcher Stelle dramaturgieorientierte Eingriffe sinnvoller Weise vorgenommen werden sollten.
4. Dramaturgie ist kein Selbstzweck: Wenn Du als angehender Drama-SL die Runde sanft in eine bestimmte Richtung zu führen beabsichtigst, sei dabei ebenso aufmerksam wie flexibel. Beobachte sehr genau die Reaktion der Spieler und spüre nach, ob sie Deinen Eingriffen begeistert folgen. Sollte die Bahnung auf Widerstand stoßen, sei flexibel und verbeiße Dich nicht zu sehr in Deinen Plan. Du musst sehr feinfühlig Dein dramaturgisches Interesse gegen die Handlungsneigungen der Spieler abzuwägen bereit sein und Dich dem übergeordneten Interesse der Runde unterordnen. Das führt uns direkt zum vierten und letzten Punkt.
5. Dramaturgie ist kein Machtmittel: Dramaturgie ist kein Selbstzweck, sondern dient dem übergeordneten Wohl der Runde. Noch einmal: Ein dramaturgieorientierter SL dient der Runde. Es sind nicht die Spieler, welche nach den Strippen des SL zu tanzen haben. Dramaturgische Eingriffe in Rollenspielrunden müssen also nicht nur behutsam, selten und strategisch sein. Der SL muss zusätzlich auch noch seine Motivation zum Handeln zu hinterfragen bereit sein. Bequemlichkeit oder, noch schlimmer, der Wunsch die Handlungen der Spieler zu dirigieren, sind keine sinnvollen Motivationen. So wie in simulationistischen Runden das Credo "Der SL hat nichts zu wollen." gelten mag, so muss sich ein dramaturgieorientierter SL immer vor Augen halten: "Ein dramaturgieorientierter SL dient der Runde."
Ich bin mir ziemlich sicher, dass mit diesen Tips die Wahrscheinlichkeit dysfunktionaler Runden aufgrund eines schwachen, dramaturgieorientiert leitenden SL drastisch reduziert wird.
Ursprung ist ein anderer Thread. Habe mal einen neuen eröffnet, weil das Thema dort meiner Ansicht nach nicht so wahnsinnig gut reinpasste und mir zudem von generellem Nutzen zu sein scheint.