Da der Nachbarthread inzwischen das ebenfalls interessante Thema "Railroading" behandelt, mach ich halt doch einen neuen auf... den Fünften oder Achten (ich habe den Überblick verloren), der diesen Themenbereich behandelt...
Im Nachbarthread wurde unter dem Blickwinkel diskutiert, daß die unten aufgeführten Punkte die Norm darstellen, und die Verfechter einer Abweichung von Dieser haben dargelegt (versucht, darzulegen), welche Vorteile mit der Abweichung verbunden sind (sein können), was dann von den verfechtern der Norm widerlegt (zu widerlegen versucht) wurde.
Die Norm:
1. Der SL muß sich an die Regeln halten
2. Regeln dürfen nur im Gruppenkonsens geändert werden
Mich würde interessieren, warum das die Norm sein soll.
Warum es die Norm ist, kann ich mir erklären. Warum es eine gute Idee sein soll, hingegen weniger.
Wie kommt man auf diese Idee ? Die meisten von uns dürften bereits in ihrer Kindheit mit den Spiele-"Klassikern" in Kontakt gekommen sein, darunter Memory, Mensch ärgere Dich nicht, Monopoly, Mühle, Dame, Halma, Maumau, Canasta etc. Und da haben sie gelernt, daß die Regeln für alle gelten, und man sie nicht einseitig ändern kann.
Was haben diese Spiele gemeinsam ? Es sind Wettkampf-Spiele, am Schluß gibt es einen Gewinner, der Rest hat verloren. Bei solchen Spielen ist "die Norm" sehr sinnvoll (unabdingbar, möchte ich sagen), schließlich sollen unterschiedliche Siegchancen bei Spielbeginn, wenn es sie überhaupt gibt, ausschließlich von unterschiedlichen Fähigkeiten der Mitspieler abhängen (möge der Beste gewinnen).
Nun ist Rollenspiel aber kein Wettkampfspiel (möglicherweise kann man es so betreiben, dann muß man am "klassischen" Grundkonzept aber gehörig rumbasteln), deswegen ist die Übertragung der "Norm" auch nicht durch einen Analogieschluß zu begründen (zumindest nicht durch einen Angemessenen).
Bevor ich angefangen habe, mich in den Gefilden des
zu tummeln, bin ich nie auf die Idee gekommen, man könne fordern, der SL möge sich stets an die Regeln halten. Ich lasse ihm freie Hand beim Festlegen der Rahmenbedingungen der Regelanwendung. Welchen Sinn ergibt es da, ihn für die weiter Abhandlung des Geschehens den Regeln zu unterwerfen ? Das wäre, als würde ich meinem Gegner im Schach erlauben, die Figuren aufzustellen, wie es ihm gefällt, und dann streng nach FIDE-Regeln weiterspielen. Da werde ich nur sehr selten gewinnen. Wetteifern mit dem SL ist nun mal recht sinnlos.
Wetteifern mit anderen Spielern ist hingegen nicht so extrem selten (sagen mir meine Erfahrung und die immer wieder auftauchende Forderung nach "Balancing" zwischen Klassen oder Rassen). Es ist also durchaus sinnvoll, die Spieler den Regeln zu unterwerfen.
Nun stellt sich die Frage, wer diese Regeln festlegen soll. Die "Norm" sagt: Die Gruppe, und nur die Gruppe. Dann ist jeder Mitspieler daran beteiligt und alles ist gut, ansonsten ist alles schlecht. Das kann ich nicht so ganz nachvollziehen (ok, das ist gelogen. Ich kann es fast gar nicht nachvollziehen). Als Spieler unterwerfe ich mich den Regeln des Spiels, weil ich mitspielen will. Manche gefallen mir, andere sind ganz passabel und wieder andere finde ich schlicht bescheuert. Das hängt eigentlich in keiner Weise von der Quelle der Regeln ab. Eine schlechte Regel gefällt mir nicht besser, nur weil meine Gruppe sie beschlossen hat. Ich unterwerfe mich ihr, weil ich mitspielen will, oder lasse es bleiben und spiele nicht mit. Genau wie bei den Regeln, die sich irgendein Autor ausgedacht hat, oder ein SL oder meine große Schwester, wenn sie mir glaubhaft machen kann, sie könne die Regeleinhaltung durchsetzen.
Aber wenn das nicht die Gruppe macht, wo bleiben Spieler-Mündigkeit und Demokratie ? Wenn ich mich aus freien Stücken einer Situation unetrwerfe, in der über meinen Kopf hinweg entschieden wird, die ich aber jederzeit wieder verlassen kann, wenn mir die Entscheidungen nicht gefallen, ist das kein Aufgeben meiner Mündigkeit, sondern deren Ausübung. Und Demokratie mag als Herrschaftsform für Staaten ideal sein (das will ich hier nicht vertiefen), daß sie für die Entscheidung über Rollenspielregeln ideal sei, ist nicht so ohne Weiteres vorauszusetzen.
Deshalb: wie kommt man auf die Idee, die Einhaltung der "Norm" sei wünschenswert ? Welche Vorteile bringt sie im Spiel ?