Tja, und genau deshalb sage ich: Früher war vielleicht nicht alles besser, aber heute ist es das auch nicht.
Denn früher hätte man vielleicht einfach gesagt: "Okay, warten wir mal ab, zu was das führt...muss ja nichts Schlimmes sein.", aber heute hat gefühlt jeder mindestens 2 einschneidende Erlebnisse mit Arschloch-SL gehabt und deswegen wird automatisch vom Negativen ausgegangen. Tja, das Glas ist heute eben nicht mehr halbvoll.
Ich stimme da nur halb zu.
"Früher" (also Mitte der 80er bis Mitte der 90er) wäre ich wegen wiederholten Schummels irgendwann aus der Runde rausgeflogen und alle hätten das für okay befunden, inklusive meiner einer. "FRüher" hätte ich selbst als Spielleiter auch die Schummler der Runde verwiesen, während ich das eigene Zurechtbiegen der Resultatsermittlung durch Würfeln für völlig legitim gehalten habe.
Früher hatte ich nicht nur Arschloch-Spielleiter (mit denen ich heute immer noch gut befreundet bin), früher war ich selber einer. Michael Mingers hat das in einem der letzten Dorp-Casts gut beschrieben: "Wir waren jung und da miußte man grausam zueinander sein."
Und das war kein egomanischer Allmachtstrip, auf dem wir waren, sondern in unserer Jugend irgendwo "normal". Kinder sind auch oft grausam und grausam ehrlich zu andern.
Abgesehen davon, daß wir uns derzeit irgendwo selbst eine Community schufen und uns und diese sozialisierten, glaube ich, war es auch eine Frage der zeitlichen "Epoche". In den 80ern und Anfang der 90er war vieles eben retrospektiv betrachtet seltsam anders.
Die leidliche Debatte hier läuft doch auf zwei Fragen hinaus: betrachtet man Rollenspiel als Gesellschaftsspiel (also als Herausforderung, taktisch oder wie man es nennen möchte, dann ist "schummeln" illegitim, egal von wem es begangen wird) oder als etwas anderes (gemeinsames Geschichten erzählen, Setting Reenactment, oder wie immer man es nennen will).
Läuft die Antwort auf den zweiten Fall hinaus, treten die Spielregeln ggf. in den Hintergrund und es schließt sich die Frage an, wem das Gestaltungsrecht in Sachen Storyentwicklung und in Sachen Settinggestaltung zugestanden wird. Die betreffenden haben dann meist das Recht des Regelignorierens als impliziten Konsens.
Hat nur der SpL Gestaltungsrecht über Welt und Geschehen, darf nur er schummeln.
Gesteht man den Mitspielern Mitgestaltungsrechte ein (Playerempowerment), dann erhalten diese auch mehr damit auch Rechte.
Insofern KANN es gar keine universelle Antwort geben auf die Frage im Topic geben außer: kommt drauf an, wie man spielt. Aber das stand bestimmt auch extrem oft in den ersten 3 Seiten.
Und insofern war mein "früher" nicht besser. Mein früheres Rollenspiel war in nicht wenigen Teilen ganz schön dysfunktional (wie es heute so schön heißt). Wir haben es trotzdem gerne gespielt, auch, weil uns eben auch die Kumpels wichtig waren, mit denen wir es gespielt haben, auch wenn die Rundenkonstellation suboptimal war. Und vor allem war es als Werdegang wichtig, um später weniger dysfunktional spielen zu können.
Man kann "früher" retrospektiv romantisch verklären und nostalgisch die gute alte Zeit in den Vordergrund rücken, denn die Zeit war nicht schlecht. Man kann auch das in den Fokus stellen, was nicht funktionierte. Von beiden gibt es genug (zumindestens bei mir).
Für micht ist eher wichtig, dass es dadurch dass es das beides gab, dazu geführt hat, was heute gibt.
Hätte Rollenspiel nicht so viel Spaß gemacht, würde ich es heute nicht mehr machen. Hätte es nicht so viel Bullshit gegeben, hätte ich mir weniger Gedanken gemacht und wäre heute nicht in der Lage einges an Bullshit zu vermeiden.