Wenn du das im Kontext meiner Beiträge gelesen hättest, könntest du nicht von einem "Denkfehler" schreiben.
Aber ich nehm dir das nicht übel. Schließlich führen wir hier eine Theoriedebatte als Anekdoten-Austausch und "politsche" Stammtischdiskussion, bei dem immer wieder auch auf Nebenschauplätzen argumentiert wird. Da kann keiner verlangen den Überblick zu behalten.
Ob etwas beim Rollenspiel gelingt hängt eher von einem sozialen Aushandlungsprozess ab, nicht von festen Regeln.
Das predige ich ja eh schon die ganze Zeit. Und der soziale Aushandlungsprozess hängt nicht allein von den Präferenzen der SL ab.
Trotzdem: Spielregeln (auch die konkreten im Regelbuch
1), auf die man sich geeinigt hat - haben u.a.! die Funktion Kompetenzen und Spielverhaltensweisen zu ermöglichen und zu unterbinden. Und darum geht es. Wenn man als SL unabgesprochen die Spielregeln/Funktionsweise von Spielmechanismen ändert, hat das Auswirkungen auf die Ebene der Absprachen. Weil z.B. die Absprache "Zauber, die ein Spieler erworben hat, sind einsetzbar" nicht mehr ungebrochen gilt. Das kann Spielern das Gefühl geben, dass ihnen die Hoheit über ihre Charaktere, die Möglichkeit "die Story" zu beeinflussen, genommen wird.
Solche Änderungen vorzunehmen ist natürlich trotzdem möglich, WENN die Runde als Ganzes! die Priorität auf einen funktionierenden Plot, ggf. auch auf eine Spielwelt, die so funktionieren soll, wie sie in den Quellenbänden beschrieben ist, ... legt. Die SL muss das halt vorher wissen, ob so ein Eingriff akzeptiert bzw. erwünscht ist oder nicht.
(Woran man wieder sieht: Konkrete Spielmechanismen und Crunchy Bits sind Mittel zu einem bestimmten Zweck. Und darüber welche Zwecke/Ziele die Regelanwendung bedient, muss vorher grundlegend eine Übereinkunft bestehen. ... Wie hier schon mehrfach ausgeführt, gibt es Ziele, die es erfordern, dass die SL nicht einfach Regeln abändert. Es gibt auch Ziele, die ein solches Vorgehen ermöglichen.)
Ich würde hier wieder von einer Skala sprechen, mit mehr oder minder festen Regeln, und normales Rollenspiel irgendwo in der Mitte einordnen. Extreme wären dann Improtheater (nur grobe Regeln, irgendwie Spaß mit Piratenkostümen haben) und Brettspiel (möglichst eindeutige Regeln für einen stark reduzierten Bereich).
Nein, würde ich so nicht sagen. Richtig ist: Je mehr Spielmechanismen Verbindlichkeit besitzen, desto weniger Absprachen muss man sich darin übereinkommen, WIE diese Mechanismen genau funktionieren und angewandt werden sollen. Im Freiformspiel verschiebt sich das Ganze weg von formellen Spielmechanismen hin zu Übereinkünften (und nicht etwa "irgendwie Spaß haben"). Hier sind Kompetenzklärungen (Erzählrechte, mögliche Aktionen der Spielfiguren, Plotentwicklung, ...) vor und während des Spiel ständig notwendig - gerade, weil man keine Spielmechanismen hat, die einem da Arbeit abnehmen. Beide "Extreme" haben ihre besonderen Herausforderungen und ihre besonderen Vorzüge. Im "normalen Rollenspiel", wie du es nennst, braucht beide Regelebenen: Absprachen und Spielmechanismen. Das ist nicht so einseitig wie bei Freifomspielen oder Systemen, die wie ein Uhrwerk funktionieren (Torchbearer und Urban Shadows sind an der Stelle mMn nah dran). Was die notwendige Verbindlichkeit von Spielregeln/-mechanismen angeht: Das hängt gerade bei "normalen Rollenspielen" sehr von den Präferenzen der am Tisch Sitzenden ab.
Ich denke aber auch das die Leute einer Illusion unterliegen, wenn sie sich von klaren Regeln ein vorhersehbareres Spiel bzw. vorhersehbarere Interaktion und Einflussnahme erhoffen. Sollte die gewünschte Einflussnahme gegen die Vorstellungen der restlichen Gruppe laufen, wird sie nicht klappen. Ebensowenig erhöhen die klaren Regeln die Wahrscheinlichkeit, im Vorfeld divergierende Spielweisen feststellen zu können.
Richtig. Denn: "Klare Regeln" können nur das Ergebnis von Übereinkünften sein. Sie können Absprachen und/oder das Gespür füreinander nicht ersetzen. "Klare Regeln" sind aber Voraussetzungen dafür, dass bestimmte Spielweisen funktionieren können. Und: Auch Regelsysteme sind oft nicht mit jedem beliebigen Spielstil, jeder beliegen Spielweise kompatibel. Die genannten uhrwerkartigen Spiele setzten z.B. voraus, dass ihre Spielmechanismen mehr sind als Empfehlungen. Auch mehr als Regeln, an die man sich meistens hält. Andere Spiele wie DSA4 erwarten, dass sie zurechtgeschneidert werden. Am besten durch den Schneider (SL). Und selbst dann sollen (bei DSA) Hintergrund und Abenteuer-Story eher Priorität vor den Spielmechanismen haben.
1Gerade Spiele mit vielen Crunchy Bits wie FantasyCraft, D&D3, ... "empowern" eher Spieler und nehmen der SL "Macht".
DSA4 ist was anderes - da sind crunchy bits v.a. "colour" für Charaktere.