Nach einem gefühlten Jahrzehnt Rollenspielpause war es vor zwei Wochen endlich so weit und ich habe meine erste Malmsturm-Runde geleitet. Kurzfazit: geil! Obwohl die Spieler-Truppe äußerst bunt ist und Erfahrung wie bei mir als Spielleiter eher mager war.
Die Spieler:
Ein leidenschaftlicher Rollenspiel-Brutalo, der die Probleme entweder mit Gewalt, noch mehr Gewalt oder einer epischen Gewaltorgie löst und immer nach der besten Rüstung und der dicksten Axt lechzt. Im Spiel ein Hauptmann, spezialisiert aufs Kämpfen.
Ein Fachverkäufer, der redet wie ein Wasserfall und gerne alles plant bis zum Umfallen. Im Spiel der Waldläufer/Jäger.
Und der typische Internetgamer, der mich per Zufall fragte, ob ich wüsste, was klassisches Rollenspiel sei. Im Spiel einen Seyder, der die Kommunikation/Manipulation übernimmt.
Klassischer Anfang in einer Kneipe, direkt nach dem Auftrag ne Schlägerei angeboten, aber nicht angezettelt. Wurde dankbar vom Brutalo angenommen, den der Nordmann Oswald der Schöne mit Kraft 5 auf den Stuhl drückte und demütigte - mündete dann in eine Kopfstoß-Orgie. Eine schöne Szene war, als der Seyder vermutete, dass in der Kneipe doch sicher ein großer Leuchter hing. Da es mir egal war, stimmte ich spontan zu. Schwupps warf der Jäger mit einem Wurfdolch das Seil in zwei und der Leuchter schaltete einen angreifenden Gegner aus. Da sich die Keilerei wegen Würfelpechs hinzog, schickte ich die Stadtgarde rein. Rausschmiss aus der Kneipe, Abreise gen östliche Waismark, um einen vermissten Lektor zu suchen, dessen Adjutant die Helden angeworben hat.
Ich hatte die Szenen vorher recht genau vorbereitet, weil ich mich erst mal darauf konzentrieren wollte, die Malmsturm-Regeln (vier Aktionen, Wettstreit, Konflikt etc.) zu verinnerlichen. Erst, wenn das halbwegs sitzt, lasse ich den Jungs mehr freien Lauf, wobei ich darauf geachtet habe, dass sie ihre Entscheidungen selbst treffen (inkl. Gut oder Böse, was die Gesinnung angeht). Lustigerweise war im Nachhinein alles anders gekommen als geplant.
Hatte ich gedacht, sie würden das mit Worten klären, wurde erbarmunglos gehackt, hatte ich es auf Konfrontation angelegt, wurde geredet wie bei den Diplomaten. In Szene 2 wurde die Lagerfeueridylle am Waldrand jäh unterbrochen, als der kleine Junge des Wirts (der die Helden wohl heimlich verfolgt hatte und schon in Szene 1 jene bewunderte) brüllend aus dem Gebüsch stürmte und von einem Strauchdieb gepackt wurde, dem er scheinbar entflohen war.
Zack, waren die Mannen da und der Waldläufer hatte den Jungen an einem Arm, während der Dieb ihn am anderen hatte, als Verstärkung des Diebes kam. Für mich interessant, weil der Dieb reden wollte (Ich will nur das Kind, kein Stress), die Helden den Jungen aber kannten. In der Runde wurde heiß diskutiert, was man tun könnte, bis der Hauptmann aus seinem Versteck stürmte und den Dieb mit einem Hieb ausschaltete. Ich setzte auf Plan B, dass ein anderer Dieb nun die Kommunikation übernehmen sollte, damit es interessanter wurde als reines Gekloppe. Doch der spürbar genervte Waldläufer entschied sich dazu, dem nächsten ebenfalls eine zu verpassen und erschoss meinen Plan B im wahrsten sinne des Wortes. Over and out, Diebe platt, aber dafür hab ich den Adjutanten des Lektors Randale machen lassen, weil sie den Jungen ein Blutbad mit haben ansehen lassen. Bisl Moral muss sein.
In der letzten Szene gab es noch einen Wettstreit mit einem Fischer, um die Überfahrt auf dem See zu organisieren. Urs der Seebär stand kurz davor, den schmächtigen Seyder unter den Tisch zu saufen, bis der Waldläufer seine Kenntnisse nutze, um einen Krug zu panschen und den Seebären wenigstens einen ehrwürdigen Gegner bezwingen zu lassen. Der Hauptmann setzte sich also hin und handelte "gute Konditionen" für die Überfahrt aus.
Nicht die beste Story, das war aber erst der Anfang. Ein richtiges Highlight war die letzte Szene nicht, das hat die Jungs etwas irritiert, da sie noch zu sehr auf den typischen Endgegner gewartet haben. Den Zahn musste ich ihnen früh ziehen. Es dauerte einige Zeit, bis die Jungs realisiert hatten, auf wie mannigfaltige Weise sie bei Malmsturm Probleme lösen können, Potential ist aber auf jeden Fall da. Keiner hat einen Stunt eingesetzt, wobei ich darauf geachtet habe, dass jeder mindestens eine Gelegenheit dazu hatte. Hatten sie total vergessen. Auch Fatepunkte flossen recht mager, weil sie in unwichtigen Szenen (Kneipenschlägerei und Strauchdiebe-Schlachten) die kostbare Ressource nicht verprassen wollten. Am Ende hatten alle nur einen ausgegeben. Neben dem Kronleuchter gab es noch eine weitere Szene, die mir deutlich zeigte, dass Malmsturm die perfekte Wahl für uns ist, wir aber erst bei 15% sind, was das Potential betrifft.
Der Waldläufer spurtet in Szene 2 durch den matschigen Waldboden, um den Jungen zu packen, während der Dieb ihn mit Kraft wegzerren will. 4 zu 3 Erfolge für den Waldläufer. Ich reize den Aspekt "verregneter Tag" und schwafel "Tja, da es heute den ganzen Tag schön schüttet wie aus Kübeln, kommst du arg ins Rutschen und verpasst den Arm des Jungen knapp..." 4 zu 5 für mich, worauf der Waldläufer ohne zu zögern einen Fatepunkt in die Höhe hält und hinzufügt "da ich aber in der Wäldern groß geworden bin, kennen ich mich bestens aus und schnappe mir doch noch den Arm des Kleinen".
Sehr geil, sehr flüssig, so wie ich mir Malmsturm vorstelle. Und lustigerwiese null geplant sondern vollkommen spontan, so wie der Kronleuchter in Szene 1. Diesen Samstag gehts weiter. Von den festen Szenen verabschiede ich mich peu a peu, damit die Speiler merken, dass sie nicht meiner Geschichte folgen, sondern ihre eigene Geschichte schreiben. Langfazit: Megageil, endlich wieder Spaß beim Rollenspiel, aber ohne tausend Tabellen und Listen. Selbst unser Haudrauf hatte ne Menge Spaß, auch ohne Waffenboni, Rüstungskram und Gold oder Geld im klassischen Sinne. Und das will etwas heißen! C