Autor Thema: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!  (Gelesen 123869 mal)

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Offline Crimson King

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #550 am: 29.09.2016 | 16:41 »
Öhm, da ist kein Deutsch in deinem Neudeutsch  ;D und bei z.B. einem amerikanischen Publikum wäre es unglücklich, ihre Charakter zu "bangen". Insofern finde ich "anspielen" oder "Flaggen ansprechen" schon ok. Aber wir verstehen alle grob was gemeint ist: Im Vorfeld sagt der Spieler explizit oder durch irgendwelche Systemhilfe "Das ist interessant an meinem SC, das sind die Dinge die ihn beschäftigen sollen!" und der Spielleiter geht während des Spiels hin und führt Elemente ein, die diese interessanten Sachen aufnehmen, thematisieren, in der Vordergrund rücken. Korrekt?

Flag Framing ist eine Technik zur Bestimmung von Inhalten. Sie sagt nichts über Struktur und Abläufe aus. Du kannst problemlos eine ultralineare Kampagne planen, in der durch die Spieler von Flagge zu Flagge railroadest und die Auflösung der Szenen gleich vollständig mitbestimmst.

Bang wiederum bedeutet so viel wie Knall, Knaller, Knalleffekt. Kein Englisch-Muttersprachler wird als erstes darauf kommen, dass hier ein Geschlechtsakt umschrieben wird. In der Plottheorie bezeichnet der Begriff Szenen, in denen ein Hauptcharakter eine zentrale Entscheidung treffen muss oder ein Konflikt, an dem ein Hauptcharakter beteiligt wird, weiter getrieben oder aufgelöst wird. Der Begriff wurde in diesem Zusammenhang von den Forgies übernommen und steht für einen Planungstil, bei dem solche Szenen vorbereitet, die zeitliche Verortung sowie der Ausgang der Szenen aber bewusst offen gelassen wird. Er steht damit im Gegensatz zu Railroading und verwandten Begriffen. Es ist auch hochgradig sinnvoll, aber keineswegs notwendig, Bang Driven Design mit Flag Framing zu kombinieren.

Für Leute, denen Bang Driven Design zu hip ist, schlage ich die Bezeichnung ergebnisoffenes schlüsselszenenorientiertes Abenteuerdesign vor. Das ist deutsch genug.
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #551 am: 29.09.2016 | 16:46 »
Zitat
Kein Englisch-Muttersprachler wird als erstes darauf kommen, dass hier ein Geschlechtsakt umschrieben wird
Schade. Das hätte den Titel "The Big Bang"-Theory weitaus unterhaltsamer gemacht.

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #552 am: 30.09.2016 | 08:43 »
Boah, Jungs ey, Ihr macht mich fertig.

Ich verstehe Euch so, dass es "gute" und "böse" Dramaturgie gibt. Ich mache was Richtiges und die Forge nennt sowas "bang driven adventure design". Ich finde das total merkwürdig.

Mich würde hier mal ernsthaft interessieren, ob an dem Abend auch nur eine relevante Spielerentscheidung entwertet wurde, egal ob nun mit oder ohne schweigendes Einverständnis der betroffenen Spieler.

Ja natürlich! Ich habe sichergestellt, dass der eine bestimmte SC auf den einen bestimmten NSC trifft zu einem bestimmten Zeitpunkt des Spiels. Das ist total geschient! Dafür habe ich eine Schnitzeljagd im Schloss so hingebogen, dass das genau so kommt. Ich kann Dir ehrlicher Weise nicht mehr sagen, ob ich das durch "Pseudowürfeln" (also das Abverlangen einer Probe als illusionistische Technik, weil der Ausgang bereits feststand), durch "Würfeldrehen", durch subtile Manipulation des Spielerinputs (indem ich Angaben der Spieler so uminterpretiert habe, dass es für den weiteren Verlauf passt), durch aktive Suggestion oder sonstewie erreicht habe. Weiß ich nicht mehr. Finde ich auch nicht so wichtig.

Fest steht, dass ich dramaturgieorientiert eingegriffen habe. Nennt das Railroading, Würfeldrehen oder whatever. Die Entscheidung des Spieler wurde dahingehend gebahnt und, um den Kampfbegriff zu verwenden, "entwertet", dass das Treffen in der von mir bereits im Vorfeld vorbereiteten Form stattfand. "Bang driven adventure design"? Meinetwegen. In jedem Fall wurde keine Entscheidung des Spielers ernsthaft zugelassen. Das Treffen wollte ich als SL so und es ist eingetreten. Ab dem Zeitpunkt des Zusammentreffens war es dann wieder offen. Logo. Aber das ist für den Umstand, dass ich als SL aktiv eine Entscheidung des Spielers offensiv manipuliert bzw. eingeschränkt bzw. gar nicht erst zugelassen habe, irrelevant.

Zugleich wichtig: hätte der Spieler eigenen Widerstand aufgebaut und sich nicht so bereitwillig führen lassen, wären meine Handlungsoptionen als SL deutlich gestiegen*. So war es einfach: Spieler merkt, dass SL in eine bestimmte Richtung möchte. Er greift den Faden auf und beteiligt sich aktiv am geschienten Verlauf. Er weiß nämlich erstens aus Erfahrung, dass das zu einem besseren Spielerlebnis führt. Zweitens möchte er aus Gründen der Höflichkeit meine Vorbereitung als SL niciht "entwerten". Erfahrungsbasiertes Vertrauen in Kombination mit gegenseitigem Respekt führen zu aktivem Partizipationismus. Klassiker.

Hätte der Spieler in diesem Moment keinen Bock auf dieses Railroadingelement gehabt, hätte er Widerstand aufbauen können. Dann muss der SL entscheiden, wie groß er die Hürden gestalten will. Generell ist es nach meiner Erfahrung eigentlich immer eine gute Idee, wenn die Spieler das tun dürfen, worauf sie Bock haben. In seltenen Fällen mag es dennoch für den SL sinnvoll sein, die Hürden zu vergrößern, um den gewünschten Storyverlauf durchzudrücken. In diesem Beitrag hier hatte ich ein sehr konkretes Beispiel dafür gegeben. Das wäre dann mehr oder weniger hartes Railroading gegen den Widerstand der Gruppe bzw. einzelner Spieler. Auch das kann sinnvoll sein, wird aber nach meinem Verständnis verteufelt. Oder irre ich mich da auch? Das von mir genannte Beispiel ist bezeichnender Weise von niemandem aufgegriffen oder kommentiert worden.

Was ich insgesamt und als Fazit sagen möchte: dramaturgieorientiertes Leiten umfasst viele häufig kritisierte Techniken. Es werden zwangsläufig Entscheidungen von Spielern "entwertet". Man sollte damit als SL sehr zurückhaltend umgehen. Aber es ergeben sich dadurch nicht nur Nachteile, sondern auch viele Vorteile. Wenn es gewünscht ist, spreche ich von nun an gerne von "bang driven adventure design". Alles in Ordnung. Das klingt anders, ist für mich aber inhaltlich genau dasselbe. Oder habe ich da ein GANZ DICKES BRETT vorm Kopf oder was? Ich kann Euch irgendwie nicht mehr folgen in der Beurteilung dessen, was nun okay ist und was nicht.




EDIT
*: Das nur kurz dazu, dass sich die Spielleiter in Sandboxen so geil "überraschen" lassen können. Beim Railroading wird es für den SL mindestens ebenso spannend, denn die Reaktionen der Spieler bedingen Reaktionen des SL. Das ist oftmals überraschend, anspruchsvoll und erfordert große Flexibilität.
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 09:08 von Wellentänzer »

Offline Greifenklause

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #553 am: 30.09.2016 | 09:27 »
@ Wellentänzer:
Schöner und ambivalenter Post.
Ich glaube sowas ist auch die "Abmischung", nach der ich am meisten leite.
Aus ist die "Ziegenfleisch-unterschieben-Problematik" bei deinem Beispiel nach enger Auslegung nicht gegeben, das hier ja nichts gegen den explizit bekundeten Geschmack des Spielers unternommen wird.
Bei seeeehr breiter Auslegung (die aber glich auch die Kritiker nicht ausüben) vielleicht schon, weil der Spieler uU denkt seine Handlung könnte die Haupthandlung beeinflussen, dies aber tatsächlich nicht tut.
Fällt aber uU eh unter "Illusionismus wie ihn die(se) Spieler toll finden", deshalb Frage an die Kritiker: Allgemeiner Konsens?

Nichtsdestotrotz kann es immer mal passieren, dass man bei dem Thema "Wieviel Railroading (o.ä.) hätten's denn gern" sich verschätzt und urplötzlich ein Spieler querschießt (aus Sicht des Spielers schießt der SL quer).
Ich für mich habe mich entschlossen, in solchen Fällen eine Zwischenlösung zu überlegen (leicht veränderter Hauptstrang), im Besten Fall sogar einen Plan B vorzubereiten (stark veränderter Hauptstrang oder ganz anderer Hauptstrang, wenn mein Favorit keinen Mehrwert mehr hat...) oder mich im schlimmsten Fall zu entschuldigen und meinen Favoriten durchzusetzen ("Tut mir leid, du hast ja recht, aber ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich sonst weiter leiten soll!")
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Offline Wandler

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #554 am: 30.09.2016 | 09:32 »
Du entwertest aber keine Spielerentscheidung nur weil du Würfel drehst oder die Szene eintreten lässt. Du hast eben genau deswegen nicht gerailroadet weil die Spieler mitgewirkt haben.

Der Spieler hat ja keine Entscheidung getroffen die explizit negiert wurde: Eine Entscheidung Ja/Nein Entscheidung bei der in beiden Fällen die Szene eintritt kann nicht durch eine Veränderung der Entscheidung JA->Nein oder NEIN->Ja verändert werden wenn die Frage ist "Tritt die Szene ein".

Damit du eine Spielerentscheidung negiert hättest, hätte ein Spieler etwas tun müssen, du hättest dann eine Aktion wählen müssen die entgegen einem glaubhaften Resultat diese Entscheidung negiert. DENN: Jede Entscheidung die du als SL wählst ist willkürlich. Im Zuge deiner Entscheidungsfindung gehst du nach gewissen Kriterien und entscheidest dich: Diese Szene kann glaubhaft eintreten - egal ob du Würfel drehst oder nicht.

Ein Würfeldrehen KANN eine Entscheidung negieren, muss es aber nicht. Beispiel: Spieler vergiften den Graf, er überlebt weil du den Würfel drehst. Die Szene mit dem Graf kommt trotzdem.

Ich finde dieses aufweichen von "Railroading" immer seltsam.

Offline Issi

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #555 am: 30.09.2016 | 09:36 »

@
Wellentänzer
Hmm, wenn ich jetzt mal eine beliebige Ballsituation hernehme.
Und der dunkle Beobachter beobachtet eine  SC Dame den ganzen Abend. Irgendwann geht die Dame auf den Balkon und der Beobachter folgt ihr unauffällig , weil er jetzt die Möglichkeit hat mit ihr unbeobachtet zu sprechen, dann ist das für mir eher eine natürliche Konsequenz, als Railroading. Wäre die Dame im Ballsaal geblieben, dann hätte der dunkle Beobachter vielleicht eine Nachricht verfasst, und ihr den Zettel im vorbei gehen zugesteckt, mit der geschriebenen Aufforderung , sie möge ihn unauffällig auf den Balkon folgen, es geht um Leben und Tod, ihre Freunde  was auch immer. Auch hier hätte der Spieler die Chance nein zu sagen. .Sie hat also die Möglichkeit sich ihm zu entziehen. Da wird mMn. auch nicht manipuliert.

Eine willkürliche Entscheidung wäre für mich, wenn die Dame auf den Balkon geht und dort plötzlich der Typ steht, ohne dass der vorher da oder überhaupt vorgesehen war. Und oder wenn ihr der SL sagt, dir ist vom Tanzen ganz heiß, dir wird schwindlig, etwas frische Luft wäre gut. Da ist ein Balkon.Oder etwas Ähnliches.

Wenn ich einen NSC gebaut habe, mit seiner Intention etwas zu erreichen und laß den taktieren, wie der das am Besten hinkriegt, dann mache ich das ja unter Berücksichtigung der natürlichen Begebenheiten.

Und wenn irgendwann der König eine Rede hält, dann ist das im Zeitplan des Balles so vorgesehen. Um Mitternacht hält er eine Ansprache, bei der er sich mit Lady x verloben wird. Und dann gibts das Feuerwerk. Ist ja insofern auch kein Railroading sondern Festablauf.

Ich verstehe noch nicht wie man da Railroaden muß, kann, sollte. :)
 
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 10:27 von Issi »

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #556 am: 30.09.2016 | 09:45 »
Ich finde dieses aufweichen von "Railroading" immer seltsam.

Das ist eine reine Definitionsfrage. Du verwendest Railroading im Sinne der Forge. Bei weitem häufiger ist aber der allgemeine Sprachgebrauch. Bei DSA sprechen ja immer alle von "Abenteuern voller Railroading". Das wäre Quatsch, wenn wir nach Definition der Forge vorgingen. Zudem ist Dein Beispiel Quark, weil Du da gar nicht den Willen der Spieler thematisierst. Lös Dich einfach von einem Klammern an Begrifflichkeiten und betrachte den größeren Kontext. Sonst drehen wir uns im Kreis.

In dem zweiten Beispiel, zur Sicherheit noch einmal hier verlinkt, würde ich ansonsten als SL viel direktiver, autoritärer, entschiedener und, ja, bis zu einem gewissen Grad auch gegen den Willen der Spieler, agieren. Das finde ich in dem Fall total angemessen im Sinne eines größeren Spielspaßes für alle Beteiligten.

Offline Issi

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #557 am: 30.09.2016 | 09:59 »
@
Wellentänzer

Eben weil ich mich damit noch nicht so beschäftigt habe, würde ich das ja gerne verstehen.
Das Verständnis von Begrifflichkeiten kann sehr verschieden sein. Ich wollte durchdringen wie Du das gemeint hast .
Im mag Drama, dazu stehe ich. Ich mag coole Plots und bilde mir gerne meine eigene Meinung indem ich unterschiedliche Sichtweise
betrachte, denn ich bin von Natur aus neugierig. Ich unterliege auch keinerlei Gruppenzwang oder einer Ansicht von  "Gut" oder "Böse ",
sondern es  interessiert mich einfach.
Ich hatte gehofft, gewünscht, dass Du anders oder überhaupt reagierst.
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 10:20 von Issi »

Offline korknadel

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #558 am: 30.09.2016 | 10:05 »
Flag Framing ist eine Technik zur Bestimmung von Inhalten. Sie sagt nichts über Struktur und Abläufe aus. Du kannst problemlos eine ultralineare Kampagne planen, in der durch die Spieler von Flagge zu Flagge railroadest und die Auflösung der Szenen gleich vollständig mitbestimmst.

Bang wiederum bedeutet so viel wie Knall, Knaller, Knalleffekt. Kein Englisch-Muttersprachler wird als erstes darauf kommen, dass hier ein Geschlechtsakt umschrieben wird. In der Plottheorie bezeichnet der Begriff Szenen, in denen ein Hauptcharakter eine zentrale Entscheidung treffen muss oder ein Konflikt, an dem ein Hauptcharakter beteiligt wird, weiter getrieben oder aufgelöst wird. Der Begriff wurde in diesem Zusammenhang von den Forgies übernommen und steht für einen Planungstil, bei dem solche Szenen vorbereitet, die zeitliche Verortung sowie der Ausgang der Szenen aber bewusst offen gelassen wird. Er steht damit im Gegensatz zu Railroading und verwandten Begriffen. Es ist auch hochgradig sinnvoll, aber keineswegs notwendig, Bang Driven Design mit Flag Framing zu kombinieren.

Für Leute, denen Bang Driven Design zu hip ist, schlage ich die Bezeichnung ergebnisoffenes schlüsselszenenorientiertes Abenteuerdesign vor. Das ist deutsch genug.

Danke, wieder was dazu gelernt.

@Wellentänzer:
Für mich ist "langweilige", "uninteressante" und damit "ungewünschte" Dramaturgie im Sinne von Bobas Post, und so hat ja auch die Gegenseite größtenteils argumentiert, ein Lenken der Spannungskurve und nicht das punktuelle Impulse Geben und dann Schauen, was dabei rauskommt. Dramaturgie ist, dass man einen Spielabend so hindengelt, dass am Ende ein Höhepunkt kommt, damit man einen adäquaten Ersatz für den Blockbuster mit nach Hause nimmt. Dass man Abenteuer so hindengelt, dass am Ende der Bossfight kommt, was bedeutet, dass die SL den Bossgegner im früheren Abenteuerverlauf irgendwie "aktiv" schützen muss. Dass die Chars am Ritualplatz auf keinen Fall vor Beginn des Rituals aufkreuzen dürfen, weil es sonst nicht "dramatisch" wäre.

Du kannst doch nicht von Dramaturgie sprechen, wenn du immer nur punktuelle Spannungselemente raushaust, ohne aber langfristig einen Spannungsbogen zu gestalten. Dramaturgie denkt doch in viel größeren Maßstäben, Exposition, Zuspitzung, Verzögerung, Höhepunkt und wie das alles heißt, das steuerst Du doch noch nicht, wenn Du immer nur einzelne Marken setzt, auch wenn diesen durchaus etwas Dramaturgisches anhaftet (denn Du erhoffst Dir von ihnen ja dramatische Effekte, aber Du erzwingst keinen Spannungsverlauf).

So habe ich Boba und auch Rumpel verstanden, und jedenfalls ist es das, was mich an Dramaturgie stört, langweilt, weil mich diese schematisierten Drehbuchabläufe einfach nicht mehr sonderlich interessieren.
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #559 am: 30.09.2016 | 10:06 »
Das ist eine reine Definitionsfrage. Du verwendest Railroading im Sinne der Forge. Bei weitem häufiger ist aber der allgemeine Sprachgebrauch. Bei DSA sprechen ja immer alle von "Abenteuern voller Railroading". Das wäre Quatsch, wenn wir nach Definition der Forge vorgingen. Zudem ist Dein Beispiel Quark, weil Du da gar nicht den Willen der Spieler thematisierst. Lös Dich einfach von einem Klammern an Begrifflichkeiten und betrachte den größeren Kontext. Sonst drehen wir uns im Kreis.

In dem zweiten Beispiel, zur Sicherheit noch einmal hier verlinkt, würde ich ansonsten als SL viel direktiver, autoritärer, entschiedener und, ja, bis zu einem gewissen Grad auch gegen den Willen der Spieler, agieren. Das finde ich in dem Fall total angemessen im Sinne eines größeren Spielspaßes für alle Beteiligten.

Das mit dem Sprachgebrauch möchte ich anzweifeln. Bloß weil ein paar Leute kontrafaktisch ihre Weichspülerdefinition dauerposten wird da keine Mehrheit draus. Wo die Mehrheit und vor allem aber der Kern des Problems liegt, sollten da wohl eher die Fäden zeigen, wo Leute sich entsprechend über Railroading beschweren.

Und wer sagt, dass deine Spieler das wirklich als größeren Spielspaß sehen, wenn du nicht fragst? Im Zwiefel ist dann doch eh eher die Farge, wie hat das Geheimnis, wenn es so schnell offenbar werden kann, bisher überlebt oder hast du da nicht eher bei der Konstruktion deiner Geschichte einen Bock geschossen, den du nun zu überkleistern versucht?

Ansonsten zum ursprünglichen Aufhänger:
Szenen setzen muss der Spielleiter eh. Und oft hat er mehrere Alternativen zur Auswahl. Entscheidend für das Passen zum Spielstil ist dann die Kriterienreihenfolge für diese Auswahl. Railroading ist das alleien noch nicht.
Kritisch wird es, wenn die szenensetzung als Reaktion auf eine Spielerhandlung erfolgt. Dann solte die entsprechende Folge auch von den Elementen abhängen, nach denen in dem abgesprochenen Spielstil der Spieler seine Entscheidung trifft  - sonst ist es Railroading.

Würfeldrehen ist als Systemelement und der diesem zu Grunde liegenden Wahrscheinlichkeit eine feste Basis der Spielerentscheidung und damit ist Würfeldrehen zur Feststellung des Ergebnisses einer Spielerentscheidung auch entsprechend Railroading - im Übrigen genau betrachtet selbst dann, wenn es zu Gunsten der Spieler geschieht.





« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 10:32 von Maarzan »
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #560 am: 30.09.2016 | 10:14 »
So habe ich Boba und auch Rumpel verstanden, und jedenfalls ist es das, was mich an Dramaturgie stört, langweilt, weil mich diese schematisierten Drehbuchabläufe einfach nicht mehr sonderlich interessieren.

Ah, okay. Aber das ist dann für mich nicht nur dramaturgiegetriebenes Spiel, sondern vor allem schlechte Spielleitung. Klischeebeladene Dialoge und tausendfach bekannte Spannungsbögen. Gähn. Logo. Aber das ist beim freien Spiel ja nicht anders. Miese Zufallstabellen verhageln genauso den Spielspaß. Dann lässt sich das für mich auf die Aussage zurechtstutzen:

Schlechte Spielleiter machen keinen Spaß. Schlechte Dramaturgie ist scheiße. Im besten Fall ist sie langweilig, im schlimmsten Fall sogar in einer nötigenden Weise bevormundend.

Korrekt? Das kann ich unterschreiben. Aber kann das nicht jeder? Und ist das wirklich irgendein Erkenntnisfortschritt? Schlecht gemachtes irgendwas ist halt genau das: schlecht.
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 10:15 von Wellentänzer »

Offline Rhylthar

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #561 am: 30.09.2016 | 10:19 »
Hach ja, ich wusste, es ist irgendwann so weit: Ich gebe 1of3 Recht.  :)

Offensichtlich, wenn man sich die Emotionen hier anschaut, kann Railroading keine Technik sein, sondern nur eine Emotion, die man möglicherweise empfindet. 1of3 nannte es so schön "sich gerailroadet fühlen".

Womit fast jedes (Kauf-)Abenteuer zu einer von Schrödingers Katzen wird:
Man weiss nicht, ob da nun Railroading bei den Spielern entsteht, bevor man es nicht gespielt hat. Und dann kann der Ausgang bei verschiedenen Gruppen sogar noch unterschiedlich sein.

Wellentänzers Definition im Sprachgebrauch war auch meine, womit "Railroading" erstmal nicht negativ war. Aber davon muss man, siehe oben aufgrund der Definitionen, wohl hier abrücken.
“Never allow someone to be your priority while allowing yourself to be their option.” - Mark Twain

"Naja, ich halte eher alle FATE-Befürworter für verkappte Chemtrailer, die aufgrund der Kiesowschen Regierung in den 80er/90er Jahren eine Rollenspielverschwörung an allen Ecken wittern und deswegen versuchen, möglichst viele noch rechtzeitig auf den rechten Weg zu bringen."

Für alle, die Probleme mit meinem Nickname haben, hier eine Kopiervorlage: Rhylthar.

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #562 am: 30.09.2016 | 10:24 »
Ah, okay. Aber das ist dann für mich nicht nur dramaturgiegetriebenes Spiel, sondern vor allem schlechte Spielleitung. Klischeebeladene Dialoge und tausendfach bekannte Spannungsbögen. Gähn. Logo. Aber das ist beim freien Spiel ja nicht anders. Miese Zufallstabellen verhageln genauso den Spielspaß. Dann lässt sich das für mich auf die Aussage zurechtstutzen:

Schlechte Spielleiter machen keinen Spaß. Schlechte Dramaturgie ist scheiße. Im besten Fall ist sie langweilig, im schlimmsten Fall sogar in einer nötigenden Weise bevormundend.

Korrekt? Das kann ich unterschreiben. Aber kann das nicht jeder? Und ist das wirklich irgendein Erkenntnisfortschritt? Schlecht gemachtes irgendwas ist halt genau das: schlecht.

Der Knackpunkt ist, dass Dramaturgie bzw. Geschichtenqualität Gschmackssache ist und daher der Spielleiter außer bei einer gut bekannten und homogenen Gruppe er NICHT davon ausgehen kann, dass was er für gut hält dann auch vom Rest der Gruppe für gut gehalten wird, er aber auf Basis dieser Einschätzung massive Eingriffe tätigt/rechtfertigt.

Wobei man sagen kann, wer bewußt an einem erklärt dramaturgischen Spiel teilnimmt halt dieses Risiko eingeht, genauso wie der neue Film Scheiße sein kann, diese Rechtfertigung und folgend Eingriffe aber leider nicht auf Spielrunden mit diesem erklärten dramaturgischen Fokus beschränkt bleiben. Und genau letzteres ist der Anlass für massig Knatsch an Spieltischen, wo so etwas passiert - üblicherwiese, wenn man sich halt nicht so gut kennt oder jemand unbedingt was tolles Neues ausprobieren will ohne die anderen zu fragen ... weil ist ja neu und toll(es Ziegenfleisch). 
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Wellentänzer

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #563 am: 30.09.2016 | 10:29 »
Ja, Maarzan. Das habe ich nie bestritten. Im Gegenteil. In meinem Primer zu Railroading ist das gleich der erste Punkt. Bitte nimm das zur Kenntnis. Danke.

Offline Issi

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #564 am: 30.09.2016 | 10:38 »
Ja, Maarzan. Das habe ich nie bestritten. Im Gegenteil. In meinem Primer zu Railroading ist das gleich der erste Punkt. Bitte nimm das zur Kenntnis. Danke.
Wenn ich jetzt einen Ball voller Gäste habe, mit unterschiedlichen Intentionen, dann kann ich die doch agieren lassen wie ich will, unter Berücksichtigung der natürlichen Begebenheiten, ohne dass man da railroaden muß.
Der SL benutzt die NSC, und der SPL seinen SC.
Ich meine solange ich niemanden hinein oder hinaus , oder woanders hin beame oder teleportiere (Außer Zauber), dann gehts doch komplett ohne Railroading zu.
Zumindest meiner Auffassung nach.

Ok, es sei denn man dreht die Würfel.
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 10:45 von Issi »

Offline Crimson King

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #565 am: 30.09.2016 | 10:39 »
Du entwertest aber keine Spielerentscheidung nur weil du Würfel drehst

Doch, in dem Fall schon. Weil die Situation, in der der Würfelwurf durchgeführt wurde, nicht mehr zu beliebigen Ergebnissen führt.

Ich war ja nun nicht dabei. Wenn der Wellentänzer sagt, er hat die Runde da hin gerailroadet, dass dieses Treffen genau zu den Vorzeichen statt fand, die er haben wollte, darf man ihm das erst mal glauben. Ich persönlich vermute, dass es ohne gegangen wäre. Ich halte es aber auch nicht für Railroading, wenn die Spielleitung den Spielern vermittelt, welche Handlungen aus ihrer Sicht präferiert sind, um den Plot in geeigneter Weise voran zu treiben, und die Spieler darauf eingehen. Das nennt sich eigentlich eher Trailblazing. Ich habe aber auch nur beschränkt Lust, da Begriffsklauberei zu betreiben. Wenn der Wellentänzer haufenweise Techniken mit unterschiedlicher Auswirkung a la Trailblazing, Roads to Rome, Travelling at the Speed of Plot etc. unter Railroading subsumieren will, darf er das natürlich. Einen Mehrwert sehe ich da aber nicht.

Dass man durch hartes, konfrontatives Railroading gute Ergebnisse erzielt, wie der Wellentänzer suggeriert, dürfte allerdings höchst selten sein, denn selbst, wenn sich durch das harte Einschränken der Handlungsfreiheit und Ergebnisoffenheit eine nach objektiven Kriterien bessere Story ergeben sollte, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Runde aufgrund der nachvollziehbaren Ablehnungshaltung der Spieler vorher in die Brüche geht, extrem hoch.
« Letzte Änderung: 28.12.2016 | 11:46 von Crimson King »
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #566 am: 30.09.2016 | 10:45 »
Ja, Maarzan. Das habe ich nie bestritten. Im Gegenteil. In meinem Primer zu Railroading ist das gleich der erste Punkt. Bitte nimm das zur Kenntnis. Danke.

Das reicht nicht. In einem anderen Spielstil ist Dramaturgie nicht "eine von mehreren Optionen", genauso wie "faire Herausforderung" z.B. in einem erklärt dramatischen Spiel kein gleichwertiges Kriterium ist.
Sie sind jeweils "nice to have", wenn der Rest bereits erfüllt ist. 
Das heißt wenn es zwei Alternativen gibt, soll die dem erklärten Spieltyp passende Lösung Vorrang haben. Sind beide Lösungen in der Hinsicht quasi gleich, dann kann man nach Sekundärtugenden schauen.
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Offline korknadel

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #567 am: 30.09.2016 | 10:46 »
Hach ja, ich wusste, es ist irgendwann so weit: Ich gebe 1of3 Recht.  :)

Offensichtlich, wenn man sich die Emotionen hier anschaut, kann Railroading keine Technik sein, sondern nur eine Emotion, die man möglicherweise empfindet. 1of3 nannte es so schön "sich gerailroadet fühlen".

Womit fast jedes (Kauf-)Abenteuer zu einer von Schrödingers Katzen wird:
Man weiss nicht, ob da nun Railroading bei den Spielern entsteht, bevor man es nicht gespielt hat. Und dann kann der Ausgang bei verschiedenen Gruppen sogar noch unterschiedlich sein.

Wellentänzers Definition im Sprachgebrauch war auch meine, womit "Railroading" erstmal nicht negativ war. Aber davon muss man, siehe oben aufgrund der Definitionen, wohl hier abrücken.

Puh, jein, ich finde schon, dass das nicht nur eine Sache des Gefühls ist. Ich hatte das kürzlich wieder bei einer SL, da haben wir alles Mögliche probiert und veranstaltet, um rätselhafte Ereignisse aufzuklären, um irgendwie auf die Szenen und NSCs zu reagieren, aber es hat alles nicht gefruchtet, wir bekamen die Informationen von der SL immer nur dann, wenn wir sie brauchten, um zur nächsten Szene zu kommen, auf keinen Fall früher, egal, was wir machten. Irgendwann haben wir einhellig beschlossen, einfach wieder nach Hause zu fahren, da hat die SL dann ganz rasch ein neues Ereignis improvisiert, das uns daran gehindert hat. Sprich, wie entkamen dem Abenteuer nicht, wir konnten darin aber auch nichts machen. Unsere Aufgabe wäre es lediglich gewesen, recht stimmungsvoll Konversation mit den NSCs zu betrieben und fleißig das Flair des Settings zu atmen.

Es war wirklich nicht nur gefühlt so, dass unsere Aktionen keinerlei Auswirkungen hatten, sondern es war so. Die SL hat alles getan und manchmal auch recht ordentlich geschwitzt und improvisiert, damit wir ja nicht aus der Geschichte ausbrachen, die sie sich zurecht gelegt hat.

Und das ist etwas anderes als diese kleinen "Railroad"-Elemente, die man als SL benutzt, um Impulse zu setzen, Dinge zuzuspitzen oder -- vor allem -- einen zwingenden Abenteuereinstieg zu schaffen. Da haben die Aktionen der SCs ja trotzdem Konsequenzen und treiben die Handlung voran - und eben vielleicht auch mal in ganz andere, neue Richtungen.
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #568 am: 30.09.2016 | 10:46 »
Das ist eine reine Definitionsfrage.
Exakt. Selbst die weitaus engere Definition ist bereits wild umstritten (was ist jetzt der Spielerwille, wann ist eine Aktion negiert), darum finde ich einfach total absurd die Begriffe noch weiter auszudehnen um möglichst alle Techniken und Aktionen und Extreme mit reinzukriegen. Damit ist immer garantiert, dass ich bei ausnahmlos jeden Thema unterschiedliche und konträre Sichtweisen mitreinnehme, was dann auch immer zu unlösbaren Problemen führt.

Da keiner hier das Definitionsrecht für sich gepachtet hat, kann jeder sowieso nur sagen, was er tut, wie er es tut, was er gut findet oder schlecht findet. Dann ist es aber auch nicht mehr sinnvoll den Begriff zu verteidigen wie du es tust: "Railroading ist voll in Ordnung wenn man es so macht wie ich" weil wir hier zu einer tautologischen Argumentation kommen unter der Prämisse, das keiner selbst bewusst einen "schlechten" Stil wählt.

Ich habs an anderer Stelle ja schon erwähnt, der Begriff - aufgrund seiner unterschiedlichen Sichtweisen - trägt absolut nichts zu den Diskussionen bei. Sinnvoller ist es den Begriff einfach außen vor zu lassen und sich konkrete unbenannte Situationen und Aktionen anzusehen. Darum habe ich ja hervorgehoben, warum dein Beispiel sich aufgrund der Beschreibung die du gegeben hast für mich sich nicht von irgendeinem anderen Stil unterscheiden kann.

Deine Entscheidungen als SL sind immer willkürlich. Wenn etwas geschieht, dass "geschrieben steht" ist es umgekehrt keine Entscheidung.

Ist auf keinen Fall ein Angriff gegen dich oder deine Formulierung (sic!) - sondern gegen die Unsinnigkeit wie solche Themen im Allgemeinen in wirklich jedem Rollenspielforum diskutiert werden.

Zitat von: Crimson King
Doch, in dem Fall schon. Weil die Situation, in der der Würfelwurf durchgeführt wurde, nicht mehr zu beliebigen Ergebnissen führt.
Nein eben nicht zwingend. Nehmen wir einen Münzwurf - da nur zwei Möglichkeiten. Wenn der Spielleiter ein Treffen zwischen Graf und Spielern möchte und dies glaubhaft im Sinne der Welt und Spielregeln argumentierbar ist - dann kann der Spielleiter aus allen glaubhaft rational argumentierbaren Möglichkeiten willkürlich eine wählen. Denn genau das tut er immer wenn er eine Entscheidung trifft. Es kommt daher nie zu beliebigen Ergebnissen, selbst eine Zufallstabelle auf der gewürfelt wird ist in ihrem Aufbau und dem Thema das sie beinhaltet gebiased.

Wenn aber der Münzwurf war: Kopf - das Treffen findet statt, Zahl - das Treffen findet nicht statt, und eine Spielerentscheidung diesen Münzwurf ausgelöst hat dann und nur dann kann eine Spielerentscheidung negiert worden sein. Wenn der Spielleiter den Münzwurf aufgrund seiner Entscheidung auslöst, dann ist es vielleicht seltsamer Stil (er hätte sich den Münzwurf sparen können) aber es wurde keine Spielerentscheidung negiert - die wurde ja nicht einmal getroffen.
Zitat von: Crimson King
Ich war ja nun nicht dabei
Ich eben auch nicht, darum hab ich ja bewusst gesagt - wie das präsentiert wurde kann ich nicht beurteilen, es schließt ja nicht aus, dass er trotzdem Entscheidungen negiert hat. Nur wurde keine genannt bei der das der Fall war.

Wenn es 3 Ausgangsmöglichkeiten gibt und der Spieler eine Wahl trifft die zwischen A und (B oder C) trifft dann hat der Spielleiter freie Wahl zwischen B oder C und die meisten Situationen sind eben genau solche. Wenn der Spieler sich für (B oder C) entscheidet und der Spielleiter A eintreten lässt, dann wurde die Entscheidung gewählt. Wenn der Spieler sich für (B oder C) entscheidet - und so sind die meisten Entscheidungen, weil immer eine Mehrzahl möglicher eintretender Ereignisse vorhanden ist - dann hat der Spielleiter freie Wahl welche Option er wählt, bis der Spieler durch eine weitere Aktion den Pool weiter einschränkt und dann wiederholt sich das Spiel auf dem Set der nun möglichen Optionen.
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 10:56 von Wandler »

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #569 am: 30.09.2016 | 10:47 »
Es war wirklich nicht nur gefühlt so, dass unsere Aktionen keinerlei Auswirkungen hatten, sondern es war so.

Natürlich ist es nicht nur ein Gefühl. Es ist ein wohlbegründetes Gefühl. Es muss eine weitgehende bis komplette Beschränkung von Handlungsoptionen oder des Ergebnisraumes eines Konflikts vorliegen, die darüber hinaus auch als Gängelung empfunden wird.
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 10:51 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #570 am: 30.09.2016 | 10:51 »
...
Wobei man sagen kann, wer bewußt an einem erklärt dramaturgischen Spiel teilnimmt halt dieses Risiko eingeht, genauso wie der neue Film Scheiße sein kann, diese Rechtfertigung und folgend Eingriffe aber leider nicht auf Spielrunden mit diesem erklärten dramaturgischen Fokus beschränkt bleiben. Und genau letzteres ist der Anlass für massig Knatsch an Spieltischen, wo so etwas passiert - üblicherwiese, wenn man sich halt nicht so gut kennt oder jemand unbedingt was tolles Neues ausprobieren will ohne die anderen zu fragen ... weil ist ja neu und toll(es Ziegenfleisch).

SL probieren immer.... naja "sehr oft" was tolles Neues aus und auch meistens ohne die anderen zu fragen. Das ist der Standard. = Ziegenfleisch.
Das ist meist so. Schon Abenteuerauswahl ..... hm selbst bei passionierten Dungeoncrawlern wird doch versucht, das nächste Labyrinth irgendwie anders und eigenständig geraten zu lassen.... was für "kleine Elemente" gilt, gilt auch für "große Elemente".
Nur ist da oft naturgemäß die Wahrscheinlichkeit größer, richtig am Geschmack der Spieler vorbeizufahren.
Je extremer und größer "das Neue" ist und damit das damit verbundene Risiko, desto eher sollte man nachfragen. Das ist der Sonderfall. = Auch Ziegenfleisch, aber Allergiker vermutet.

Risikowahrnehmung, Selbstkritik und Empathie sind da die Zauberworte oder anders: "Treib ich es uU zu weit? Sollte ich mich hier durch nachfragen absichern?"

Brisant und besonders gefährlich wird es da, wo man jemanden ein Stilelement (oder gleich kompletten Stil) vorsetzt, gegen den sich ein wesentlicher Anteil der Spieler* ausgesprochen hat. Das ist der besondere Sonderfall = Ziegenfleisch unterschieben.

Die Grenzen sind fließend und in manchen Bereichen täuscht man sich, was seinen Spielern egal ist oder eben nicht.
In den Extremfällen kann man sich sicher sein, dass das die Spieler nicht stört (Kleinigkeiten wie vielleicht ein neues nicht besonders bombastisches Monster oder zur Abwechslung mal etwas mehr Rätsel (aber nicht massiv) oder eine Kleinkampagne statt einzelner Abenteuer) bzw dass das Risiko starken Unmuts sehr groß ist ("KEIN DETEKTIVABENTEUER BEIM NÄCHSTEN MAL, AUF GAR KEINEN FALL BITTE!" 1 Woche später wird geleitet "die 10 Fälle des Sherlock Holmes")

Aber "Neu und toll" = schlecht, wäre Blödsinn in dieser Vereinfachung. (Ich möchte aber nicht unterstellen, dass du genau das gemeint hast, ist eher eine vage Vermutung)
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #571 am: 30.09.2016 | 10:58 »
Ob es Railroading ist oder nicht könnte anhand der Elemente und Motivationen, die in die Spielleiterentscheidung einfließen, faktisch bestimmt werden. Da der aber dort ggf Dreck am Stecken hat, vielleicht aber auch durchaus berechtigte Settingdetails als Spielleitergeheimnisse Ursache sein könnten, wird er nur äußerst selten dazu offen Stellung beziehen, vor allem mitten im Spiel.
Also läuft es in der Praxis auf den scheibchenweise Verlust des Spielervertrauens in die Redlichkeit des Spielleiters hinaus und am Ende dieses Prozesses steht dann das Gefühl gerailroadet worden zu sein und der entsprechende Vorwurf.
Der kann falsch oder richtig sein, aber das ist unabhängig davon, ob Railroading faktisch vorliegen kann oder nicht.

@Pineapple jaw
Nein, "neu" ist sicher nicht mit "schlecht" gleich zu setzen. Aber gerade wenn da etwas deutlich "neuer" = "anders" ist, sollte man auch vorher drüber sprechen = fragen. Besonders, wenn es nicht nur um Details des Bekannten, sondern um Spielstiländerungen geht.


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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #572 am: 30.09.2016 | 10:58 »
Natürlich ist es nicht nur ein Gefühl. Es ist ein wohlbegründetes Gefühl. Es muss eine weitgehende bis komplette Beschränkung von Handlungsoptionen oder des Ergebnisraumes eines Konflikts vorliegen, die darüber hinaus auch als Gängelung empfunden wird.

Schön gesagt,
denn manchmal gehen manche Spieler ja gerne an der Leine.
Und manchmal schnüffeln sie gerne herum und wenn sie nicht weiter wissen, schauen sie den SL fragend an!
Dann klappt es und die "Gängelung" wird als solche nicht wahrgenommen oder ist unerheblich oder ist schlichtweg nicht existent.

Wenn aber dauernd am Würgehalsband des "Da geht's lang" gezerrt wird, fängt irgendwann selbst der devoteste Spieler an zu schnappen.

(Man mag mir die zynische (wortwörtlich) Wortspielerei verzeihen. Wir sind alle keine Hunde, aber das trifft es ganz gut auf den Punkt.
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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #573 am: 30.09.2016 | 11:13 »
Doch, in dem Fall schon. Weil die Situation, in der der Würfelwurf durchgeführt wurde, nicht mehr zu beliebigen Ergebnissen führt.

Ich war ja nun nicht dabei. Wenn der Wellentänzer sagt, er hat die Runde da hin gerailroadet, dass dieses Treffen genau zu den Vorzeichen statt fand, die er haben wollte, darf man ihm das erst mal glauben. Ich persönlich vermute, dass es ohne gegangen wäre. Ich halte es aber auch nicht für Railroading, wenn die Spielleitung den Spielern vermittelt, welche Handlungen aus ihrer Sicht präferiert sind, um den Plot in geeigneter Weise voran zu treiben, und die Spieler darauf eingehen. Das nennt sich eigentlich eher Trailblazing. Ich habe aber auch nur beschränkt Lust, da Begriffsklauberei zu betreiben. Wenn der Wellentänzer haufenweise Techniken mit unterschiedlicher Auswirkung a la Trailblazing, Roads to Rome, Travelling at the Speed of Plot etc. unter Railroading subsumieren will, darf er das natürlich. Einen Mehrwert sehe ich da aber nicht.

Dass man durch hartes, konfrontatives Railroading gute Ergebnisse erzielt, wie der Wellentänzer suggeriert, dürfte allerdings höchst selten sein, denn selbst, wenn die Story, die sich durch das harte Einschränken der Handlungsfreiheit und Ergebnisoffenheit eine nach objektiven Kriterien bessere Story ergeben sollte, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Runde aufgrund der nachvollziehbaren Ablehnungshaltung der Spieler vorher in die Brüche geht, extrem hoch.

Wir sind uns da vermutlich komplett einig. Hartes, konfrontatives Railroading ist keine gute Idee, birgt enorme Risiken und vermutlich hat der SL im Vorfeld dann schon einige Fehler gemacht. Darauf würde ich nur in absoluten Ausnahmefällen zurückgreifen und dabei dann mit entsprechender Demut auf Verständnis und Nachsicht der Spieler hoffen. Kann mich auch nicht erinnern, mal zu derlei Mitteln gegriffen zu haben. Bevor die Kampagne aber den Bach runtergeht: klar. Ansonsten sehe ich bei unseren Perspektive wie gesagt kaum Divergenzen.

Wo ich große Divergenzen sehe, ist bei der Nützlichkeit eines gewaltigen Haufens an "Fachbegriffen" der Forge, die die im Kern gleiche Skala bzw. gleiche Skalen erheben. Die Forge geht bei ihren Definitionen aus meiner Sicht nämlich unbekümmert phänomenologisch und bemerkenswert unsystematisch vor. Da sind halt keine auch nur ansatzweise geschulten Verhaltenswissenschaftler dabei. Wenn die sich über ne Temperaturskala unterhalten hätten, wäre Folgendes dabei herausgekommen:

Zitat
Es gibt so ne Kälte, da gefriert Eis. Das nennen wir "Freeze". Dann gibt was noch Kälteres, wo Alkohol gefriert. Lasst uns das lustiger Weise "Sneeze" nennen. Bei hohen Temperaturen wirds heiß. Das nennt sich fortan bei uns "Ouch". Zwischendrin isses ein bisschen langweilig, aber da hat mal einer was Cleveres zu geschrieben. Das nennen wir "The Crimson King Principle". Und damit das alles mal zusammen irgendwo steht, verfassen wir einen Text dazu mit dem total lustigen Titel "The Paradox in which your body feels everything and nothing at the same time".

Dass da eigentlich ne Messung dahintersteckt, also eine homomorphe Abbildung (zu deutsch: strukturerhaltende Verbindung) eines empirischen Sachverhaltes in eine Zahl, ist denen nach meinem Eindruck überhaupt nicht klar.

Ich sehe da schlicht drei Dimensionen:

1. Ausmaß der Handlungseinschränkung der Spieler durch den Spielleiter
2. Ausmaß der Bereitschaft der Spieler, sich den Handlungseinschränkungen des Spielleiter zu unterwerfen
3. Ausmaß der Offenheit, in welcher der Spielleiter seine Strategien kommuniziert.

Das könnte man sauber definieren, hinterlegen und sich darauf beziehen. Aber nein. Seufz. Ich sehe auch keinerlei Chance, das irgendwann mal aufzubrechen. Die Forge hat das ganze Gebiet leider vollkommen verbockt, ist gleichzeitig aber so tief in das Verständnis vieler Leute eingesickert, dass sich das kaum wird lösen lassen. Major fail.
« Letzte Änderung: 30.09.2016 | 11:50 von Wellentänzer »

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Re: [Rant?] Dramaturgie is mega overrated!
« Antwort #574 am: 30.09.2016 | 11:22 »
Ich nehme einen Begriff, übersetze ihn mit meinem 3er-Englisch wortwörtlich, gehe in mich und schaue, ob sich da ne bildliche Darstellung für mich aufdrängt und anschließend subsumiere ich unter den Begriff das, was ich ich für sinnig halte.

Anschließend kommt jemand mit leicht anderer Definition und das nehme ich dann mit auf.

Nicht jeder macht das so, muss auch keiner.

Aber gerade mit dieser Methode kann ich mir "Railroading" und "Sandboxing" besser vorstellen und besser erklären,
als wenn ich  da klinisch engste Definitionen verwenden müsste und dann für Zig Varianten als Folge Begriffe plötzlich fehlten....
Am Beispiel des "Sandkastens" und der "Eisenbahn(fahrt)" kann ich verdammt viele Spielstile erklären.

FÜR MICH hat das dann Mehrwert, bzw "mehr Wert", als wenn ich mich da zu engen Definitionen unterwörfe!
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