@ Kinshasa
Schönes Thema, ich wollte nämlich schon im DSA Thread widersprechen, hier passt es aber deutlich besser.
Erstmal zum Begriff des (Player) Empowerment und wie wir ihn für das Rollenspiel verwenden.
Ich sehe es da so wie Dom. PE ist nicht gleich PE, es ist also mal wieder nicht eindimensional zu vergleichen. Will man PE mit PE vergleichen muss man erst einmal eine Dimension finden und benennen. Dann kann man sowas wie eine Ordinalskala des PE in dieser einen Dimension aufmachen. Man kann also sagen, da ist mehr oder weniger PE als da (in dieser einen Dimension).
PE im Allgemeinen gibt also eine Entwicklung in Richtung Selbstbestimmung an. Da finde ich die Definition die hier für Empowerment gegeben ist richtig und sinnvoll, ich nehme auch an dass dies die Grundlage für den Begriff des PE war.
Nun zu dem Punkt, beide Extreme haben Vor- und Nachteile. Das sehe ich etwas anders, und zwar auf grundsätzlicher Ebene und nicht nur auf das Rollenspiel bezogen.
Ich gehe davon aus das maximale Selbstbestimmtheit auf höchster Ebene das beste ist. Dies ist aber nur ein theoretischer Zustand. Wie schon gesagt kann es sinnvoll sein sich irgendwo einzuschränken oder einschränken zu lassen. Der Punkt ist, dass auch Einschränkung ein Akt der Selbstbestimmung sein kann oder nicht. Maximale Selbstbestimmung heißt in diesem Sinne nicht maximale Freiheit in jeder denkbaren Entscheidung, sondern Freiheit der Wahl wann ich mich welcher Einschränkung unterwerfe.
Ok, werden wir nicht zu philosophisch: Es kommt bei der Beurteilung von PE wie schon ganz richtig gesagt darauf an welchen Zweck das ganze im Einzelfall hat, über welche Dimension des PE wir also sprechen.
Betrachten wir z.B. die Verteilung von Einfluss und Verantwortung innerhalb einer Spielgruppe. In dieser Dimension ist maximales PE gefragt. Jeder Spieler muss bereit sein Verantwortung zu tragen und muss daher die Gelegenheit haben grundsätzlich gleich
wertigen (nicht gleichen!) Einfluss zu nehmen. Alles andere führt zu massiven Problemen, z.B. SL-Dominanz (durch zu hohe Einflussnahme) oder SL-Burnout (durch zu hohe Verantwortung) und entsprechende Probleme bei den Spielern.
Immer wenn der Eindruck entsteht das maximales PE hier oder woanders als Grundvoraussetzung angesehen und zwingend gefordert wird, betrifft das erst einmal nur diese spezielle Dimension von Einfluss und Verantwortung.
Bei PE geht es normalerweise nie darum tatsächliche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten innerhalb des Spiels absolut symmetrisch für alle Spieler zu halten. Wer das denkt hat PE völlig falsch verstanden. Dass mit einem solchen System nicht alles sinnvoll spielbar ist was Spaß macht dürfte klar sein.
Die Dimension die ich oben genannt habe , die Dimension von Einfluss und Verantwortung wird normalerweise durch den Gruppenvertrag geregelt und in seiner speziellen Ausformung durch das explizite System, also durch Regeln. Halten sich alle Spieler daran ist auf dieser Ebene normalerweise alles in Ordnung. Wird nun aber ein Spieler z.B. als SL durch die goldene Regel ermächtigt selbst diese Grundlage des Spiels anzutasten, ist jegliche Vereinbarung verloren, die Selbstbestimmung der Spieler ist nicht mehr gegeben, zumindest kann das ignoriert werden was die Spieler für sich selbst bestimmt haben und zwar durch einen einzelnen.
Jetzt kann man natürlich sagen: Aber wenn die goldene Regel zum Gruppenvertrag gehört ist doch wieder alles in Ordnung, die Spieler haben das ja selbst so gewollt. Die Frage ist erstens ob das tatsächlich so ist, ob den Spielern dieser Umstand überhaupt bewusst ist, und zweitens ob dies wirklich sinnvoll ist, ob also die Spieler nicht das was sie erreichen wollen, auch ohne diese Einschränkung erreichen könnten.
Ich beantworte diese Fragen natürlich so: Die goldene Regel in ihrer ganzen Allgemeinheit ist meist von der Spielgruppe weder verstanden noch gewollt und akzeptiert. Darüber hinaus ist sie auch nicht nötig. Sie ist bestenfalls eine Bequemlichkeit die akzeptiert wird, weil grade nichts besseres in Sicht ist, schlimmstenfalls ein als notwendig erachtetes Übel, ganz so wie bei einer Diktatur in der realen Welt.
Deshalb muss ich auch hier widersprechen:
Bei zunehmendem Player Empowerment werden große Metaplots nun mal schwieriger realisierbar. Das ist ein Faktum, das kaum bestritten wird[...]
Ich bestreite das ganz energisch. Diese Feststellung gilt höchstens dann wenn man PE als symmetrische Aufteilung der Aufgaben ansieht, was aber ein (teilweise absichtliches?) Missverständnis ist. Aber auch dann ist die Aussage vermutlich nicht richtig, was aber von der Definition von (Meta)Plot abhängt.
Natürlich könnte man sagen ein Spieler sei auch freier und selbstbestimmter wenn sein Einfluss auf Plot und Metaplot (was immer das auch sein mag) größer ist. Für diese eine Dimension mag das auch stimmen, aber nur wenige behaupten dies sei die entscheidende Dimension.
Welche Dimension entscheidend ist und damit "empowered" werden muss hängt völlig davon ab, was die Spieler als ihr Mittel des Einflusses im Spiel sehen, warum sie also Spielen, was ihr persönliches Spielziel ist.
Sehen sich die Spieler per Definition des Plots dafür ohnehin nicht zuständig, ist auch ein PE in diesem Bereich völlig sinnlos und sogar eventuell kontraproduktiv.
Interessanterweise wäre ein Ausweiten der Kompetenzen der Spieler auf einen Bereich der per Gruppenvertrag nicht zu ihrem Einflussgebiet zählt sogar Railroading im Sinne der allgemeinen Definition (man denke an einen Spieler der versucht den Plot um seinen Drama Queen SC aufzubauen, gegen den Willen der Gruppe und des SL).
PE kann also nur auf Ebene des Gruppenvertrages stattfinden. Dort muss man wie immer beginnen und muss alles beachten was hier entschieden wurde. Man darf nicht gleich auf die Ebene der Aufgaben und Rollen im Spiel springen.