Autor Thema: Retro-Overkill  (Gelesen 18571 mal)

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Kinshasa Beatboy

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Retro-Overkill
« am: 12.10.2008 | 12:42 »
Woher kommt eigentlich die seit ein paar Monaten zunehmend hippe Leidenschaft der Leute für all das Retro-P&P? Überall lese ich von Oldschool, Back to the Roots, Wargaming Hype und Retrotrends im P&P-Rollenspiel und suche nach Gründen für diese offenkundige Modewelle. Insbesondere ist für mich erstaunlich, dass Systeme wie DSA1, AD&D2, T&T sowie deren moderne oder antike Epigonen derart (laut-)starken Zuspruch erfahren.

Zudem steht mit D&D4 aus meiner Sicht doch eigentlich ein System bereit, welches das Retro-Zeugs hervorragend unterstützt, jedoch im Zuge des Hypes von besagten (tatsächlichen, selbsternannten und/oder vermeintlichen) Meinungsführern rundherum niedergemacht wird. Hat jemand konstruktive Antworten? Mir bleibt das weitgehend unklar.

Vielleicht dazu noch zwei Eindrücke:

1. Die Mode beschränkt sich auf forenaktive P&Pler. Außerhalb der kleinen Rollenspielforenwelt habe ich ähnliche Phänomene noch nicht beobachtet.

2. Die Lust am Polarisieren scheint mir in Foren generell und in Rollenspielforen speziell ebenso stark ausgeprägt zu sein wie das Bedürfnis nach Abgrenzung von der "Masse". Und da mag sich momentan halt mehr oder minder zufällig das Retrothema anbieten.

Weitere Erklärungen, Kommentare und Meinungen?

EDIT: Eine erste Zusammenfassung der entscheidenden Beiträge gibts hier.
« Letzte Änderung: 12.10.2008 | 18:13 von Kinshasa Beatboy »

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #1 am: 12.10.2008 | 12:49 »
Ich grenze mich hiermit ganz deutlich von den Retro-Spielern ab!

Nicht umsonst hat sich Rollenspiel weiterentwickelt! *polarisier* ~;D

Vielleicht ist es eine Reaktion auf diese ganzen Konfliktzentrierten Spiele, die hier gehyped werden?

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #2 am: 12.10.2008 | 12:54 »
Eventuell ist es das gleiche Phänomen, wie der hochgebildete Bildzeitungsleser oder der Spaß daran, zusammen und leicht angetrunken schlechte Filme anzuschauen - wir können mit einem hochironischen Augenzwinkern darauf verweisen, dass wir das natürlich alles nicht ernst nehmen, und insgeheim doch einen Riesenspaß daran haben. Und DSA1 ist dann eben schon wieder so jenseits aller Debatte, dass auch niemand das Augenzwinkern übersehen kann.
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Offline Falcon

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #3 am: 12.10.2008 | 13:01 »
vielleicht haben vermehrt Rollenspieler gemerkt, das rules-heavy-systems nichts taugen?
das scheint mir im DSA verseuchten Deutschland dann umso gewichtiger zu sein.

ich grenze mich ganz klar von den antiken Systemen ab aber wie dieses Retro Feeling mit modernen Mechanismen umgesetzt wird, finde ich großartig.

gestern war noch ein Kollege im Fantasyshop um die Ecke. Da meinten sie z.b. das SavageWorlds an deren Theke weggeht wie warme Semmel. Das freut mich :)
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Re: Retro-Overkill
« Antwort #4 am: 12.10.2008 | 13:08 »
Woher kommt eigentlich die seit ein paar Monaten zunehmend hippe Leidenschaft der Leute für all das Retro-P&P? Überall lese ich von Oldschool, Back to the Roots, Wargaming Hype und Retrotrends im P&P-Rollenspiel und suche nach Gründen für diese offenkundige Modewelle. Insbesondere ist für mich erstaunlich, dass Systeme wie DSA1, AD&D2, T&T sowie deren moderne oder antike Epigonen derart (laut-)starken Zuspruch erfahren.
Das Phänomen geht von den Staaten aus, wo im Zuge der 3.x-SRD alte D&D-Editionen durch ihre Klone Osric und Labyrinth Lord wieder kostenlos zugänglich gemacht und viel wieder/erstmals als gute Spiele entdeckt wurden, und wo Castles&Crusades zum kommerziellen Erfolg geworden ist.

Hier in Deutschland haben wir bei weitem noch keinen "Oldschool-Overkill" - hier fällt nur sehr, sehr langsam der Schatten der Oldschoolwelle in Übersee auf uns, und das Internet ist wieder mal Vorreiter.
Und die Oldschoolwelle tröpfelt auch langsam nach unten an die Spieltische - namentlich Traveller-Übersetzung, Labyrinth-Lords-Übersetzung, und eingeschränkt die Übersetzungen von DCC und Savage Worlds.

Zudem steht mit D&D4 aus meiner Sicht doch eigentlich ein System bereit, welches das Retro-Zeugs hervorragend unterstützt, jedoch im Zuge des Hypes von besagten (tatsächlichen, selbsternannten und/oder vermeintlichen) Meinungsführern rundherum niedergemacht wird.
Ich warte noch auf den Beweis, dass 4E für Oldschoolspiel im Sinne von Matt Finchs Primer taugt. Alleine schon "Heroic, not Superhero" ist da kaum gegeben, wenn Kobolde und Goblins Wisch-und-weg-Minions anstatt einer ernsten Gefahr für Fighting Men der ersten Stufe sind.
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Re: Retro-Overkill
« Antwort #5 am: 12.10.2008 | 13:22 »
1. Die Mode beschränkt sich auf forenaktive P&Pler. Außerhalb der kleinen Rollenspielforenwelt habe ich ähnliche Phänomene noch nicht beobachtet.

Ich schon. Und so neu ist das Phänomen auch nicht. Ich kann mich erinnern, dass der Vorschlag, die alten DSA1-Abenteur zu leiten, in unserer Runde schon vor ca. 4-5 Jahren kam, und zwar von einem Spieler, der sich nicht in Rollenspiel-Foren rumtreibt.




Kinshasa Beatboy

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #6 am: 12.10.2008 | 13:31 »
Ah, spannende Antwort, danke Skyrock! Teile die Wahrnehmung aber nicht vollständig. Ein paar Kommentare:

Das Phänomen geht von den Staaten aus, wo im Zuge der 3.x-SRD alte D&D-Editionen durch ihre Klone Osric und Labyrinth Lord wieder kostenlos zugänglich gemacht und viel wieder/erstmals als gute Spiele entdeckt wurden, und wo Castles&Crusades zum kommerziellen Erfolg geworden ist.

Also ob das Gros der deutschen Spieler, von deren Retrobegeisterung ich in den Foren lese, tatsächlich durch diesen Vorgang direkt oder indirekt beeinflusst wurde, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Aber möglich isses, klar. Halte den Einfluß der amerikanischen Community aber gemeinhin für überschätzt.

Hier in Deutschland haben wir bei weitem noch keinen "Oldschool-Overkill" - hier fällt nur sehr, sehr langsam der Schatten der Oldschoolwelle in Übersee auf uns, und das Internet ist wieder mal Vorreiter.

Hm, also ich empfinde das Herumreiten auf dem Oldschoolthema bereits jetzt als nervtötend. Falls das noch stärker zunehmen sollte, muss ich schleunigst bessere Filtermachanismen entwickeln  ~;D

Ich warte noch auf den Beweis, dass 4E für Oldschoolspiel im Sinne von Matt Finchs Primer taugt. Alleine schon "Heroic, not Superhero" ist da kaum gegeben, wenn Kobolde und Goblins Wisch-und-weg-Minions anstatt einer ernsten Gefahr für Fighting Men der ersten Stufe sind.

Diesen Beweis wird Dir kaum jemand liefern können, denn wenn das unter Oldschool gemeinhin verstanden wird, ist D&D4 natürlich kein Oldschool-Rollenspiel. Auch der Punkt "Game Balance is a Minor Factor" trifft selbstredend nicht zu. Ohne gerade die Muße zu haben, mit einer besseren Oldschooldefinition um die Ecke zu kommen, deckt sich dieser Finch Primer aber auch nicht mit meiner Vorstellung von einer Oldschoolrunde. Das von Dir oben genannte Savage Worlds beispielsweise wäre aber dann ebenfalls kein Oldschool, denn dort halte ich (nur als Beispiel) das Balancing zwar für recht ausgefuchst, aber irgendwie Oldschool finde ich das trotz Ermangelung einer greifbaren Definition dennoch.
« Letzte Änderung: 12.10.2008 | 13:34 von Kinshasa Beatboy »

Offline Skyrock

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #7 am: 12.10.2008 | 13:44 »
Also ob das Gros der deutschen Spieler, von deren Retrobegeisterung ich in den Foren lese, tatsächlich durch diesen Vorgang direkt oder indirekt beeinflusst wurde, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Aber möglich isses, klar. Halte den Einfluß der amerikanischen Community aber gemeinhin für überschätzt.
Direkt ist es auch nicht der Kern der Oldschoolwelle, aber deren Initialzündung. Angestoßen dadurch hat es heute oldschoollastige Foren und Webseiten wie Knights&Knaves, Dragonsfoot und theRPGsite, neue Abenteuer für die alten Systeme, neue Zines dazu (wie Fight on!), Diskussionen und Spielberichte von entstaubten Klassikern wie T&T und Classic Trav, neue Spiele im Oldschooldesign wie Basic Fantasy unf FtA!...

Das von Dir oben genannte Savage Worlds beispielsweise wäre aber dann ebenfalls kein Oldschool, denn dort halte ich (nur als Beispiel) das Balancing zwar für recht ausgefuchst, aber irgendwie Oldschool finde ich das trotz Ermangelung einer greifbaren Definition dennoch.
Darum rechne ich SW auch nur eingeschränkt zu Oldschoolwelle, und vor allem auf hierzulande bezogen wo viele durch SW erstmals solche Oldschooldinge wie Bodenpläne oder die "Live to fight another day"-Taktik kennenlernen.
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Kinshasa Beatboy

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #8 am: 12.10.2008 | 13:58 »
Direkt ist es auch nicht der Kern der Oldschoolwelle, aber deren Initialzündung. Angestoßen dadurch hat es heute oldschoollastige Foren und Webseiten wie Knights&Knaves, Dragonsfoot und theRPGsite, neue Abenteuer für die alten Systeme, neue Zines dazu (wie Fight on!), Diskussionen und Spielberichte von entstaubten Klassikern wie T&T und Classic Trav, neue Spiele im Oldschooldesign wie Basic Fantasy unf FtA!...

Sehe dem mit Grausen entgegen. Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen  ;D

Darum rechne ich SW auch nur eingeschränkt zu Oldschoolwelle, und vor allem auf hierzulande bezogen wo viele durch SW erstmals solche Oldschooldinge wie Bodenpläne oder die "Live to fight another day"-Taktik kennenlernen.

Hm, Bodenpläne und "Live to fight another day" als Merkmal von Oldschool? Auch das passt für mein Gefühl irgendwie nicht. Vielleicht sollte ich doch beizeiten mal einen etwas konkreteren Anlauf versuchen, um den Begriff besser zu umreissen. Auf die Schnelle zeichnet sich Oldschool für mein Gefühl aus durch:

- starke Betonung der Charakter-/Stufenentwicklung
- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
- wenige, eher rudimentäre Regeln
- keine Hemmungen beim Rückgriff auf klassische Muster und Stereotypen
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
- sehr viel Raum für Kämpfe und Belohnungen (Gold, EP, Items)


EDIT:
Vielleicht ist das alles auch wie mit der gerade aktuellen 80Ts-Mode. Augen zu, Schnauze halten und warten, bis der Horror vorbei ist  ;D

Aber im Ernst: wenn man die obigen Punkte verbindet mit einem gelungenen Balancing und zwar global simplen, im Detail jedoch recht trickreich kombinierbaren Regeln, landet man ziemlich schnell bei D&D4. Wenn aber diese Punkte von Finch die gemeinhin geteilte Definition von Oldschool darstellen, erklären sich mir die wahrgenommenen Unterscheidungen ganz gut. Also herzlichen Dank für den Hinweis!
« Letzte Änderung: 12.10.2008 | 14:03 von Kinshasa Beatboy »

Offline Falcon

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #9 am: 12.10.2008 | 14:02 »
ich würde zumindest sagen die ersten beiden Punkte haben gar nichts mit OldSchool zu tun. sind eher ein Produkt der darauffolgenden RHS Systeme, die versuchten eben solche konsistenten Spielwelten zu erzeugen, dabei aber mehr Fehler einbauten als sie lösten.

Der Anspruch (den es vorher in OldSchool wohl gar nicht gab, schliesslich waren die Welten Konsistent) erwuchs also aus der eigenen Unfähigkeit diese mit aufwändigen Regeln darzustellen, was noch mehr Regulierungen zur Folge hatte. Das wurde dann der Teufelskreis. Man kann den Teufel halt nicht mit dem Belzebub austreiben ;)
« Letzte Änderung: 12.10.2008 | 14:04 von Falcon »
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Offline Der Nârr

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #10 am: 12.10.2008 | 14:05 »
Und ich dachte, die Retro-Wellen entstehen einfach dann, wenn die Jugend alt genug geworden ist, sich in nostalgischer Verklärung an die alten Zeiten zu erinnern.

Spielt aktuell Deadlands reloaded
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Offline Falcon

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #11 am: 12.10.2008 | 14:07 »
ich glaube früher war wirklich vieles schlechter. Aber nun hat man die Möglichkeit mit all den tollen neuen Regelmitteln (neu im Sinne von, "gabs eigentlich schon vor 15+ Jahren") die Sache neu aufzuziehen und in eine andere Richtung zu lenken.
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Re: Retro-Overkill
« Antwort #12 am: 12.10.2008 | 14:09 »
Ich sehe das Verständnis von Old-School in DE auch eher entlang von Kinshasa, weniger von Finch, da DE mM nicht dieselben Grundvoraussetzungen hatte. ZB gab es in DE mW nicht Wargaming in der Ausprägung, wie es in den USA vorkam.

Offline Wawoozle

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #13 am: 12.10.2008 | 14:11 »
Ach was... Retro ist einfach schön, das ist alles .
Man kann sich dabei auch mal hemmungslos über ein System lustig machen und trotzdem Spaß damit haben.
Ich würde keine Kampagnen damit spielen wollen (mit Ausnahme von Traveller) aber ein One-Shot auf dem Treffen, warum denn nicht ?
« Letzte Änderung: 12.10.2008 | 14:13 von Wawoozle »
Ihr wollt doch alle den Nachtisch zuerst !

Offline Greifenklaue

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #14 am: 12.10.2008 | 14:39 »
Zitat
- starke Betonung der Charakter-/Stufenentwicklung
- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
- wenige, eher rudimentäre Regeln
- keine Hemmungen beim Rückgriff auf klassische Muster und Stereotypen
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
- sehr viel Raum für Kämpfe und Belohnungen (Gold, EP, Items)

Hmm, einige Beobachtung teile ich durchaus, aber...

- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
Nein! Nur weil die Spielwelt rudimentär beschrieben ist, ist sie keineswegs inkonsistent. Welten wie Wilderlands of high fantasy, PoL (angelehnt an die Borderlands) oder Aereth (DCC) versprühen auf einer Seite dutzende coole Abenteueridden, Viorkommnisse und Begegnungen, da machen andere ein 400-seitiges Quellenbuch draus. Ach was, zwei!

Da die Welt aber nur rudimentär beschrieben ist, überlässt man es häufig zum Teil dem SL, diese auch konsistent zu beschreiben.
Nicht jedes Dorf von Erdbeerpflückern ist da beschrieben. Trotzdem gibtes sie unzweifelhaft.

Zitat
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
Ich glaube, hier kommt es tatsächlich auf den Spielgeschmach an. Tatsächlich ist der SL womöglich gezwungen, öfter eine Regellücke zu schließen. Manche machen das in völligen Einklang mit Spielern und System, andere schaffen es hier durch willkürlich empfundene Entscheidungen die Spieler gegen sich aufzubegehren. Ich hab beides schon erlebt.

@DnD 4te: Zum Thema DnD 4 möcht ich Dir den Blogbeitrag von Lord Verminard empfehlen.
-> http://blog.wildelande.de/index.php?/archives/150-Was-haben-eigentlich-alle-ploetzlich-mit-DD4.html

Darin findest Du neben anderen interessanten Beobachtungen: "Mein persönlicher Eindruck war ja, dass das Spiel sehr „meta“ ist, mit Healing Surges, Daily Powers, Buffs und Debuffs.". Das ist einfach gesagt ein sehr modernes RP-Element, welches dem Retrospieler nicht unbedingt liegt.

@Trend: Hier empfehle ich einen Beitrag der Seitenkiste:
http://glgnfz.blogspot.com/2008/10/old-school-hype-in-deutschland.html

Im Prinzip ist es schon ganz richtig. Es gibt keinen wirklichen Retrotrend. Die Welle schwappt ausAmerika hierrüber. Einige Leute nehmen sie dankbar auf. Glgnfz (der Bergkönig) ebenso wie ich (andere wie Skyrock, Settimbrini etc. sind schon lange dabei) - aber nur weil nun ein paar mehr Infos auf Deutsch verfügbar sind, heißt ja noch nicht, dass es hier nun trendy oder Mode ist.
"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
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Kinshasa Beatboy

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #15 am: 12.10.2008 | 14:53 »
Deshalb flüchten sie in altbekanntes, in Systeme mit denen sie positivere Assoziationen verbinden. Naivität, Beer&Brezel, Zugewinn.

Das könnte sein. Ebenso werde ich durch D&D4 einer gewissen Deprivation alter Prinzipien gewahr (beispielsweise des Stufenaufstiegs, der Freude an magischen Gegenständen und so). Durch die Entwicklung der Rollenspiele in den letzten Jahr(zehnt)en fiel das immer stärker unter den Tisch und konnte bestenfalls, wie Jasper in dem von Greifenklaue freundlicherweise verlinkten Blogeintrag kommentiert, durch dysfunktionalen Scheiss wie Descent, Heroquest und Konsorten ausgelebt werden. Mit D&D4 gibts dafür nun eine rollenspielnähere Alternative, die viele Leute scheinbar sehr sexy finden.

Ansonsten stimme ich Vermi ausnahmsweise mal nicht zu. D&D4 ersetzt nämlich den ganzen "erwachseneren" Kram keineswegs. Vielmehr nehme ich das Ding als bislang fehlende Alternative wahr, die eine Lücke schließt, welche über Jahre nicht bedient wurde. Und das sehen scheinbar eine Menge Leute ähnlich.

Insgesamt mögen analoge Phänomene auch den Retro-Boom ausgelöst haben. Stimmt.

EDIT: Ach so, noch was: durch den Neustart kann man bei D&D4 einigermaßen elegant und einfach einsteigen ohne sich in Dutzenden spezialisierter Regelbücher und Zeugs zu verlieren. Unsere durchweg berufstätige Gruppe kauft sich sukzessive das Zeug, welches neu rauskommt und schaut sich das an. Funktioniert mit vertretbarem Zeitaufwand. Gäb es zu D&D4 bereits Hunderte Publikationen, wär das nicht möglich und würde außerdem die Vorfreude auf neues Material erheblich reduzieren. Schaut Euch doch mal an, wie heiss die Leute auf die neuen Klassen und Handbücher sind! Cool!
« Letzte Änderung: 12.10.2008 | 15:06 von Kinshasa Beatboy »

Offline Beral

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #16 am: 12.10.2008 | 15:06 »
Boah, hat jemand einen guten Überblick über die Entwicklung der Rollenspiele und möchte das erläutern? Vielleicht hat irgendein Freak eine Magisterarbeit zum Thema geschrieben?
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #17 am: 12.10.2008 | 15:07 »
... eine Folge der neueren Entwicklung von Rollenspielen sein dürfte. Es gibt sehr viele neue Spiele, die sich als revolutionäre Rollenspiele sehen und das Thema scheinbar völlig neu aufgreifen, aber sich letztenendes von den Kernpunkten entfernen, was noch als Rollenspiel definiert wird. Eine der größten Gründe sehe ich in der Rückkehr zum Kompetitiven.
Das vermute ich auch ganz stark.

das und nostalgische Erinnerungen an Zeiten, als man wegen einem Schwert+3 noch einen ganzen Abend Spaß haben konnte.

Kinshasa Beatboy

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #18 am: 12.10.2008 | 15:19 »
Boah, hat jemand einen guten Überblick über die Entwicklung der Rollenspiele und möchte das erläutern? Vielleicht hat irgendein Freak eine Magisterarbeit zum Thema geschrieben?

Eine? Schau mal dort: http://www.rpgstudies.net/

Offline Greifenklaue

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #19 am: 12.10.2008 | 15:25 »
Zitat
Ansonsten stimme ich Vermi ausnahmsweise mal nicht zu. D&D4 ersetzt nämlich den ganzen "erwachseneren" Kram keineswegs. Vielmehr nehme ich das Ding als bislang fehlende Alternative wahr, die eine Lücke schließt, welche über Jahre nicht bedient wurde. Und das sehen scheinbar eine Menge Leute ähnlich.
Ich weiß auch nicht, ob das seine Kernaussage war (spraxh er nicht von Mädchenkram  ;)), am interessantesten fand ich die Beobachtung, dass sich Leute von DnD 4.0 begeistern lassen, die vorher eher nicht bei DnD 3.0 (3.5) aufgefallen sind. Diese Beobachtung teile ich durchaus - ohne dass jetzt zu werten (und natürlich gibt es auch begeisterte 3,5er, die nun 4.0 zoggen). Und das Metaelemente da durchaus ihren Beitrag haben, ja, das bringt es für mich auf den Punkt.

Zitat
Insgesamt mögen analoge Phänomene auch den Retro-Boom ausgelöst haben. Stimmt.
Mehr Blogs, durch RSP-Blogs (beide genannte waren ja neu). Verbreiteter Informationsfluß von Blogs (ebenfalls RSP-Blogs). Retrothemen in Abenteuer.Punkt.  Übersetzung der Festung des Bergkönigs. M20 deutsch gratis. Traveller-NeuVÖ. (Bin ich übrigens begeistert von!)

Zitat
EDIT: Ach so, noch was: durch den Neustart kann man bei D&D4 einigermaßen elegant und einfach einsteigen ohne sich in Dutzenden spezialisierter Regelbücher und Zeugs zu verlieren. Unsere durchweg berufstätige Gruppe kauft sich sukzessive das Zeug, welches neu rauskommt und schaut sich das an. Funktioniert
Ja, stimmt, DAS ist sicherlixh auch ein Grund für das Phänomen.
"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
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Re: Retro-Overkill
« Antwort #20 am: 12.10.2008 | 15:29 »
Stimme Dir zu. Mit einer Ausnahme:

Mehr Blogs, durch RSP-Blogs (beide genannte waren ja neu). Verbreiteter Informationsfluß von Blogs (ebenfalls RSP-Blogs). Retrothemen in Abenteuer.Punkt.  Übersetzung der Festung des Bergkönigs. M20 deutsch gratis. Traveller-NeuVÖ. (Bin ich übrigens begeistert von!)

Das sind für mich viel eher Reaktionen auf den Boom als dessen Auslöser. Kann mich aber auch irren, denn Kausalität ist bei sowas flüchtig  :D

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Re: Retro-Overkill
« Antwort #21 am: 12.10.2008 | 15:35 »
Stimme Dir zu. Mit einer Ausnahme:

Das sind für mich viel eher Reaktionen auf den Boom als dessen Auslöser. Kann mich aber auch irren, denn Kausalität ist bei sowas flüchtig  :D
Ja, DA stimme ich Dir ja vollkommen zu, aber das ist ja der Grund, warum Du esals Mode / Overkill wahrnimmst.

Was Du als Overkill wahrnimmst, ist für mich ein tägliches Geburtstagsfest, wenn ich in des Bergkönigs Blog ein neues Abenteuer oder Verlag entdecke, von dem ich nich nie gehört habe und der offensichtlich rockt ohne Ende. Da überleg ich mir fast doch nioch, mal was englischsprachiges zu kaufen...

Kurzum, dass Retro mehr in der Öffentlichkeit steht: Eindeutig.

Dass es ein Overkill ist: je nachdem, wie man dazu steht.  :D
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Re: Retro-Overkill
« Antwort #22 am: 12.10.2008 | 15:55 »
Ich denke der back-to-the-roots Trend wird durch verschiedene Faktoren unterstützt:

Wenn man die älteren Spieler (30+) betrachtet, wird man feststellen, dass die wenigsten noch über die Zeit für ein regelmäßiges Spiel mit umfangreichen Regeln verfügen. Ein wenig Nostalgie wird hier natürlich auch mit reinspielen.

Zudem sind die Regelwerke und Weltbücher über die letzten 30 Jahre immer umfangreicher und ausgefeilter geworden - und cih denke nicht, dass $E an sich ein "old-school" Denken unterstützt - dafür gibt es wiederum zu viele Powers.

Auch Anfänger stehen heute vor dem Problem, dass es kein System für ihre Ansprüche gibt, also keines, dass man morgens kauft, mittags liest und abends spielt. Alte Systeme haben genau das geboten.

Eine preisliche Komponenete sehe ich auch - für junge wie für alte Spieler. Die Alten können auf vorhandenes Material zurückgreifen, die Jungen können es günstig erwerben. Wenn wir mal DSA4 betrachten, oder D&D 4 (deutsch), wird es offensichtlich:

DSA1 kostete 30 DM für eine Box mit Regeln, einem Abenteuer, Dokumenten und Würfeln. D&D Basis-Set ebenso.

Will ich DSA4 vernünftig spielen, brauche ich zumindest 30 Euro fürs Basiswerk, 7 für Charakterblätter, 10 für ein Abenteuer - und habe noch keine Würfel ... also sagen wir 50+ €.
4E benötigt 35 fürs Spielerhandbuch und ca. 25 fürs erste Abenteuer (sobald es mal da ist) + Charakterbögen und Würfel ... also noch mehr Geld.

Und Runenklingen ist leider kein wirkliches Einsteigerprodukt...

Ich persönlich spiele seit 22 Jahren mindestens einmal pro Jahr DSA1 und z.Zt. reglmäßig alle 6 Wochen AD&D 2nd Edition. Ersteres aus Nostalgie und zweiteres, weil es jedem in der Gruppe geläufig ist, jeder alles dazu hat und Rollenspiel an sich ohnehin unabhängig von Regeln funktioniert.

Weniger ist mehr :).
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Re: Retro-Overkill
« Antwort #23 am: 12.10.2008 | 16:13 »
Zitat
Und Runenklingen ist leider kein wirkliches Einsteigerprodukt...
Ich bin von dem Ding immer noch begeistert, auch wenn da der Gesamtpreis als Gegenargument zieht (41 Euro).
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Re: Retro-Overkill
« Antwort #24 am: 12.10.2008 | 16:15 »
Midgard ist ein Superspiel ... aber gib es mal deinem 12jährigen Neffen in die Hand - dann hast du wieder jemnden fürs Rollenspiel verloren.
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