Ich schere mich persönlich beim Weltenbau nicht darum, ob das was ich da tue jetzt "zu abgefahren" oder "zu EDO" ist: Ich mache einfach wie ich denke. (Wobei ich mit meiner pathologischen Abneigung gegen Tolkien wahrscheinlich sowieso schon aus ästhetischen Erwägungen heraus automatisch vom Schreiben meines Privat-Silmarillions abschweife.)
Wenn ich mir meinen aktuellen Entwurf zu meinem derzeitigen Weltenbauprojekt, der Kopikala-Kampagne, ansehe, dann gilt "sowohl" als "auch".
Zielsetzung ist hier eine offene Kampagne, die nicht um bestimmte Spieler herum aufgebaut ist, sondern wo ich einfach regelmäßig an einem öffentlichen Ort leite und schaue wer auftaucht.
Entsprechend muss ich natürlich daran denken, dass den Spielern alle erwarteten und erwünschten Optionen offenstehen - was heißt, die Standard-EDO-Rassenpalette sollte so existieren, wenn ich nicht gerade geniale Ideen und/oder zwingende Gründe habe, um diese Optionen zu beschneiden.
Das Format hindert mich auch daran, zu abgefahren zu werden, denn wenn ich erst jedes Mal vorher eine Stunde lang die Welt erklären muss, dann verliert es seinen Sinn als zwangloses und offenes Spiel, wo man eben mal vorbeischauen kann wenn man einen Nachmittag totzuschlagen hat, oder wenn die Stammrunde ins Wasser fällt, oder was weiß ich welche bizarren Motivationen Leute dazu treiben, sich meinem Leitstil auszusetzen.
Es werden also die ganzen Standardrassen vorkommen. Allerdings erlaube ich mir hier meinen eigenen Dreh bei allem nichtmenschlichem Humanoidem, was da so kreucht und fleucht.
So existiert etwa das unvermeidliche vormenschliche Elfenreich, das mal die Welt beherrscht hat, aber meine Elfen sind ganz anders geraten als das klassische Dreigestirn aus Wald-, Hoch- und Dunkelelfen. Stattdessen sind sie eher eine Art Naturgeister ähnlich Dryaden und Nymphen, die die vier Elemente verkörpern.
Ebenso sind sie keine blitzgescheiten, hochgeistigen Arroganzbolzen, die ständig ihre Nase über die "dummen Menschlein" erheben, sondern auf ein primitives, vor-bronzezeitliches Niveau zurückgeworfenes Naturvolk, das auf die Hilfe von Menschen zur Arterhaltung angewiesen ist und sich diesen da auch anbiedern muss, da es durch einen göttlichen Fluch nur noch ein Volk der Frauen ist.[1]
Ihre Kultur schwankt je nach Element zwischen "bekannt, aber selten verwurstet" (pseudo-hawaiianisch bei den Vulkanelfen, pseudo-indianisch bei Erdelfen), "gonzo" (Eiselfen mit ihren rot-weißen Pelzkleidchen und solchen Errungenschaften wie Flugschlitten) und "völlig fremdartig" (Wolkenelfen).
Die Lücke der zaubernden, u.U. auch männlichen Intelligenzbolzen mit spitzen Ohren schließen hier für mich die Trollaner.[2]
Ähnlich will ich mit anderen Rassen verfahren. Bei den Goblins soll eine Verbindung zum Feenreich existieren, und sie sollen Unruhestifter mit Fluggeräten und werfbaren Bomben werden. (Ähnlichkeiten zu gewissen Superschurken ähnlichen Namens sind bestimmt reiner Zufall.)
Bei den Hobbits hingegen überlege ich mir, sie à Encounter Critical mit Jawas zusammenzuwerfen. (Als feige, halbnomadische Diebe und Plünderer machen ihre Fähigkeiten beim Schleichen und Verstecken wenigstens Sinn, anders als in der Standardausführung als fressgierige und langweilige Spießbürger.)
Ähnliche Ideen habe ich zu Orks, Gnomen, Zwergen und anderen SC-tauglichen Rassen, wenn auch weniger spruchreif und deutlich vager.
Gleichzeitig habe ich mich auch bewußt dafür entschieden, dass alle Nichtmenschen keine eigenen echten und bedeutsamen Reiche haben. Hier und da mag es mal ein Turmstädtchen der Trollaner, ein Halblingsviertel oder eine Höhle mit einer Ogersippe geben, ebenso sind die Elfen an die lebensfeindliche Umgebung in ihrem jeweiligen Element angepasst und so dominant in der Nähe der elementaren Zitadellen. Aber die Fähigkeit dazu ein echtes Weltreich aufzubauen und ins Licht zu führen, ist eine rein menschliche Fähigkeit. Nichtmenschen enden da nur als kleinere Grüppchen im gesetzlosen Raum (Goblins, Orks, etc.) oder als Anhängsel an die örtliche menschliche Kultur (Halblinge, Gnome, Zwerge etc.)
Was die Welt selbst angeht, so läuft es auf die typische S&S-Welt mit untergegangenen Kulturen und derzeit noch prosperierenden Reichen hinaus - allerdings im Tropenklima, wie mir meine Zufallstabellen geflüstert haben. Heißt also, dass all die pseudoeuropäischen Standardreiche wie Nordmänner und Briten entweder zu einem Schattendasein am gemäßigten Rand der Welt oder zu einem eher kolonialen Feeling in den heißen Hauptgefilden der Spielwelt verdammt sind, während auf (sub-)tropische Umstände angepasste und in Standardsettings häufig an den Rand gedrängte Kulturen wie Inder, Azteken, Zulus oder auch die (titelgebenden) Hawaiianer auf einmal eine dominante Rolle einnehmen können.
(Wobei ich noch nicht weiß, welche Kulturen sich am Ende durchsetzen werden, da ich das einem Minispiel auf der Basis von ein paar groben Regeln sowie Plausibiltätenabwägung überlasse. Ähnliches gilt für die eigentlichen Kulturen, die sich zu einem guten Teil aus den Traveller-Zufallstabellen ergeben.)
Ist das jetzt böses EDO oder böses "Anderssein um des Anderssein willens"? Ihr entscheidet, mir ist das wumpe solange irgendwer an meinem Tisch auftaucht, um sich diese Geschmacklosigkeit reinzubrezeln.
[1] Hat da einer "Rollenspiel als Wunschtraumerfüllung" gesagt?
[2] Trollaner sind ohnehin der Lackmustest für gute Fantasy:
Harry Potter? Keine Trollaner => Laaaangweilig!
Herr der Ringe? Keine Trollaner => Laaaangweilig!
She-Ra? Hat keine Trollaner, existiert aber im gleichen Universum wie diese => rockt.
DSA1? Hat keine Trollaner, könnte aber dank Borbels Raumschiff welche haben => rockt.
DSA4? Hat Borbels Raumschiff und so auch jede Hoffnung auf Trollaner weggeretconned => Laaaangweilig!
He-Man? Hat Trollaner, und sie tauchen auch jede Folge auf => ROCKT!
=> Beweissatz: Die Qualität eines Fantasysettings steigt proportional zum Vorkommen von Trollanern in selbigem.
Nur Conan weicht davon ab, aber Conan ist ja auch so ein Awesomenessbolzen, dass er alle Regeln der guten Fantasy aussetzt, sobald sie mit ihm in Kontakt treten.