- Sind Eure Prinzessinnen jung, hübsch, blond und/oder naiv?
[...]
- Sind Eure Bösewichter entweder aalglatt gepflegt oder abgrundtief hässlich?
Das ist wirklich eine gute Frage, weil gerade die Definitionen hübsch/hässlich und auch böse/gut im Rollenspiel schwierig darzustellen sind - in den seltensten Fällen beschreibt man ja eigentlich: "die Prinzessin da sieht gut aus" oder "der Räuber ist böse", weil da ganz verschiedene Assoziationen dranhängen. Ich glaube man versucht bei NSCs, die einem wichtig sind, eher dafür zu sorgen, dass sie
auffällig sind und die Spieler sie sich merken können - zumal ich persönlich große Schwierigkeiten habe, mir jemanden vorzustellen, der "durchschnittlich" oder "knapp überdurchschnittlich" aussieht - da komme ich mit konkreten Beschreibungen besser klar. Die Extreme werden einfach eher wahrgenommen als die Dutzendgesichter.
Und das bringt uns zum Thema - Klischees sind meiner Meinung nach immer recht auffällig und zwar insofern, dass man sie als Spieler sofort abrufen kann, weil man sie kennt - die Vorstellung ist direkt da (natürlich kann es noch bei verschiedenen Spielern unterschiedliche Vorstellungen von ein und demselben Klischee geben, aber bei den Kernmerkmalen ist man sich recht einig).
Ich würde übrigens anstelle von Klischees auch von
Stereotypen sprechen... Der Begriff
Klischee hat noch eine wertende Komponente in Richtung "Abklatsch, billige Nachahmung" (frz.
cliché, woher das Wort eigentlich kommt). Klischees sind eigentlich immer überbeansprucht, während Stereotypen das nicht sein müssen. Zumindest nach der Definition von Holzberger auf Wikipedia, der ich zustimmen würde.
http://de.wikipedia.org/wiki/KlischeeBislang sind nur Personen als Klischees genannt wurden, aber das gibt es auch bei Schauplätzen...
- der dunkle Wald
- das beschauliche Dörfchen mit Fachwerkhäusern angeordnet um einen Brunnen
- die verrauchte, neonlichtbeleuchtete Kneipe in einer dystopischen Metropole
- die leerstehende Lagerhalle am Ende des Hafens
- das Geisterhaus
...oder Situationen...
- der Oberbösewicht stellt sich bei einem Zusammentreffen mit einem Helden als dessen Vater heraus
- der Oberbösewicht sperrt die Helden in eine Todesfalle und erzählt ihnen damit von seinem Bösen PlanTM
- der König verspricht einem Charakter die Hand seiner Tochter und die Hälfte seines Königreiches als Belohnung für eine Heldentat
- das Duell zwischen zwei Schützen findet um zwölf Uhr mittags auf einer staubigen Straße statt
Klischees und Stereotypen sind auch extrem abhängig von ihrem Kontext: ein strahlender Held mit einem ausgeprägten Ehrenkodex ist in (den meisten) Fantasy-Systemen ein Stereotyp, in einem Cyberpunksetting ein Klischeebruch - und zwar insofern, dass die Erwartungen der Spieler an ein solches Setting eben nicht erfüllt werden. Oft haben Klischees auch einen gewissen Symbolcharakter und verweisen auf andere Klischees: der marodiernde Ork steht irgendwo auch für das Böse (im Osten), der dicke Barkeeper mit Glatze für einen Abend in einer gemütlichen Fantasytaverne - es hängen noch über das tatsächliche Klischee hinausgehende Eigenschaften an ihnen dran.
Trotzdem würde ich niemals ein Klischee einfach als gegeben in meinem Spiel unterbringen, weil ich aus Erfahrung weiß, daß ich dann als SL sehr schnell bei der Charakterdarstellung ins Schwimmen gerate. Wenn die Spieler mir anmerken, daß der Ritter nur deshalb "ehrenhaft" agiert, weil er das laut Klischee nun mal so tut, wird er schnell zur Lachnummer. Um einen Char überzeugend zu verkörpern, muß ich seine Motivation kennen und nachvollziehen, warum er so ist, wie er ist, so handelt, wie er handelt etc. "Ich muß so agieren, weil Stadtwächter nun mal brutal sind" führt bei mir unweigerlich zum leblosen Pappkameraden.
Ich habe feststellen müssen, dass mitunter großartigste NSCs aus Stereotypen entstanden sind. Dadurch, dass sie zunächst als Stereotypen auftreten, bleiben sie im Gedächtnis und sind auch in gewisser Weise berechenbar, wenn man dann aber mehr und mehr Informationen über sie ins Spiel einstreut, die sie in einem anderen Licht erscheinen lassen (Motivationen, Kontakte, seltsame Interessen und Hobbies), werden sie plastisch und machen so auch lange Spaß. Daher: Stereotypen müssen meiner Meinung nach gar nicht notwendigerweise platt sein - sie können sich auch als für die Situationen äußerst passend erweisen.
Aber ich glaube die Definition ist hier, dass Klischees immer nur oberflächig funktionieren können... kann sein, dass ich mich hier grade im Begriff verrenne...
Die Frage, die ich mir stelle ist in dem Zusammenhang: Was ist in Zeiten der postmodernen Medienrevolution eigentlich kein Klischee oder Stereotyp mehr?
Ich glaube, dass eigentlich alle Rollenspieler bewusst oder unbewusst mit Klischees arbeiten oder zumindest mit Motiven, Bildern und Vorstellungen, deren Kenntnis vornherein bei den Spielern vorausgesetzt werden muss. Alles besteht aus diesen verknüpften Vorstellungen und ich würde sagen, dass in den meisten Fällen Stereotypen hierfür die Ausgangslage bilden - sie werden nur irgendwie variiert.