kirilow schreibt was zu Von eigenen Gnaden — Teil I: Erste EindrückeUm gleich ein kurzes Fazit vorwegzunehmen:
Von eigenen Gnaden ist eine Mogelpackung — aber mit nettem Inhalt.
Doch bevor ich diesen Satz näher begründe (das passiert erst in den nächsten Teilen), will ich mich erst einmal meinen ersten Eindrücken und damit auch gleich Layout und Illustrationen zuwenden.
Neues Layout... Mir sagt ja das 'neue' (nicht 1990er) Layout nicht so zu. Die Seitenleisten und Grafiken in Graustufen wirken immer ein wenig wie des armen Mannes Farbdruck anstatt die ja durchaus vorhandenen Stärken des kontrastreichen Schwarzweißdruckes zu nutzen. Allerdings kann dieses Missfallen auch einfach daran liegen, dass ich ein nostalgischer alter Sack bin — ich vermisse auch die schwarzen Balken neben den Meisterinformationen! TAKFAKB, der ja eigentlich noch eher den alter-Sack-Status innehat, mag die DSA-Bände gerade auch wegen der Ästhetik — er ist halt jung geblieben. :-)
Besonders negativ in Hinsicht auf den Graustufendruck fällt der Ausschnitt der 'politischen' Provinzkarte auf. Dieser ist so dunkel, dass man kaum etwas erkennen kann und auch ansonsten sehr schlecht lesbar. Wie ich Dank des ebenfall vorliegenden Bandes
Das Schild des Reiches feststellen konnte, liegt dieses Problem auch in der Vorlage schon vor. Die am Ende des Abenteuers abgedruckte In-Game-Karte ist hingegen sehr gelungen und weist die genannten Schwächen ob des Designs als Federzeichnung nicht auf — dafür fehlen dort wiederum die nicht unwichtigen Grenzen.
Die Abbildungen hingegen sind alle sehr schön, das war ich auch immer von DSA gewohnt und wurde da auch nicht enttäuscht. Besonders gefallen hat mir ja die Abbildung von S. 80, vielleicht kann mir ja hier jemand verraten, von wem die ist. Ansonsten stach mir noch das auf s. 54 abgebildete InGame-Bild ins Auge, diesmal wegen besonderer Kitschigkeit. Ich fühlte mich an die Drachenstatuetten und Bilder mit Glitzerstaub erinnert, die man in Asia-Läden kaufen kann.
Die Karten sind zwar schön gezeichnet, aber nicht sehr funktional. Ein Beispiel: die Karte von Zweimühlen — der Wirkungsstätte der Helden — nimmt eine halbe Din A4-Seite ein; dies wäre auch schn so eigentlich zu klein, verschärft wird das aber nch dadurch, dass ein Großteil der Fläche dann davn eingenommen wird, einen Pergamenteffekt herbeizuzaubern. Das ist zwar hübsch, aber wenn man sich überlegt, dass diese Karte sicherlich herauskopiert wird und dann während der Kampagne zu allerlei Planungszwecken auf dem Tisch liegen wird, hätte ich mir eine größere (cool wäre zum herausnehmen, aber mir ist klar, dass das zu teuer ist) und kopierfreundlichere Abbildung gewünscht. (Graue Schattierungen sehen kopiert immer scheiße aus!)
Dies ist allerdings Gejammer auf recht hohem Niveau, die Karten sind schn allesamt sehr schön ausgeführt.
... altes DSAHaben sich Layout und Illustration seit meinen alten DSA-Tagen doch ordentlich verändert, so dass man es fast nicht wiedererkennt, so verfliegt dieser Eindruck doch sofort, wenn man in den Text schaut.
Bevor ich mich dem 'Plot' zuwende, will ich noch kurz drei DSA-typische Aspekte des Textes ansprechen, die mir nach so langer DSA-Abstinenz wieder richtig ins Auge traten. Diese sind weder gut noch schlecht, aber da das hier auch eine Art persönlicher Erfahrungsbericht ist, sollen sie zumindest kurz Erwähnung finden.
DSA bzw. Aventurien wohnt, stärker als anderen Fantasy-Rollenspielen, eine starke
Sozialromantik (mir fällt gerade kein besserer Begriff ein) inne. Hier gibt es sie noch, die gute Altvorderenzeit, wo die Mönche dick und die einfachen leute dankbar waren. Am einfachsten ist es wohl, zwei Zitate zu bringen:
Die meisten Männer und Frauen blicken auf den Boden, kneten ihre Mützen und scheinen gerade wohl lieber woanders zu sein. Doch einige Blicken auch voll Hoffnung in Richtung der Helden.
Ja, so sind sie, die einfachen Leute.
Der Bauer Hanno Erpeldinge (fast 60, grauer Haarkranz, herzlich und fröhlich) freut sich, den Geweihten und die Pilger aufzunehmen, und überschlägt sich förmlich mit der Gastfreundschaft. Seine schwer kranke Frau Katla (Mitte 50, von der Gicht geschwollene Gelenke, fromm) versucht, sich von ihrem Krankenlager zu erheben, um den Gästen dienlich zu sein, wenn die Helden dies nicht verhindern.
Nicht, dass dieses Familienbild irgendetwas schlechtes an sich hätte, mich erstaunt nur bisweilen das Verständnis von einer interessanten Rollenspielsitution: "Nein, meine Gute, machen Sie sich doch keine Mühe" — na, wenn das nicht atmosphärisch ist.
Amüsant finde ich auch das Engagement von DSA im Bereich
Gender-Mainstreaming. Wohlgemerkt, ich finde daran nichts Schlechtes, es treibt nur wunderliche Blüten. Nicht nur muss man einem Untoten in seinen Träumen beim Coming Out besitehen, es geht auch ein Großteil sexueller Gewalt bei
Von Eigenen Gnaden von Frauen aus. Mal zwei Kostproben:
Einige Stadtwachen stehen nackt auf einer Empore und werden von lachenden Söldnerinnen ausgepeitscht, weitere liegen gefesselt in der Ecke.
Ein nackter Jüngling hockt in der Ecke, bedroht von einer Söldnerin mit einem Schwert, deren linke Hand sich zwischen ihren Beinen befindet.
Die hat es übrigens besonders nötig, denn
einzig Ohnmacht und Tod bringen sie von ihrem Vorhaben ab.
Na, hier werden Weiber halt noch wirklich zu Hyänen. Seit den Zeiten, wo
lüsterne Orks herauszensiert werden mussten hat sich im ab-14-Bereich offenbar einiges getan. (Bei meiner Suche nach diesem Link habe ich übrigens entdeckt, dass es auch einen
Eintrag im wiki-aventurica zu sexuellen Vorlieben von NSCs, von Homosexualität bis Zoophilie gibt.)
Als ebenfalls DSA-typisch empfinde ich die zahlreichen Hinweise an den Meister, wie er sein Handwerk ausüben soll.
Inszenieren sie hier als Kontrast zu den sonst betrüblichen Abenden in der Wildermark ein ein fröhliches Beisammensein.
[...]
Sorgen Sie dafür, dass die Familienmitglieder den Helden ans Herz wachsen.
Viel einfacher wäre es, den SL darauf hinzuweisen, dass die Familie den nächsten Tag abgeschlachtet wird, statt das Ausspielen eines langweiligen Abends bei der Bauernfamilie anzuraten. Überhaupt scheint die Beziehung der Helden zu den NSCs dem Autor — und ich denke, er ist damit durchaus prototypisch für das DSA-Rollenspielverständnis — ein besonderes Anliegen zu sein:
Pflegen Sie die persönlichen Bindungen der Helden. Wenn sie sich auf den Tavernenabend mit Ron freuen, dem nächsten Kampf Malines in der Blutgrube entgegenfiebern oder bei der Aussicht auf ein Verhandlungsgespräch mit Cordovan Weitzmann die Augen verdrehen, dann sind sie in Zweimühlen angekommen.
... und in der Langeweile des DSA-Tavernenspiels, möchte man ergänzen. Ich frage mich manchmal wirklich, ob die Schreiber solcher Zeilen ihre Fans als solche Sozialkrüppel empfinden, dass sie Tavernenabende mit Ron verbringen möchten.
An sich ist daran ja nichts falsches. Ich halte das nur schlicht für Platzverschwendung. Entweder hat man ein Händchen für sowas und die Spieler Spaß daran, dann macht man es eh, oder man hat es nicht, dann nützen auch die Hinweise nichts.
Doch genug davon, ich werde auf dieses und vieles andere noch zu sprechen kommen, wenn ich die einzelnen Abenteuer des Bandes bespreche.
Grüße
kirilow