So, jetzt zu dem zweiten, insgesamt gelungenen, aber vielleicht nicht ganz im Sinne des Systems abgelaufenen One-Shot, den ich ausprobiert habe.
Ist inzwischen auch schon was her: wir haben am 27. 12. 2009 gespielt. Im Gegensatz zu meinem verkorksten „PtA“-Debüt hatten wir hier den Vorteil, dass die Spieler sich untereinander kannten und auch lange zusammen gespielt haben.
Das Spiel was gespielt wurde, war:
“Shadowrun“ mit „Western City“ - auch ein Debüt, denn bis auf eine Proberunde habe ich auch mit diesem System keine Spielerfahrung...
Was bisher geschah:Die Vorgeschichte, wie die Runde zustande kam, ist nicht uninteressant. Ich hatte mit denselben Spielern lange und erfolgreich eine „Shadowrun“-Runde nach 3.0 gespielt – wir waren gemeinsam Spieler. SL jemand anderes. Die Runde lief ihre insgesamt etwas unter 3 Jahre, doch die Interessen der Spieler (die SR mehr als ein großes Soap-Drama mit Cyberware und Moralkonflikten begriffen) und des SLs (der SR am liebsten wohl beinhart militärisch und mehr als SciFi als als Cyberpunk gespielt hätte) drifteten immer weiter auseinander – wir Spieler hatten andere Prioritäten und zudem kam durch einige übermächtige Mary-Sue-NSCs, die das Gefühl vermittelten, unsere eigenen SCs seien eher Rand- als Haupfcharaktere, schnell Frust auf.
Wir haben dann die Runde irgendwann einschlafen lassen: Wichtiger Auslöser war auch der Tod eines unserer SC, der von uns Spielern einvernehmlich nicht gewollt war – er hing mit reinem Würfelpech zusammen – sagen wir es so: die Konsequenzen waren allen klar und der Tod war an sich auch sehr dramatisch, dennoch haben wir (eben aufgrund der Dramatik á la „Ich bin wieder da, Leute. Habt ihr mich vermisst?“) als Spieler dem SL die Möglichkeit schmackhaft machen wollen, dass der Charakter nur verschollen ist – uns hat geärgert, dass der SL partout nicht auf unsere Vorschläge eingehen wollte und abgeblockt hat. Der betroffene Spieler hat dann ein halbes Jahr lang zahlreiche Versuche unternommen, mit anderen Charakteren in der Gruppe zu arbeiten, ist aber nie wieder so richtig ins Spiel reingekommen.
Wir haben uns also irgendwann von diesem SL gelöst und unter einem anderen SL zu spielen versucht – das ging aber auch mächtig nach hinten los: zwar war hier das Flair schon cyberpunkiger, aber dieser SL hat sämtlichen liebgewonnenen NSCs, die sich über die letzten Jahre so angesammelt hatten und mit den Geschichten unserer SCs verwoben waren (Kontakte, Schieber, Verwandte), nahezu sämtlich umgeworfen und durch eigene NSCs ersetzen wollen. Also haben wir auch das Spiel unter ihm irgendwann mal sein gelassen.
Dann hatten wir uns eines Abends nur so zum Spaß alle Mann getroffen und SR ohne festen SL gespielt. Nur wir Spieler, unsere SCs und ein bisschen Geplänkel. Hat wunderbar funktioniert, konnten wir aber nicht aufrecht erhalten. Was unter anderem daran lag, dass ein Spieler nach Hamburg zog...
...und genau dieser Spieler war um Weihnachten 2009 wieder im Lande, sodass wir uns zu einer Runde Shadowrun zusammenfanden. Ich habe das Ganze ein wenig organisiert – da jeder sicherlich seinen Charakter von früher spielen wollte, wir keinen SL kannten, der a) die Gruppenkonstellation gut genug kannte, um ein Spiel für uns zu leiten und b) so spontan was auf die Beine stellen könnte, und wir alle das Flair, was wir haben wollten, genau kannten, hatte ich die Idee, den Spielabend einfach auf der Basis von „Western City“ aufzubauen (im Forum hatte ich
hier bereits ein paar gute Anregungen dazu gefunden. Da keiner von meinen Freunden „Western City“ kannte, habe ich das Ganze möglichst simpel halten wollen: auf taktische Regulierungen wollte ich verzichten (die spielten bei uns ohnehin immer weniger eine Rolle – unser Cyberpunk war eher cinematisch aber blutig und siffig), dafür habe ich versucht zumindest ein wenig vom Settingflair einzufangen.
Heraus kam:
Die Charaktererschaffung- Die reguläre Attributseinteilung (Körper, Geist, Ausstrahlung)
- Eine Profession für jeden Charakter (entspricht dem Beruf: bei SR dann sowas wie Rigger, Ganger, Schamane, StreetSam, (bei uns in einem Fall) Troublemaker) + eine Reihe Fähigkeiten
Ein reguläres Zuhause, sowie ein zentraler Konflikt (Hybris hat sich als eher unbrauchbar rausgestellt, dazu später mehr) - Freund und Feind blieb, wie es war
- Ein Extraeintrag für Implantate (im Grunde die Besonderen Gegenstände – ein Implantat gibt einfach Boni auf einen entsprechenden, bei dem das Implantat nützlich ist)
- 8 Punkte Essenz (entspricht dem Herz: Essenz als Begriff aus dem SR-Universum entlehnt und nochmal weiter aufgeteilt in Weiße und Schwarze Essenz: für jedes Implantat verwandelt sich ein Punkt Weiße Essenz in Schwarze. Weiße Essenz stellt sich am Ende einer Szene nicht (bzw. erst nach) der Weißen Essenz wieder her – Weiße Essenz kann geheilt oder medizinisch behandelt werden, Schwarze muss repariert werden. Taktisch gesehen könnte man auch gezielt Weiße oder Schwarze Essenz angreifen (um z.B. gezielt Implantate auszuschalten)
Die Konvertierung der Charaktere war eigentlich kein Problem – schnell waren passende Attribute und Fähigkeiten gefunden - unsere Schamanin bekam zusätzlich noch eine Art Magieattribut (hier eine Fähigkeit), auf die sie würfeln musste, um Entzug zu simulieren – dazu kam es aber nicht; die ursprüngliche Idee war, dass sie eine bestimmte Anzahl Weiße Essenzpunkte riskiert (je nach Schwere des Zaubers sind es mehr), und dann würfelt, um zu sehen, wieviel Essenz sie sich damit genau wegbrennt.
Freund und Feind lief auch super: Tatsächlich war das unsere Möglichkeit, alte SCs, die einige Spieler in der Runde mal zwischendurch zur Abwechslung gespielt hatten und die danach NSCs wurden, wieder einzubauen (perfekt an „Western City“ - sie konnten dann einfach von den entsprechenden Spielern übernommen werden).
Probleme:Probleme gab es (wenn das denn so problematisch ist) beim Zuhause (alle SCs wohnten praktisch in ein und derselben Wohnung, weswegen es schwierig war, noch besondere Orte zu finden, die persönlich sind – die meisten wählten also einfach die gemeinsame Wohnung als Zuhause – inzwischen hatte ich für dieses Genre die Idee statt einem konkreten zu Hause, tatsächlich eine „Szene“ oder „Subkultur“ zu beschreiben, in der der Charakter den Bonus kriegt; sei es bei der Polizei, in den Barrens oder in den Cocktaillounges von Bellevue).
Dasselbe Problem hatten wir mit der Hybris – bei zwei Charakteren war es sehr einfach, bei den anderen beiden äußerst tricky, einen konkreten Charakterzug zu benennen, den man da nehmen könnte – so wurde das dadurch gelöst, dass es eher auf zentrale Konflikte oder äußere Schwächen hinauslief (so wurde ein Charakter als äußerst familiär angelegt, der seiner kleinen Schwester gegenüber überprotektiv eingestellt war, oder so etwas).
Implantate waren so eine Sache für sich, denn da hing alles sehr stark von den persönlichen Vorlieben der Spieler ab – ich habe zwar versucht meine Freunde zu überzeugen, dass nur die „Signature Cyberware“, die den Charakter wirklich ausmacht, da rein sollte – das hat aber zwei Spieler nicht davon abgehalten quasi ihre gesamte Cyberware vom alten SR-Bogen abzuschreiben und mit entsprechenden Würfelboni zu versehen. Da wuchs dann auch die Regelung, dass Bioware nur einen halben Schwarzen Essenzpunkt bringt (abgerundet).
Das eigentliche Spiel:Am Anfang haben wir ein Brainstorming gemacht, was wir genau spielen wollten und was die Ausgangssituation war – wir setzten nach unserem Run in der Renraku-Arkologie ein, bei der eben einer unserer SCs draufgegangen war: in unserer Version hatte er überlebt und ist nach monatelangem Koma, während dem er von einem tiefgläubigen Straßendoc wieder hochgepeppelt wurde, auf die Suche nach uns gegangen – der Doc hatte ihn zerschunden, aber lebend in den Trümmern des Obergeschosses der Arkologie gefunden, nachdem unsere Gruppe der Meinung war, er sei tot.
Dann haben wir den Ablauf geplant: hier stellte sich grob das Problem ein, dass wir kaum konkrete Szenen im Kopf hatten, sondern einfach drauflosspielen wollten. Wir wollten was persönliches machen und bauten daher eine äußerst grobe Struktur um eine Entführung (ursprünglich sollte es die kleine Schwester eines SCs sein, später wurde es dann aber aus dramatischen Gründen der SC selbst) mit diversen Stichworten wie „Seattle Untergrund“, „Scars (SC) Vergangenheit“ und „Der Rigger fährt U-Bahn“ auf – richtig entwickeln tat sich das Geschehen erst nach der Eröffnungsszene, für die ich mir das Erzählrecht erkaufte.
Ich begann mit einem dunklen Raum, in dem eine nicht näher bestimmte Gestalt einen Auftrag an drei Runner erteilt – dann ein Sprung zu den Vorbereitungen für eine Party in der WG der SCs. Nach und nach erzählten wir weitere Szenen, mit dem Brainstorming vom Anfang teilweise im Hintergrund aber vieles fiel auch raus. Teilweise war die Erzählrechtverteilung etwas unausgeglichen, aber jeder von uns vier Spielern hat mindestens eine Szene geleitet. Der Spieler des Entführungsopfers hat für die Dauer des Spielabends einen NSC übernommen. Heraus kam ein Ablauf, der sich folgendermaßen beschreiben ließe:
Personen: Devilgun, der Troublemaker – Jet, der zwergische Rigger – Scar, die Fledermausschamanin – Mad Dog, der Hundeschamane, Scars Freund – Cat, die Straßensamurai (SLC) – Melissa, Cats kleine Schwester und Hackerin (SLC)
1.
Einleitung: Der Auftrag
2.
Devilguns Rückkehr: Der Totgeglaubte kommt zurück nach Hause, Tränen, Emotionen – allein seine Verlobte, Cat, ist nicht zu Hause
3.
Die Entführung: Drei Unbekannte lauern Cat bei Jets Werkstatt auf und entführen sie – Schusswechsel, Devilgun findet eine Lösegeldforderung und einen Übergabeort
4.
In den Untergrund: Unter Scars Führung stürzen sich die SCs in eine dekadente In-Disse in einer stillgelegten U-Bahnstation – ein Gothicschuppen, sodass Verkleidung nötig ist (Comic Relief Momente) – Scar muss sich ihrer Vergangenheit als Drogenabhängige stellen, als sie ihren alten Dealer wiedertrifft
5.
Troublemaking: Es wird klar, dass die Entführer am Ende eines alten U-Bahn-Zuges, der zu einem VIP-Bereich umgebaut wurde, sitzen - Melissa legt aus der Ferne den Strom lahm und sorgt für Ablenkung – Scar kommt über ihren Dealer in den VIP-Bereich – Devilgun, Mad Dog und Jet dringen in den Waggon ein – Nahkampf mit dem ersten Wächter, dann verteilen über die Waggons und aufs Dach – Konfrontation zwischen Mad Dog und Scar
6.
Showdown: Gefecht im Zugführerabteil – Hauptantagonistin: ehemalige Yakuza-Folterkünstlerin namens „Wasabi“, die nun eine Drogenmogulin ist (will Cat gerade etwas einflößen) – parallel: der Rigger stöpselt sich in die rostige U-Bahn ein und bringt sie zum Laufen – SCs siegen, Wasabi wird aus dem Zug geschleudert – die SCs halten die U-Bahn an einer regulären Station und mischen sich in die Menge
7.
Wieder zu Hause: Konfrontation und Aussprache zwischen Devilgun und Cat, Romantic Happy End
8.
Epilog: Ein Yakuza (auch ein früherer Zwischendurch-SC) telefoniert – informiert über die neue, getestete Droge – ob Wasabi tot ist, bleibt unklar.
Insgesamt eine gelungene Story, finde ich, mit einigen Logiklücken, die uns aber während des Spiels nicht aufgefallen sind.
Probleme:Leider hat, wie wir feststellen mussten, das Ersteigerungssystem von „Western City“ bei unserer Runde nur mäßig funktioniert – tatsächlich wurde nämlich so gut wie überhaupt nicht gesteigert: ab und zu wurden Fakten mit Chips gekauft, während es aber nicht ein einziges Mal zu einer Auktion über das Erzählrecht kam („Ich würde die nächste Szene gern framen.“ „Ja, klar, mach nur.“; „Darf ich Fingers spielen.“, „Sicher, hau rein.“) - wir waren uns so einig, dass wir niemals voten mussten. Ziele des Tages wurden leider nicht so explizit angespielt und formuliert, zwei Charaktere haben ihres erreicht (Jet: „U-Bahn fahren“, Devilgun: „Cat befreien“)... aber hier hätte es etwas besser laufen müssen.
Die Chips floßen in rauen Mengen und wir haben uns ständig gegenseitig angespornt. Dafür hat kaum jemand Chips ausgegeben, um tatsächliche Komplikationen einzubauen – da hätte viel mehr kommen müssen, gerade von den Framern der Szenen – insgesamt war der Run zu leicht und durch das seltene Würfeln auch mehr „Story Game“ als ergebnisoffen.
FazitSpaß gemacht hat es allemal, aber ich glaube in der Nachbetrachtung, dass wir uns konsequenter an die „Western City“-Reglementierungen hätten halten müssen, damit es richtig spannend hätte werden können. Die Geschichte, die rauskam war relativ leichtherzig, aber sehr emotional. Wir haben danach auch gesagt, dass es ein gelungener Abschluss für die ganze SR-Runde gewesen wäre, aber auch die Möglichkeit ins Auge gefasst, das Ganze über Skype wiederaufleben zu lassen.
Man wird sehen...
Ich denke die Probleme sind deutlich geworden? War es durch zurückgehaltene Ergebnisoffenheit vielleicht nicht spannend genug? Wie kann man dem Hybrisproblem Herr werden? Ich glaube insgesamt floßen die Chips zu wenig... ist zu große Einigkeit unter den Spielern vielleicht mit einem Verlust von Dynamik im Western City-System verbunden?