Fehlt nur noch der direkte Soziale Konflikt.
Mir nicht.
Ich habe - insbesondere mittels HeroQuest - die Erfahrung gemacht, daß sich "Sozialer Kampf/Konflikt", wenn er ähnlich regeltechnisch aufbereitet ist, wie physischer Kampf/Konflikt ziemlich UNNATÜRLICH anfühlt.
Es gibt Elemente im Spiel, bei denen ich einfach das FREIE SPIEL DER WORTE bevorzuge und keine "sozialen Kampfmanöver" oder "soziale Toughness" haben möchte.
Daher reicht mir völlig aus, wenn - wie in SW - mittels sozialer Fertigkeiten, Edges und Charisma als Spielwert ein Charakter ein "soziales Profil" bekommt. Ich brauche hier aber KEINE "sozialen Wunden", KEINE "soziale Incapacitation" usw.
Genau diese "Niederlagen-Effekte" waren in HQ oftmals SEHR UNNATÜRLICH, wenig stimmig, nicht glaubhaft. - Da fängt man eine Diskussion mit Stammesältesten an und nach einem schwer mißlungenen Würfelwurf ist der Charakter "sozial sterbend"? - Also nee!
Gerade im sozialen Konfliktbereich ist es eben schwer mit vier Skills oder mit vierzehn oder mit vierzig wirklich ALLE RELEVANTEN Nuancen regeltechnisch einzufangen.
Es bleibt immer entweder eine Lücke, die so oder so vom Gruppenkonsens und der Spielleiterentscheidung gefüllt werden muß, oder man fühlt seinen Charakter "gespielt", d.h. mehr wie eine Art "soziale Tabletop-Figur", aber nicht wie einen Charakter als echtes Alter Ego des SPIELERS.
Ich MAG NICHT "gespielt" werden, sondern weiß hier eher das Lückenfüllen in der freien Gesprächsführung bei sozialen Konflikten zu schätzen.
Nirgendwo sonst bekomme ich nämlich im Pen&Paper-Rollenspiel die Chance wirklich intensiv in aktiver Rede mit anderen SCs und mit NSCs meinen Charakter darzustellen UND spielerisch zu überzeugen.
Für den physischen Kampf MÖCHTE ich Regeln haben, weil ich nicht meine Mitspieler niederschlagen möchte (außer solche, die es wirklich verdient haben). - Aber miteinander REDEN ist die GRUNDFESTE des Tischrollenspiels. Diese möchte ich mir nicht gerne regeltechnisch einschränken lassen.
Anders ist es bei der WIRKUNG der Rede. Hier reichen die obengenannten Charakteristika für einen SC oder NSC eben aus, um einen plausiblen, glaubwürdigen Verlauf eines sozialen Konflikts auf Basis weniger Skills, Edges, Hindrances zu erzielen.
Soziale "Zerrüttungs"-Skalen finde ich offengestanden BESCHEUERT. Einfach nicht nachvollziehbar. Bei psychischer Zerrüttung (Realms of Cthulhu, Deadlands, Tour of Darkness) habe ich das Problem nicht. Bei physischer Zerrüttung sowieso nicht. - Die physische Zerrüttung liegt im Offensichtlichen. Jeder kann sich problemlos vorstellen, daß und wie sehr jemand behindert wurde, der ein Messer in den Bauch bekommen hat. - Die psychische Zerrüttung ist sowieso völlig abseits von "realen psychischen Erkrankungen" oder dergleichen zu sehen. Sie ist ÜBERSTEIGERT, um HORROR-Elemente einzubringen, die abseits von noch leicht vorstellbarer körperlicher Zerrüttung eben die für den SPIELER schwerer vorstellbare psychische Ebene berühren.
Ein Charakter als soziales Wesen ist aber WESENTLICH komplexer als es solche Spielwerte wie Charisma, soziale Skills, usw. auch nur VOLLSTÄNDIG GENUG auszudrücken vermögen.
Wenn ein Charakter Beziehungen hat, braucht er dazu das Edge? Was ist mit Common-Knowledge-artigen Grundbeziehungen?
Wenn ein Charakter eine Familie hat, muß er erst die Loyal Hindrance haben, um sich um sie zu sorgen? - Und: Wie bringt man einen Charakter dazu, sich von seiner Familie zu ENTFREMDEN (sozialer Konflikt)?
Gerade solche sozialen Konflikte, die STARK in die Fundamente des Charakterkonzepts eingreifen, sind in bislang ALLEN Regelsystemen, die ich so kenne, einfach für mich als Spieler UNBEFRIEDIGEND umgesetzt worden.
Houses of the Blooded regelt das so, daß man das Gefühl bekommt, einem wird der Charakter WEGGENOMMEN bzw. unter den Fingern MUTIERT. Und zwar mehr, als es der SPIELER noch für die IDENTIFIKATION mit seinem Charakter erträglich findet.
Und das ist es dann auch schon: Ein Charakter ist da soziale Alter Ego in der Spielwelt. Ein Charakter ist der Brennpunkt der Identifikation des Spielers innerhalb der Spielwelt. Bei äußeren Bedrohungen wie Kampf oder bei psychischen Abwärtsspiralen (die ja praktisch nur in Horror-Settings vorkommen), ist der Charakter an sich - also dessen Existenz - gefährdet. Wird er getötet, ist der Charakter und der Spieler aus dem Spiel. Wird der Charakter wahnsinnig, ist er nicht mehr SPIELBAR! Der Charakter wird zum NSC und der Spieler ist aus dem Spiel.
Aber was ist bei sozialen Konflikten?
Der liebevolle Familienvater wird von einer NSC-Verführerin mit Edge "Fatal Attraction" so sehr eingewickelt, daß seine Frau sich scheiden läßt, er den Umgang mit seinen Kindern untersagt bekommt, und der deswegen zum Alkoholiker wird, der sich, nachdem die NSC-Verführerin ihn fallen läßt, als Geisterfahrer umbringt. - Tolle Wurst!
Das ist NICHT MEIN CHARAKTER!
Das ist das Gefühl, das sich mir bei solchen die sozialen Beziehungsgeflechte angehenden Konfliktsystemen einstellt.
Wenn ICH als SPIELER das möchte und für interessant und spielenswert halte, daß ich meinen SC auf eine soziale Abwärtsspirale setze, dann ist das ein Ding. Aber wenn es mir von den Regelmechanismen aufgedrückt wird und ich merke, wie ich mir mehr und mehr von meinem Charakter löse, weil ich eben KEINEN Frauenschläger, Kindesmißhandler, Alkoholiker spielen wollte, diesen Charakter aber eben NICHT AUS DEM SPIEL genommen bekomme (wie dies bei Tod oder Wahnsinn der Fall wäre), dann befriedigt mich das nicht nur nicht, sondern es gefällt mir eigentlich überhaupt nicht.
Und da ist es auch egal, ob ein soziales Konfliktsystem noch so detailliert umgesetzt ist oder ob es noch so im Einklang mit allen anderen Konflikten abläuft wie bei HeroQuest. - Es greift MIR zu sehr in MEINE FREIE CHARAKTERGESTALTUNG ein. Mehr und vor allem auf unangenehmere Weise als dies bei physischen Kampfsystemen oder Furcht-/Wahnsinns-Systemen der Fall ist.
Daher meine ich, daß SW solche Art sozialer "Kampfsysteme" wirklich NICHT braucht.