Mir ist es wichtig, dass das Abenteuer...
1. Den Regeln entspricht
Neulich habe ich ein kostenloses Abenteuer von Midgard Online gespielleitet ("Die lange Nacht des Rowan de Soel"). In dem Abenteuer wurde an zwei Stellen darauf hingewiesen, dass hier bewusst von den Regeln abgewichen wird und eine Kreatur bzw. ein NSC etwas können, was eigentlich nicht möglich ist. Ich empfinde so etwas als störend - das mag in Runden funktionieren, wo die Spielercharaktere auch nicht regelkonform sind und Ausnahmeregelungen haben. Mir ist es jedoch lieber, wenn auch der SL sich an die Regeln halten muss.
2. Gute Lagepläne hat
Ich hasse es, selber Pläne auszuarbeiten. Es kommen Dungeons, Burgen, verwunschene Wälder vor? Dann liefert mir doch bitte die Karte dafür. Ein Negativbeispiel wäre das DSA-Einsteiger-Abenteuer "Die Einsiedlerin", in der ein Dungeon vorkommt, aber zur Ausarbeitung dem Spielleiter überlassen wird. Ansonsten ist seltsamerweise reichhaltiges Kartenmaterial vorhanden.
2.b) NSC-Bilder usw. halte ich eigentlich für eine Selbstverständlichkeit.
3. Möglichst Ergebnisoffen ist
Dieser Punkt ist eng verbunden mit 1. Dass Abenteuer soll den Regeln entsprechen - dazu gehört, dass auch Kämpfe, Begegnungen und Aktionen von Nichtspielercharakteren nach Regeln verlaufen und möglichst nicht gescriptet werden. Wenn etwas auf jeden Fall geschehen soll, soll der NSC eben über gute Werte verfügen! Es kann nicht angehen, dass für Endgegner keine Spielwerte angegeben werden (Beispiele: Die DSA-Abenteuer "Erben des Zorns" und "Schlacht in den Wolken"). Damit dies den Erzählonkels dieser Welt leichter fällt, sei auch hier ein System mit Dramapunkten oder ähnlichem empfohlen.
Das Abenteuer sollte eine Problemlage anbieten und auch die mutmaßlichen Schritte, Motive und Möglichkeiten der Nichtspielercharaktere aufzählen. Aber es sollte nicht vorschreiben, wie es zu lösen ist. Ein gelungenes Beispiel ist hier die erste Hälfte vom DSA-Abenteuer "Der Inquisitor". Man hat einen Konflikt aufzulösen, der immer weiter eskaliert. Tun die Helden nichts, kommt es zur Katastrophe. Es hängt von ihren Aktionen ab, ob die Ereignisse ein gutes Ende finden und der Schuldige geschnappt wird.
Ich schreibe jedoch "möglichst ergebnisoffen", weil "ergebnisoffen" und "Railroading" gerne als Widerspruch geführt wird. Ich finde Railroading nicht so schlimm, wenn es derart gestaltet wird, dass die nächsten Schritte den Spielern plausibel erscheinen und sie diese von sich aus ergreifen. Eine Möglichkeit ist hier auch, die zeitliche Abfolge bestimmter Schritte selbst in die Hand zu nehmen - wenn es z.B. in der Hand der Spieler liegt, ob man erst den Zug nach Bern oder nach Straßburg nimmt, solang man überhaupt beide Orte besucht. Wie man dann dort agiert kann wieder ergebnisoffen angelegt sein. Angenommen ein NSC hat eine wichtige Information, dann sollen die Spieler von mir aus mit einem Hellsichtzauber da dran kommen - es ist für die Handlung doch unerheblich, wenn sie nun erstmal die Cousine des NSC aus den Klauen der Sekte retten müssen, damit sie an die Info kommen... Gewisse Einschränkungen in der Handlungsführung für ein vorgefertigtes Abenteuer finde ich also in Ordnung.
4. Eine tolle Handlung bietet
Nämlich eine, die ruhig mal ein wenig komplexer ist und auf die ich selber nicht gekommen wäre.
Dazu gehört für mich auch, möglichst nicht auf bekannte Strukturen zurückzugreifen. In vielen DSA-Abenteuern wird ein "Überraschungseffekt" hergestellt, indem man einen Auftrag erhält, der vor Ort angekommen mit dem eigentlichen Problem aber nichts mehr zu tun hat. So etwas wird von Spielern schnell durchschaut. Entweder sollte der Autor sich neue, überraschende Überraschungen ausdenken oder gleich darauf verzichten und einfach mal mit dem Plot beginnen.
5. Hintergrundelemente besonders dicht einbaut
Es sollte kein Allerweltsabenteuer sein, sondern ich möchte, dass das Abenteuer von den Gegebenenheiten vor Ort Gebrauch macht und den Hintergrund möglichst intensiv einbindet. Ein vorgefertigtes Abenteuer wird probegespielt und lektoriert - da sollte es nicht nur keine Fehler geben, sondern von den Hintergrundelementen sollte auch in hohem Maße Gebrauch gemacht werden. Das Abenteuer sollte den Eindruck vermitteln, in einer lebendigen Welt stattzufinden.
6. Einen guten Stil hat
Ja, irgendwie nicht zu vernachlässigen. Im Idealfall macht ein Abenteuer sogar Spaß zu lesen. Aber mir geht es hier im Detail auch noch um etwas anderes - nämlich falsche Hoffnungen:
In DSA-Abenteuern gibt es gelegentlich Hinweise, dass diese Szene nun ganz toll und so und so bei den Spielern ankommen werde. Als SL ist man ziemlich enttäuscht und fragt sich, was falsch gelaufen ist, wenn die Spieler anders reagieren. (Meiner Erfahrung nach reagieren sie IMMER anders.) Bei Earthdawn gibt es dagegen für einzelne Szenen einen Hinweis zur Atmosphäre - ganz neutral, ohne den SL heiß darauf zu machen. Komischerweise hat es bei Earthdawn dann aber doch immer wieder geklappt, wenigstens halbwegs diese Atmosphäre herzustellen. Zumindest hatte ich nie das Gefühl, dass es völlig in die Hose ging. (Außer bei NSC. Es gelingt mir nie, NSC absichtlich sympathisch darzustellen. Wenn das geschieht, überrascht es mich eher selber.) Am liebsten war es mir aber, als ich die Witchfire-Kampagne für Iron Kingdoms gespielleitet habe. Da waren solche Informationen gar nicht gegeben und das hat wunderbar funktioniert - die Spieler haben zwar irgendwie auf die Szenen und die NSC reagiert, aber das war nie enttäuschend und es war für mich dann auch interessant zu sehen, zu wem welche Bande geknüpft wird. Ich würde also sagen: Das vorgefertigte Abenteuer sollte "können", entweder keine falschen Erwartungen beim SL zu wecken oder aber verdammt noch mal so perfekt sein, dass diese Erwartungen auch erfüllt werden können.
Soweit erst mal. Geschrieben habe ich das aus der Perspektive eines Rollenspielers, der selber unzählige vorgefertigte Abenteuer gespielt und fast ebenso viele gespielleitet hat. Der zudem in den letzten ~5-8 Jahren von diesen Abenteuern zunehmend frustriert war ob der Mängel und des fehlenden Spielgenusses.