Autor Thema: Handwedelei  (Gelesen 2235 mal)

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Offline sindar

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Handwedelei
« am: 22.07.2011 | 11:39 »
Dieser Thread (und sein Vorgaenger) aus dem Theoriebereich haben mich ein wenig zum Nachdenken gebracht: Was bringt Handwedelei eigentlich, wann ist sie sinnvoll, wann entwertet sie Entscheidungen, wann stoert sie einfach?

Unter "Handwedelei" verstehe ich, dass einfach jemand beschliesst, was geschieht oder nicht geschieht, ohne sich in dem Moment gross um die Spielregeln zu kuemmern; ich schliesse hier so etwas wie Gruppenvertraege ausdruecklich aus, denn meiner Ansicht nach gehoert sowas zu einem Gruppenvertrag dazu, wenn es ihn denn gibt! Wer darunter etwas anderes versteht oder mit meiner Definition nicht klarkommt, moege das in seinem Post bitte darlegen. Danke schoen! :)
Ich eroeffne den Thread absichtlich hier und nicht im Theorieboard, weil ich hier eher an Erfahrungsberichten interessiert bin, ebenso an Beschreibungen, wie denn das uebliche Vorgehen in den Gruppen so ist. Wenn jemand eher an theoretischen Ueberlegungen dazu interessiert ist, koennen wir das gerne in einem weiteren Thread im Theorieboard ausdiskutieren.

Ich mache dann mal den Anfang: In unserer derzeitigen DSA-Gruppe wird sehr viel gehandwedelt. Der Grund ist einfach: Wir spielen theoretisch DSA4.1, sind aber alles Alt-DSAler, die lange zuvor mit sowas wie DSA2 oder gar DSA1 begonnen haben. Den Sprung auf das Regelmonster DSA4 haben wir nie so recht auf die Reihe bekommen. Daher wissen wir oft gar nicht, was die Regeln gerade eben vorschreiben. Die Entscheidung trifft am Ende immer der derzeitige Meister (wir spielen mit rotierendem Meisterposten), aber durchaus nach Absprache mit den Spielern. Tatsaechlich habe ich gelegentlich Schwierigkeiten, festzustellen, wer denn jetzt die Entscheidung getroffen hat, oder ob es gar eine Gemeinschaftsentscheidung war. Es funktioniert bestens, und bisher sind alle damit zufrieden.

Ein paar Beispiele: Mein Druide ruft des oefteren Elementare. Inzwischen gibt es da einen Regelwust mit Diensten, Wunschvolumen und was weiss denn ich (oder vielmehr: Ich weiss es nicht ;D). Bei uns laeuft das so: Ich zaubere, dabei sage ich, was ich von dem Elementaren moechte, bisher immer auch, warum ich das moechte. Der Meister ueberlegt dann, ob das dem Elementaren passt (war bisher immer der Fall, weil es bisher immer gegen daemonisches Wirken ging), und wie der das am besten hinkriegt. Ausserdem natuerlich, ob so ein einfacher Elementarer Diener dafuer ueberhaupt taugt. Dann beschreibt er, was passiert. Fertig.
Anderes Beispiel: Da war ich Meister und habe ein Uralt-AB geleitet ("Durch Zeit und (T)Raum", wenn es jemand kennt). Da kamen Eisspinnen vor, und der Beschreibung nach war das Eis an ihrer Oberflaeche verantwortlich fuer ihren hohen Ruestungsschutz. Da steht auch, dass das Eis bei Treffern zersplittert. Einer hat so ein Vieh mit (glaube ich) einer Axt richtig gut getroffen, und ein anderer hatte zwei Kurzschwerter und die Sonderfertigkeit "Gezielter Stich". Er hat angesagt, die Luecke treffen zu wollen. Ich habe erstmal eine um (glaube ich) 4 erschwerte Attacke gefordert, dabei habe ich mich daran orientiert, wie schwer ein Arm zu treffen ist. Als der Spieler mir dann die Sonderfertigkeit gezeigt hat, haben wir beide kurz nachgedacht und dann gleichzeitig vorgeschlagen, die Erschwernis zu halbieren. Keiner von uns weiss, was "Gezielter Stich" eigentlich ist, "Wege des Schwertes" war gerade auch nicht greifbar, also haben wir es einfach so gemacht.

Wie ist das bei euch? :)
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Offline ClockworkGnome

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Re: Handwedelei
« Antwort #1 am: 22.07.2011 | 11:47 »
Ich mache dann mal den Anfang: In unserer derzeitigen DSA-Gruppe wird sehr viel gehandwedelt. Der Grund ist einfach: Wir spielen theoretisch DSA4.1, sind aber alles Alt-DSAler, die lange zuvor mit sowas wie DSA2 oder gar DSA1 begonnen haben. Den Sprung auf das Regelmonster DSA4 haben wir nie so recht auf die Reihe bekommen. Daher wissen wir oft gar nicht, was die Regeln gerade eben vorschreiben. Die Entscheidung trifft am Ende immer der derzeitige Meister (wir spielen mit rotierendem Meisterposten), aber durchaus nach Absprache mit den Spielern. Tatsaechlich habe ich gelegentlich Schwierigkeiten, festzustellen, wer denn jetzt die Entscheidung getroffen hat, oder ob es gar eine Gemeinschaftsentscheidung war. Es funktioniert bestens, und bisher sind alle damit zufrieden.

+1
Das haben wir durchaus schon in verschiedenen Systemen so gemacht, wenn uns Regeln zu kompliziert waren wurde eben in Absprache mit der Gruppe entschieden was jetzt logischerweise passiert statt nachgerechnet.

Außerdem ist Handwedelei immer bei Dingen beliebt, die nun eigentlich gar nicht wirklich wichtig sind. Z. B. auf die Frage, ob es am Hafen ne Kneipe hat um ein Bier zu trinken. Das entscheidet der SL meistens aus dem Bauch heraus, statt nun die Karte oder den Quellenband danach abzusuchen (am besten dann noch mit Preis und Qualitätsangabe zum berechnen des Bierpreises  ~;D ).

Offline sindar

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Re: Handwedelei
« Antwort #2 am: 22.07.2011 | 11:50 »
Stimmt, das sind auch gute Beispiele. Das laeuft bei uns ebenso ab.
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Offline 1of3

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Re: Handwedelei
« Antwort #3 am: 22.07.2011 | 11:56 »
Zitat
Was bringt Handwedelei eigentlich, wann ist sie sinnvoll, wann entwertet sie Entscheidungen, wann stoert sie einfach?

Sie kann eine Abkürzung sonst langwieriger Formalismen bringen. Sie ist in Ordnung, wenn niemand etwas dagegen hat.

Ist doch ganz einfach oder?

ash70

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Re: Handwedelei
« Antwort #4 am: 22.07.2011 | 12:20 »
Es funktioniert bestens, und bisher sind alle damit zufrieden.
Solange das so ist würde ich da gar nicht weiter drüber nachdenken. Sonst fängt man nur an sich bei jedem Handwedeln die Frage zu stellen ob das jetzt gut ist oder nicht und ist am Ende unzufrieden weil man sich einfach zu viele Gedanken macht (kommt selten vor, passiert aber).

Bei uns läuft das genauso. Wenn es zu irgendeiner Situation keine Regel gibt bzw. wir sie alle nicht kennen dann wird eine schnelle Entscheidung getroffen. Ist auf jeden Fall besser als den halben Abend damit zu verbringen Regelbücher zu lesen.
Wir habe auf die Art auch schon Situationen abgekürzt in denen zumindest einer am Tisch saß der die genauen Regeln kannte weil wir alle der Meinung waren, dass die Regeln viel zu kompliziert sind.

Offline Esmeroth

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Re: Handwedelei
« Antwort #5 am: 22.07.2011 | 14:59 »
 :d
Ich bin der Meinung dass Handwedelei ein ganz passables Mittel ist um Situationen zu regeln (oder eben zu bestimmen) die sonst ewiges forschen in Regelwerken erfordert hätten.
In meiner DSA-Gruppe wird auch viel Gewedelt, das trägt aber meistens zum Flair bei und unterbricht die Immersion der Spileer nicht. Ist einfach schöner zu hören: "Ja, soundso läufts." Als : "Äh...da muss ich erst Regelbuch X, Paragraph 15 nachschauen und ausrechnen...bla".
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Offline Scimi

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Re: Handwedelei
« Antwort #6 am: 22.07.2011 | 15:08 »
Das ist ja auch in der wirklichen Welt so, in Institutionen, wo Informationsaustausch streng geregelt und hierarchisch ist, geht man gern den "kurzen Dienstweg" am Kaffeeautomaten.

Offline Oberkampf

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Re: Handwedelei
« Antwort #7 am: 22.07.2011 | 15:17 »
Bei Nebensächlichkeiten ohne Folgekonsequenzen schau ich auch nicht ins Regelwerk. Selbst bei Ereignissen mit fast 100%igem Ergebnis, die in der Theorie wichtig sein können (erfahrene Gruppe hat alle gegner bis auf einen Goblin besiegt, der theoretisch noch einmal super treffen könnte) nehme ich den "kurzen Dienstweg" (schöner Vergleich, Scimi  :d )

Ansonsten ist das auch nahe beim Scene Framing. Lange, uninteressante Reisen durch fast sichere Gebiete gelingen einfach ohne Probleme, Schwamm drüber, weiter gehts bei der Ankunft am Ziel. Kopfloses Stimmungsspiel ("ich geh in die Kneipe und bestell mir ein Bier") handwedele ich mit Erlaubnis der Spieler auch nach Möglichkeit weg.

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Offline 1of3

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Re: Handwedelei
« Antwort #8 am: 22.07.2011 | 15:34 »
Zitat
Lange, uninteressante Reisen durch fast sichere Gebiete gelingen einfach ohne Probleme, Schwamm drüber, weiter gehts bei der Ankunft am Ziel. Kopfloses Stimmungsspiel ("ich geh in die Kneipe und bestell mir ein Bier") handwedele ich mit Erlaubnis der Spieler auch nach Möglichkeit weg.

Das ist aber etwas ganz Anderes oder? Hier wird keineswegs ein etablierter Regelmechanismus umgangen, sondern es wird einer genutzt: Nämlich die Regeln zum Scene Framing.

Offline Bad Horse

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Re: Handwedelei
« Antwort #9 am: 22.07.2011 | 16:25 »
Hier gibt es auch schon eine Diskussion zu dem Thema.
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Offline sindar

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Re: Handwedelei
« Antwort #10 am: 22.07.2011 | 18:08 »
Ah, dann gibt's den von mir vorgeschlagenen Parallelthread im Theorieboard schon? Gut zu wissen, danke! (Da schaue ich nur sehr selten rein.)

Sie kann eine Abkürzung sonst langwieriger Formalismen bringen. Sie ist in Ordnung, wenn niemand etwas dagegen hat.

Ist doch ganz einfach oder?
Der Post bringt es prima auf de Punkt, danke schoen! :d
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Offline Oberkampf

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Re: Handwedelei
« Antwort #11 am: 23.07.2011 | 00:30 »
Das ist aber etwas ganz Anderes oder? Hier wird keineswegs ein etablierter Regelmechanismus umgangen, sondern es wird einer genutzt: Nämlich die Regeln zum Scene Framing.

Ja, hast recht, war ich wohl ungenau. Ich meinte den Fall, dass Situationen zwar evtl. ausspielbar sind, aber von so geringer Bedeutung, dass ich sie lieber abkürze. Regeln für Überlandreisen (bei Midgard sogar mit Wetter auswürfeln!) wende ich nur an, wenn ich davon einen Unterschied für den Spielverlauf erwarten kann.
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