Es gibt vier Kernmechanismen (ich nenne sie den Viertakter), die im Odyssys die Regeln antreiben. Im Sinne der
Stringenz übersetzen zwei Maßstäbe die Fantasie in trockene Zahlen (dB-Skala und Effizienz). Als Vertreter der
Spannung fällen zwei Schiedsrichter ihr unbestechliches Urteil (Würfel und Karten).
Die dB-Skala
Der universelle Maßstab für Eigenschaften von Figuren, Situationen, Handlungen und Gegenständen ist nach oben und unten offen: die sogenannte Dezibel-Skala. Als Orientierung wird die normale Ausprägung einer beliebigen Eigenschaft (aus menschlicher Perspektive) als Null (±0) definiert. Der wichtigste (und übliche) Werterahmen reicht von -5 bis +5.
1.) OK, erstes Eingeständnis: ich bin ein Geek und ich mag Mathe! Zweitens: ich verdiene meine Brötchen als Tontechniker!
Ernsthaft: ich schätze Skalen, die wie Modifikatoren funktionieren. Sie erlauben es, bei Bedarf mehrere Eigenschaften zu addieren, um einen höheren Detailgrad zu simulieren. Keine Mittelwert-Bildung, keine primär-sekundär Attribute etc. Außerdem kann man auf ihnen so ziemlich alle Figuren und Kreaturen zueinander ins Verhältnis setzen - vom Floh bis zu Androiden-Dinosaurier. In diesem Sinne ist die dB-Skala
universell und
absolut.
2.) Wichtig war mir außerdem
eine einheitliche Skala zu haben, die Fähigkeiten, Proben, deren Schwierigkeiten und anderes abdeckt. Es erleichtert mMn die Eingewöhnung und den Spielfluß.
3.) Die Idee einer logarithmischen Skala stammt (für mich) aus dem D6-System und einer Diskussion im FERA. Es geht darum, dass ein Schritt auf der Skala nicht für eine feste Größe (z.B. 20kg mehr) steht, sondern ein Verhältnis repräsentiert (etwa ein Viertel mehr). Ich benutze diese Bild für mich um Beschreibungen, Schwierigkeiten und die Konsequenzen von Proben einzuschätzen. Dass ich dabei auf die Dezibeleinheit zurück greife, bot sich an, da ich sie (soweit bei Logarithmik möglich) recht übersichtlich finde.
(+3 oder +6 entsprechen einer Verdopplung des Gemessenen.)Soviel Mathe scheint aber nicht jedermanns Ding zu sein. Also ist weder die Kenntnis von logarithmischer Rechnung noch von Dezibeln zum Spielen notwendig. - Ich biete die entsprechende Ausführung nur optional an.
Die Effizienz
Jede Handlung hat noch eine weitere Dimension, die nicht auf der dB-Skala liegt. Diese kann z.B. bestimmen, wie dramatisch, schnell oder gefährlich ein Handlung war. Es handelt sich um die Effizienz - einen Wert der niemals kleiner als Eins oder größer als Dreizehn ist. Tatsächlich sind 1 und 13 gleichbedeutend und stehen für das sogenannte
Ass - den Optimalfall. Die übrigen Effizienzen reichen von Zwei bis Zwölf (je höher desto effizienter).
Die Effizienzen können von Modifikatoren nach der dB-Skala verändert werden. Fallen sie dabei unter Eins, so wird erneut von Zwölf runter gezählt, steigen sie hingegen über Dreizehn, so wird wieder von Zwei hoch gerechnet. Das Prinzip ist ziemlich altbacken, wir kennen es alle von der Uhrzeit.
Um aus Effizienzen neue Eigenschaften (auf der dB-Skala) abzuleiten, werden je drei Schritte zu einer schwachen (2-4), mittleren (5-7), starken (8-10) oder extremen (11-Ass) Stufe zusammengefasst. So entsprechen sie einem dB-Wert von Null bis Drei. (Das Vorzeichen hängt davon ab, welcher Natur die neue Eigenschaft ist.)
Die Effizienz ist eine umfassendere Implementierung meines
Kill'O'Meters. Sinn des Ganzen ist es, für Aktionen einen weiteren, diesmal begrenzten, Maßstab zu haben. Die Effizienz ist also
individuell und
relativ. Sie beschreibt nur die Möglichkeiten der Figur und der jeweiligen Handlung. Eine Handlung kann auf der dB-Skala effektiv (d.h. erfolgreich) wirken und trotzdem sehr ineffizient sein (z.B. energiezehrend, langsam oder kaum Schaden anrichten). Andererseits kann sie auch mit extremer Effizienz scheitern (und so richtig in die Hose gehen).
Der zyklische "Uhr-"Charakter hat folgenden Grund: Modifikationen verändern nicht, welche Werte überhaupt erreicht werden können. Statt dessen verschieben sie die
wahrscheinlichste Effizienz (unmodifizert: sieben). Eine Handlung die mehr zu extremen Effizienzen tendiert, hebt dabei auch ein Stück weit die Chancen für schwache Effizienzen. Ursprünglich war dies ein Anspruch an Waffenschaden, der sich in Testspielen aber bei allen möglichen Proben bewährt hat. (Beispiel: Ich gebe mich in einer Bar als machomäßiger Aufschneider... entweder gefällt das der Kellnerin richtig gut, oder sie hält mich für einen schmierigen Aufschneider. Mittelmaß ist kaum drin...)
Es hat sich herausgestellt, dass die Beeinflussung der Effizienz mittels der dB-Skala (-5 bis +5) gut funktioniert. Da über die Stufen gleichzeitig neue dB-Werte etabliert werden können, erfüllt sich hier auch mein persönlicher Anspruch an eine Verzahnung der beiden Messlatten.
EDIT:
Würfel (WdB)
Das Odyssys nutzt ausschließlich zwei W6 in unterschiedlichen Farben (funktioniert ähnlich wie z.B.
FreeFate). Einer wird als Plus-, der andere als Minus-Würfel definiert. Es zählt die niedrigere Augenzahl für den
Effekt einer Handlung (auf der dB-Skala), die Farbe bestimmt das Vorzeichen. Gleichzeitig ist die Summe beider Würfel (ohne Vorzeichen) mit 2-12 die
Effizienz auf der "Uhr".
Ein solcher Wurf, der Werte im Rahmen -5 bis +5 liefert, passt optimal zur dB-Skala (und es gab' s schon damals bei MythOS). Ich persönlich mag die Wahrscheinlichkeitsverteilung von zwei Würfeln. Da mehrere Eigenschaften für Proben addiert werden können, brauchen die Würfel eine gewisse Streubreite. Dennoch kommt es meinem Erzählgefühl entgegen, wenn Handlungen zu Durchschnittsergebnissen tendieren. (Ich mag z.B. auch Fudge-Würfel, aber für addierte Werte varrieren sie mir zu wenig.)
Die Idee, gleichzeitg die Summe des Wurfes zu nutzen, hat sich schon in den ersten Testspielen als gut brauchbar und beschleunigend erwiesen. Der Werterahmen 2-12 ermöglicht die Effizienz als Uhr.
Die beiden Resultate Effekt und Effizienz hängen voneinander ab (im Gegensatz zur ORE). Es handelt sich also um etwas Anderes, als einfach nur die Zeitersparnis gegenüber zwei einzelnen Würfen. Dies äußert sich so, dass extreme Effekte (egal ob gut oder schlecht) immer weniger streuen und zu hohen Effizienzen tendieren. Eine hohe Effizienz mit negativem Effekt ist dementsprechend dramatisch schief gegangen. Eine Ausnahme bildet der "Normeffekt" Null, der mit der niedrigsten bis zur höchsten Effizienz einhergehen kann.
Dieses Spielgefühl hat sich in den Testrunden durchgesetzt; wir wollten den "Knaller-Wurf" haben: +5 Effekt mit 11 als Effizienz. Es ist auch möglich Effekt als W6-W6 abzulesen und gleichzeitig W6+W6 als Effizienz zu werten. Diese zweite Würfel-Variante fühlt sich "bodenständiger" oder auch "gritty" an - extreme Effekte führen zu durchschnittlicher Effizienz und extreme Effizienz gehen einher mit normalen Effekten.
Handlungskarten
Das Odyssys verwendet Tarotkarten (kleines Arakana), vergleichbar mit Schicksalspunkten: sie werden ausgegeben für besondere Handlungen, Boni und eingeschränkte Erzählrechte. Entsprechend zu den Würfeln geht jede Karte sowohl mit einem Effekt (nur positiv) als auch einer Effizienz einher:
Zahlenkarten (2-10) = Effekt +2, Effizienz wie Zahl
kleine Bildkarten (Bube & Ritter) = Effekt +3, Effizienz 11
große Bildkarten (Königin & König) = Effekt +4, Effizienz 12
Ass = Effekt +5, Effizienz 1 bzw. 13
Die Farben des Tarots beziehen sich (ganz traditionell interpretiert) auf die Eigenschaften der Figuren, indem sie zu vier sogenannten
Kategorien gehören: Stäbe = Bewegung; Scheiben = Kräfte; Schwerter = Verstand; Kelche = Seele.
FATE-Punkte, Style-Dice bei PDQ#, der Punktekreislauf bei Western City, Bennies by Savage Worlds... schon die alten Schicksalspunkte in KULT... alle diese Systeme taugen dazu, dramaturgische Beweggründe in Regelereignisse und damit Spielgeschehen umzusetzen. Auch ich wollte hierbei ein System, das einen Kreislauf ermöglicht: nachteiliges, rollengerechtes Ausspielen wird mit Karten entlohnt - besondere Handlungen und Erzählrechte werden mit Karten erworben.
Im Punkto Spielmaterial war mir wichtig, dass möglichst viele Eigenheiten von Spielkarten zum Einsatz kommen - ihre Zahlenwerte, ihre Farben und im Sinne der Bilder auch das Geschlecht (siehe Attribute). Tatsächlich entstand die Idee zum Tarot zu greifen, in dem Moment, als sich meine acht Attribute (s. PDF oder später im Forum) herauskristallisierten und in vier Kategorien eingeteilt wurden. In den Alphatests führte die Verwendung der Karten zu besonderen Momenten ("Yeah, ein Ass!") und phantasievollen Beschreibungen (die Farbe schränkte die möglichen Aktionen im Sinne des Creative Constraints ein). Außerdem ist es vor allem den Tarot-Karten anzulasten, dass das Odyssys zu mystischen Erzählungen tendiert.
Als Verzahnung greifen Spielkarten schön in das Prinzip der 2W6 (2 bis 12, inkl. Sonderstellung des Ass) - dass die Effekte nur positiv sind macht ebenfalls Sinn, schließlich sollen Gummipunkte von Vorteil sein...
Im Spiel entstand aus der Möglichkeit, Karten als Potential für besondere Handlungen zu interpretieren, auch eine Lösung für das Konfliktsystem. Und zwar eines, das mir nach vielen vergeblichen anderen Ansätzen endlich zusagte - dazu später mehr.
Schlußendlich ist es recht einfach möglich das kleine Arkana durch ein handelsübliches Rommé-Spiel oder auch Mahjongg-Steine zu ersetzen. (Letzteres hat uns bei einem Eastern-Oneshot sehr viel Spaß und Atmosphäre beschert.)
Bezüglich einer sinnvollen, optionalen Nutzung des großen Arkanas befinde ich mich derzeit im Stadium des Experimentierens...
Soweit - ich hoffe auf Intresse und Kritik... und auf die Zeit bald einen Thread zu den Charakterregeln online zu stellen.
Koffeinhaltige Grüße, Henning