Hm, das läuft hier ja im Prinzip darauf hinaus, dass Spielleiterwillkür und Railroading durch den SL (nach Definition der Forge, also Handlungsbeschneidungen gegen den Willen der Spieler) weitgehend als Synonyme aufzufassen sind.
Vielleicht deshalb die Frage, sonst könnte man Spielleiterwillkür zukünftig schlicht direkt und komplett zum Railroading packen und zur Tagesordnung übergehen: gibt es eine Situationen, in denen sich Spielleiterwillkür NICHT in Form eines Railroading manifestiert?
Mir fallen spontan dazu so Punkte ein wie:
- Beschränkungen beim Charakterbau
- Vergabe von Erfahrungspunkten
- Verteilung von Spotlight
- Reaktionen von NSC
Wenn ich dann noch mal darüber nachdenke, würde ich als übergeordnete Kategorie für sämtliche Phänomene von Railroading bis Spielleiterwillkür den Bereich der Fairness/Gerechtigkeit heranziehen. Dabei unterscheidet man, etwas vereinfacht, drei verschiedene Formen: die distributive Fairness (Wer bekommt was?), die prozedurale Fairness (Wie wurde entschieden, wer was bekommt?) und die interaktionale Fairness (Wie wurde ich behandelt?).
Möchte man also für Rollenspieler Handlungsempfehlungen aus den endlosen Debatten um Railroading und Spielleiterwillkür ableiten, dann kann man über das bereits in diesem Thread Festgestellte (geht mit Augenmaß, GMV und sozialer Kompetenz vor) vielleicht die empirisch bereits aus der Wissenschaft bekannten Dimensionen übernehmen. Habe gerade nicht genügend Zeit, das hinlänglich darzustellen. Deshalb erst mal nur kurz:
Wer bekommt was? Menschen beurteilen ihre Situation nicht rein auf sich bezogen, sondern vergleichen das Verhältnis zwischen ihrem Input und Output immer mit Personen aus einer "Peer-Group", also in unserem Falle den anderen Spielern. Das hat sich Herr Adams gegen Ende der 60er ausgedacht und empirisch unterfüttert. Mehr dazu
hier.
Wie wurde entschieden, wer was bekommt? Das ist für uns Rollenspieler noch entscheidender. Hier kratzen wir nämlich an der Frage, weshalb uns Spielleiterwillkür und Railroading am Spieltisch so tierisch auf den Senkel gehen. Je nachdem, wen man so fragt, erhält man Determinanten der Wahrnehmung prozeduraler Gerechtigkeit. Das sind dann beispielsweise Status, Neutralität und Vertrauen oder Transparenz, Konsistenz und Partizipation.
In Summe bedeutet das: stellt sicher, dass Ihr in Eurer Runde die Spielregeln erstens gemeinsam aufstellt (Partizipation). Zweitens müssen sich alle zwingend an die so vereinbarten Regeln halten (wenn Railroading dem SL also als Kompetenz eingeräumt wurde, muss der das auch tun dürfen; sonst hat er das aber zwingend zu unterlassen). Und drittens müssen Entscheidungen nachvollziehbar gemacht werden, entweder durch offenes Würfeln am Spieltisch oder aber bei verdecktem Würfeln der Frage im Nachgang, ob und weshalb der SL in dieser oder jener Szene an den Würfeln gedreht hat (Transparenz). Wie auch immer sich eine Gruppe entscheidet: werden diese drei maßgeblichen Kriterien eingehalten, werdet Ihr in dieser Hinsicht wenig Stress am Spieltisch haben.
Es gab zu diesem Thema übrigens mal einen Thread, der über die prozedurale Fairness die Attraktivität und Vorzüge von ARS erklärte.
Hier. Da steht dann auch noch etwas mehr zum Thema (wenngleich die alternativen, theoretischen Erklärungsmodelle vollkommen weggelassen werden; ehrlicher Weise gibts in der bedeutsamsten Lesart ohnehin insgesamt 11 Kategorien für prozedurale Gerechtigkeit, aber das können wir gerne wann anders diskutieren).
Die Extrabox auf Seite 17 mit dem Namen "When hard becomes too hard" unter "second": "Make die rolls (...) behind your screen, so you can turn a hit into a miss (...)"
Es ist eine Maßgabe, um die Motivation neuer Spieler nicht abzulöschen, wenn sie ihrem ersten schweren Encounter begegnen. Grundsätzlich kann sich aber jeder SL auf diese Seite berufen, wenn er gerne die Ergebnisse palmieren und "hinschummeln" möchte.
Dies widerspricht für mich allerdings durchaus dem sonstigen "Geist der Regeln" (wenn es überhaupt so etwas gibt).
Tatsächlich. Und ich stimme Dir zu: das läuft dem Geist der Regeln tatsächlich vollkommen entgegen. Deshalb hatte ich mich ja so gewundert.