Nabend
Ich überlege nun schon geraume Zeit, wann eine von Spielern benutzte Technik anfängt, der Immersion zu schaden, vor Allem in Bezug auf Player Empowerment.
Angeblich soll durch geringere PE-Regeln Immersion verbessert werden und eigentlich klingt das auch plausibel: Wenn der SL z.B. in einer Kampfszene genau festlegt, wo sich was im Raum befindet, kann das umständlich und störend sein. Weder ellenlange Erklärungen zu Beginn der Szene noch ständiges Nachfragen seitens der Spieler helfen dabei, sich in einen Charakter hinein zu versetzen. Auch nach eigenen Erfahrungen erhöht es den Spielfluss, wenn Spieler Details der Beschreibung selbst festlegen können - und fördert damit Immersion. Wenn ich kurz und knapp erkläre, dass sich die Charaktere in einem Speisesaal befinden, dann ist es mir nur recht, wenn sie Stühle, Kronleuchter, etc. dort platzieren, wo es ihnen gerade passt.
Auch wenn man Spielern mit abwesenden Charakteren zeitweilig die Kontrolle über NSCs zusteht, ist dies mE spielfördernd und schränkt auch keinesfalls Immersion ein.
Allerdings geht, wie mir scheint, größere Kontrolle über das Spielgeschehen auch mit häufigeren Brüchen mit der Rolle einher. Wenn ich zwei Charaktere gleichzeitig in der selben Szene spiele, muss ich sehr häufig hin und her springen und habe nie die Zeit, mich in einer bestimmten Rolle richtig einzufinden. Es scheint also nicht mit Immersion vereinbar, dass ein Spieler gleichzeitig seinen SC und einen NSC kontrolliert. Eine relativ gesichtslose NSC-Gruppe ohne gleichzeitige SC-Gruppe scheint allerdings wiederum ohne Probleme machbar, solange sie als Kollektiv handelt.
Beispiel: "Die Räuberbande umkreist euch. Der Anführer spricht: ..." Hier sind die übrigen Räuber eigentlich nur zusätzliche Arme des Anführers. Blöd wird es erst, wenn sich der Anführer nun mit dem SC des Spieler unterhalten soll.
Auch das Einfügen von Objekten in die Spielwelt scheint ähnlichen Regeln unterworfen: "Ich gehe in die Kirche" setzt voraus, dass in der Nähe eine Kirche existiert. Ein Übereinkommen, dass Spieler Objekte selbst in die Spielwelt einfügen können, scheint unproblematisch, so lange das Einfügen in einer SC-Handlung verknüpft ist.
Auch wenn die Vergangenheit eines Charakters erst festgelegt wird während der Spieler in der Rolle des Charakter davon berichtet, muss das nicht der Immersion schaden.
Ich glaube, wenn diese Handlungen ihren Bezug zueinander verlieren, kann ein Bruch zwischen Spieler und Charakter entstehen, z.B. "In der Menge steht ganz vorne ein komisch aussehender Typ. Über den mache ich mich lustig." vs. "Ich mache mich über den komisch aussehenden Typen ganz vorne lustig."
Möglicher Weise liegt der Unterschied darin: Im ersten Fall versucht der Spieler aktiv, ein Bild vor seinem geistigen Auge zu formen, wofür er seine Rolle verlassen
muss. Im zweiten Fall formt sich das Bild direkt aus dem Unterbewusstsein des Spielers und greift dann einfach innerhalb seiner Rolle darauf zu.
Einen Zweitcharakter zu spielen, scheint wiederum fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Andererseits stört es mich keineswegs in meiner Immersion nicht, wenn ich sage, dass mein Pferd langsamer wird und schnaubt statt dass "ich" anhalte. Möglicher Weise liegt das einfach daran, dass Pferd und Charakter eine handelnde Einheit bilden, weil sie gemeinsam agieren. Der Charakter bremst das Pferd und das Pferd hält an.
Nur wo hört diese Einheit auf und wo fangen Immersionsstörungen an? Einfach dort, wo der SC nicht mehr in irgendeiner Form als Werkzeug eingebunden wird sondern Elemente der Spielwelt ohne den Umweg über den SC manipuliert werden?
Es scheint mir so. "Ich streite mich mit dem Gardisten und als er böse wird und mich Richtung Stadttor schleift, beschimpfe ich ihn" wirkt auf mich immersionsfördernd. "Ich streite mich mit dem Gardisten. Er wird böse und schleift mich Richtung Stadttor, während ich ihn beschimpfe" wirkt auf mich eher immersionsstörend.
Liegt es wirklich einfach daran, dass Konditionalsätze eine andere Wirkung ausstrahlen als direkte Handlungen?
Wie schnell darf man den Charakter wechseln, um sich ständig in Immersion zu befinden? Darf man in auf Immersion abzielendem Spiel jede Szene den Charakter wechseln? Egal, wie kurz die einzelnen Szenen sind? Kann man es unter irgendwelchen spielabhängigen Bedingungen immersiv durchziehen, im 5-Sekunden-Takt zwischen zwei Charakteren hin und her zu springen oder verliert man automatisch die Identifikation mit beiden Charakteren? Ist das Sprechen in der ersten Person unbedingte Voraussetzung für Immersion? Ist es möglich, dass ein Spieler ganze Orte beschreibt ohne seine Immersion zu verlieren, indem er einfach wiedergibt, was sein Charakter beim Betrachten der Umgebung
denkt ("Was für wundervolle, hoch gewachsene Bäume... und hey, der Stein sieht aus wie Tante Annemarie... toll, es gibt hier sogar nen Fluss in der Nähe, hört sich jedenfalls so an...")?
Wo liegen die Grenzen der Immersion und mit welchen Tricks erreicht man es, Immersionsstörungen zu vermeiden?
(Damit meine ich nicht sowas wie das Einnehmen bewusstseinsverändernder Substanzen
)
Liebe Grüße
Seph