Was mich am meisten an PE ankotzt ist dass ich mich in Regelsysteme hineinbegebe, die mich tatsächlich oft meiner Erzählrechte berauben, die ich an einem Tisch mit diktatorischem SL aber bekommen würde.
Ein hpothetisches schlechtes Spielerlebnis ist immer schlechter als ein hypothetisches gutes Spielerlebnis. Aber nun gut. Ich nehme an, Du willst sagen, daß PE und PI kein Allheilmittel sind, und nicht in jeder Runde ihren Platz haben. Dem stimme ich uneingeschränkt zu.
Was nützt es mir, wenn ein anderer Spieler den Plot meines Charakters weitererzählt und alles was ich habe in die Pfanne haut, weil er einer ist, der am Rollenspieltisch sitzt um zu gewinnen, und nicht um eine coole Geschichte oder Rolle zu entwerfen.
Ich kann den Unterschied zwischen einem dikatorischen SL und einem destruktiven Mitspieler nicht erkennen. Konequenz für mich ist, daß ich mit solchen Leuten nicht mehr spiele.
Alle PE / SL-Spiele, die ich kenne, ziehen klare Grenzen, an die man sich hält, auch wenn man das Erzählrecht gewinnt; sonst ist es ein Regelverstoß.
PE ist in meiner Erfahrung auf Cons (meine regulären Spielgruppen mögen
das alle eher nicht) ein Rückschritt in kompetitive Spielwelten, die ich 1987, als ich mit D&D angefangen habe, frohgemut glaubte ein für alle mal zurückgelassen zu haben. Mittlerweile sitze ich aber wieder am Tisch mit empowereten Spielern, die vom Regelsystem dazu angehalten werden, gegeneinander zu spielen, indem man Einheiten einführt, mit denen Erzählrechte anderer Spieler gekauft werden
können und Ziele der anderen Charaktere kaputt gemacht werden usw (wie z. B. in Western City oder
Dust Devils).
Mit PE auf Cons hast Du ein anderes Problem: Viele Leute haben zum ersten Mal ein neues Spielzeug in der Hand und wollen testen, ob sie wirklich soviel Freiheit haben, wie man ihnen verspricht. Da tut man sich als SL hin und wieder schwer, einzugreifen. Das Mißverständnis hier ist, daß die Leute erstmal nicht begreifen, daß sie eben auch Verantwortung tragen, wenn sie eine Spielsitzung mitgestalten: Dafür, daß es keine Sackgassen gibt und dafür, daß alle – im Rahmen der vorgegebenen Regeln – ihre Rechte beibehalten.
Einen großen Unterschied gibt es meiner Meinung dennoch zwischen den kompetetiven Spielen der Vorzeit und dem "Wettbewerbs"-Anteil der Spiele aus der Universalis- und Capes-Tradition: Letztere funktionieren nur, wenn die "Verlierer" des Wettstreits um das Erzählrecht mit den Gewinnern kooperieren; und das geht nur, wenn man sich nicht gegenseitig auf die Sandburg pinkelt.
In der Tat gibt es bei Capes – dem Spiel für beliebig viele Spielleiter, wenn man so will (und das sag ich nicht nur, um 1of3 zu ärgern) – einige Berichte von ersten Spielerfahrungen, in denen beschrieben wird, daß das Spiel albern und ohne Tiefe war. Und doch bringt das Buch eine Anleitung zur Kampagnenplanung; ein längerfristiges, intensives Spiel ist auch mit Capes möglich, davon bin ich überzeugt.
EIn anderes Beispiel: Bei Einer Con-Runde Dogs in the Vineyard hat ein Mitspieler sein Pferd in einen Konflikt eingebracht, wo es darum ging, sich von seiner Mutter zu verabschieden. Isoliert betrachtet vielleicht albern (wir haben auch gelacht!), aber in seiner Gänze der Ansatz zu der Frage der Beziehung zwischen diesem Charakter und seinem Reittier – in einer Con-Runde natürlich kaum merkbar, weil eben nur ein klitzekleiner Ausschnitt eines Spiels betrachtet wird.
Ein drittes Beispiel: Bei einer Runde The Shadow of Yesterday hatten wir einen Mitspieler am Tisch, der bei der Spiel- und Weltvorstellung durch unglaublich aus- und abschweifende Anmerkungen zum Thema auffiel, und die gesamte Runde war doch sehr … gespannt, wie es mit diesem Spieler sein würde sobald das Spiel losging. Er war laut, aufgeregt, hat es vor Spannung kaum ausgehalten und dreimal gelang es ihm mühelos, die Aufmerksamkeit drei weiterer Conrunden auf sich zu ziehen. Und doch hat er - als das System sich gegen ihn wandte und seine Spielfigur ganz zum Schluß ein entscheidendes Duell verlor und als feiger Hund vertrieben wurde, mit glänzenden Augen dagesessen, und diese Niederlage nicht nur wie ein erwachsener Mensch getragen, sondern sich gefreut, daß die Geschichte, an deren Gestaltung er soviel teilhatte wie alle anderen am Tisch, ein passendes Ende erfahren hat.
Ein viertes Beispiel: Ein Mitspieler bei einer meiner ersten Dogs in the Vineyard-Runden dachte, er würde eine Deadlands-Variante spielen und hatte sich dementsprechend einen "etwas anderen" Charakter vorgestellt; mit tollen Eigenschaften – natürlich hat er schnell gemerkt, daß dies nicht das Deadlands ist, das er kannte, aber was ihn dabeigehalten hat war die Tatsache, daß seine Idee trotzdem Platz hatte und im Laufe der Geschichte ihren angemessenen Platz fand.
Sicherlich alles keine Dinge, die nicht auch mit einem wohlmeinenden Diktator-SL gegangen wären, aber nach meinem Dafürhalten trotzdem direkte Ergebnisse der PI/PE-Anteile dieser Spiele.
Ich hab aber auch noch ein paar Gegenbeispiele, wies eben nicht klappt:
In einer anderen Runde haben wir Dogs in the Vineyard mit einem Fantasy-Setting gespielt. Einer der Spieler war mit der ganzen Idee nicht ganz grün und hat sich dementsprechend stark zurückgehalten. Das Thema und seine mechanische Umsetzung lagen ihm nicht am Herzen; dann ist es Zeit ein anderes Spiel zu spielen. Da fällt mir auf: Bei Dogs in the Vineyard steht das so auch in den Regeln - Player Empowerment, weil explizit erwähnt; nur eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme, oder Platzverschwendung, weil eh klar ist, daß man solche Spiele nur mit Leuten spielen sollte, die Bock drauf haben?
In einer Primetime Adventures-Runde sind wir fast daran gescheitert, daß (für einen one shot wohlgemerkt!) zu viele Bedenken gegen den einen oder anderen Series Pitch erhoben wurden, anstatt einfach mal mit dem Spiel zu spielen und zu sehen, was passiert (dabei haben wir noch nichtmal bös thematisch gesponnen, und irgendwer war dann gegen Manga aber für Anime oder so…). Bevor wir loslegen konnten, hatten wir aus Müdigkeitsgründen zwei Spieler verloren, die Runde war dann aber doch sehr lustig.
Die Spione-Testrunde war nicht durch den Übermut eines Mitspielers gescheitert, sondern daran, daß das System in seiner damaligen Inkarnation den Spielern "am Stück" zu wenig EInflußbereich gegeben hat. Wo wir eine Clancy/Bruckheimer-Produktion wollten, ist eben nur ein brennendes Verlagshaus rausgekommen…
Mein Fazit: Diese Spiele verlangen in der Regel mehr Offenheit und Einsatz von allen Teilnehmern, aber meiner Erfahrung nach lohnt es sich, weil das Gesamtergebnis mannigfaltiger ist.
Und dann will ich noch über integrative Spielleiter in klassischen Systemen reden, allen voran mein DSA-SL, der damals in wunderbarer Weise die G7-Kampagne für uns geleitet hat. Er hat es – mit einer Ausnahme – immer wieder hinbekommen, die Charaktere in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken und Bestandteile der Vorgeschichte aller einzuflechten und zu verknüpfen. Höhepunkte waren so Dinge wie der Gaukler, der seine Angst vor sich selbst überwinden mußte, um seinen Rondraglauben klarzukriegen, der Krieger, der irgendwann um sein Schicksal wußte und fast daran zerbrach, und die Geschichte mit dem Artefaktmagier, der ein wirklich schlechtes Verhältnis zu seiner Familie hatte; der Trolle jagende Zwerg, der irgendwann erfahren mußte, dass ein Stamm Trolle bereitwillig sein halbes Volk geopfert hatte, um ihn auf den Pfad eines der Gezeichneten zu schicken. alles total spannende Geschichten, die der Frage, warum die Charaktere überhaupt gegen das Böse kämpfen, erst eine befriedigende Antwort geben konnten.
Will sagen: Sowas geht auch mit Spielen wie DSA, aber die PE/PI-Elemente der neueren Spiele helfen (wenn die Regeln gut gemacht sind), solche Dinge sauber und in einem dem Spiel angemessenen Rahmen zu kommunizieren. Wenn sie dann noch mechanische Relevanz haben (wie Aspekte bei Spirit of the Century, Pfade bei The Shadow of Yesterday oder Personal Sets bei Primetime Adventures), ist das für mich ein zusätzlicher Bonus.