Was kann Angst machen?
Alles, was mir dazu spontan eingefallen ist, laesst sich letztlich unter dem bereits genannten Punkt "Kontrollverlust" subsummieren. Ich habe erwogen, ob "Unbekanntes" als eigener Punkte danebenzustellen waere, aber was vor dem Unbekannten Angst macht, ist (soweit ich sehe) die Tatsache, dass ich nicht weiss, ob ich ueber das Unbekannte Kontrolle habe, um durch diese Kontrolle moegliches "Arges" zu vermeiden. "Arges" steht dabei fuer alles, was mir in irgendeiner Form unangenehm ist; es ist also ein umfassenderer Begriff als "Schaden".
Was reduziert Angst?
Logisch: Alles, was (mir) Kontrolle ermoeglicht.
Im Fall des Unbekannten: Es kennenlernen, meine eigenen Moeglichkeiten ausloten und Strategien zur Kontrolle des Neuen lernen.
Im Fall des Bekannten: Eine Moeglichkeit finden, Kontrolle auszuueben,
oder das Ausmass des moeglichen "Argen", das aus der Situation erwachsen kann, abschaetzen und kleindefinieren.
Am Beispiel:
Die Wespe macht mir Angst, weil ich nicht weiss, ob, wann und wo sie mich vielleicht sticht. Ich kann versuchen, die Situation zu kontrollieren, indem ich die "Stechfaehigkeit" der Wespe aus meiner Umgebung entferne, entweder indem ich sie mitsamt dem Rest der lebenden Wespe auf die andere Seite eines Schutzes (Waende, Fenster) verbanne oder indem ich der Wespe die Handlungsfreiheit nehme, mich zu stechen, sprich: sie toete. (Stachelamputation wuerde reichen, ist aber schwieriger.)
Angenommen, ich kann beides nicht, kann ich die Situation "rationalisieren". Ich habe (Gott sei Dank!) keine Allergie gegen Insektenstiche; ein Wespenstich ist also unangenehm, aber nur toedlich, wenn sie bestimmte Bereiche trifft, z.B. meine Kehle von innen. Wenn ich den Mund normalerweise geschlossen halte und darauf achte, dass ich sie nicht mitesse (Dinge, ueber die ich Kontrolle habe!), kann die Wespe mein Leben nicht in Gefahr bringen. Somit bleibt die Angst davon, dass es eine Weile schmerzt und juckt, aber mehr auch nicht. - Diese Angst laesst sich weiter dadurch verkleinern, dass ich mir bewusst bin (resp. neu werde), dass das Verhalten der Wespe ein Stueck weit "manipulierbar" ist. Wespen stechen bei Bedrohung (und das wiederum habe ich weitgehend unter meiner Kontrolle) oder auf Signale hin, die sie als Bedrohung deuten, z.B. Schweissgeruch (das habe ich eventuell nicht unter Kontrolle).
Es bleibt also ein Rest Unsicherheit, der dazu fuehrt, dass die Wespe mir Angst macht und die Option, sie zu toeten, attraktiv erscheinen laesst...
Aengste, die sich auf Ereignisse beziehen, die vollstaendig ausserhalb meiner Kontrolle liegen, lassen sich auf diese Art demzufolge nur unzureichend bewaeltigen. Dinge, in denen Statistik eine Rolle spielt (z.B. die Krebsgefahr bei radioaktiver Strahlung), sind gar nicht "direkt beherrschbar"; die Rationalisierung muss sich demzufolge auf den Umgang mit dem resultierenden "Argen" (in diesem Fall der Krankheit) beziehen.
Faktisch ebenso problematisch sind Dinge, ueber die ich gerade genug weiss, um Angst zu bekommen, aber nicht genug, um diese Angst zu beherrschen. Ich denke, Telefonterror gehoert in diese Kategorie. Ich weiss, dass Menschen gegenueber Menschen zu mehr oder weniger allem faehig sind, und ich weiss nicht, was der mich Terrorisierende vorhat - und demzufolge nicht, auf welche Folgen ich mich einzustellen habe bzw., was ich vorbereitend tun kann, um das "Arge", was mir droht, abzuwenden oder geringzuhalten. Irgendwo hier wuerde ich auch die Grundlage fuer Paranoia ansiedeln: Wo kein gesichertes Wissen vorliegt, koennen Vermutungen die Rolle von Fakten uebernehmen.
Heraushebenswert ist vielleicht noch der Punkt, dass es bei Angst mehr um meine Einschaetzung der Lage geht als um die Lage selbst. In der Regel ist meine Einschaetzung in dieser Hinsicht "pessimistisch", d.h. ich versuche alles potentielle "Arge" in meine Bewertung mit einzubeziehen, allerdings gewichtet nach der vermuteten Wahrscheinlichkeit des Eintretens. Und in dieser Anhaeufung von subjektiven Urteilen ("Einschaetzung", "potentiell", "vermutet", "Wahrscheinlichkeit" usw.) liegt immer auch die Gefahr von "Ir-rationalitaet", d.h. einem Auseinanderklaffen von subjektiver Wahrnehmung und tatsaechlicher Lage.