Autor Thema: Was macht gute Science Fiction aus?  (Gelesen 1471 mal)

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Offline Urias

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Was macht gute Science Fiction aus?
« am: 10.04.2011 | 14:50 »
Heya!
In letzter Zeit gehen mir immer wieder mal, wahrscheinlich aufgrund meines übermäßigen Kontaktes mit Filmstudenten, Gedanken durch den Kopf für einen Science Fiction Plot, den ich persönlich zwar geil fände, aber wo ich mir nicht sicher bin ob es wirklcih zündet. Jetzt wollt ich mich mal erkundigen was für euch gute Science Fiction Literatur (oder auch Serien/Filme) ausmacht. Was macht Blade Runner und Battlestar Galactica so gut? Was machen Asimov und Dick richtig (Und nein, ich will jetzt keine Diskussion über die Qualität dieser Beispiele)? Was braucht Science Fiction um packend zu sein und was darf oder soll es nicht haben?

Mich persönlich reizt ja immer dieser leicht philosophische Ansatz den viele der "oldschooligen" Autoren reinpacken um eine Message zu vermitteln, die aber nicht mit dem Holzhammer reinprügeln, sondern so diskret dass man auch beim mehrmaligen Lesen auf was neues steht. Bin da wohl wirklich von Philipp K. Dick vorbelastet, da ich momentan echt alles von ihm lese was so gibt und grade die Valis-Trilogie beendet hab (Jup, ich hab nicht aufgegeben wie die meisten :P ). Und auch BSG, die in meinen Augen beste Science Fiction Serie fand ich erst ab der zweiten Staffel gut, eben weil sie da etwas metaphysischer und weniger standardmäßig wurde. Aber das ist nur mein Ansatz.

Kurz gefasst? Was macht gute Science Fiction aus? Discuss!
SSK
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Offline YY

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #1 am: 10.04.2011 | 15:49 »
Faulheit siegt... ;D

Gute SF dreht sich nicht um Technik, sondern um das Zusammenspiel von Mensch und Technik bzw. um die Art und Weise, wie der Mensch mit der jeweiligen Technologie umgeht.

Sie erzählt Geschichten über Menschen und das Menschsein vor dem Hintergrund neuartiger Technologie und ist daher in meinen Augen entfernt mit der Fabel verwandt.

Gute SF verpackt abschreckend komplexe, hoch philosophische und auch einfach staubtrockene Themen auf eine Weise, dass man einfach nicht davon lassen kann.

Interessanterweise sind es mMn oft Werke, denen man keinen besonderen "Anspruch" zuordnen würde, die das Interesse an den jeweils relevanten Themen im Leser wecken.
Eben, weil nicht abstrakt und auf theoretischer Ebene am Kaminfeuer über etwas diskutiert wird, sondern weil SF mit diesen Ideen und Fragen arbeitet, sie in einen Kontext setzt.


"Echte" SF ist undenkbar ohne entsprechende moralische oder philosophische Fragestellungen.

Vieles, was einem heute als SF verkauft wird, sind bei Licht betrachtet nur völlig anders gelagerte Geschichten vor einem futuristischen Hintergrund.


Ich bin übrigens trotz einer Handvoll Gegenbeispiele der Ansicht, dass sich "richtige" SF eher schlecht verfilmen lässt bzw. das Medium Film im SF-Kontext so seine Tücken hat.

Ein ganz großer Faktor dabei ist, dass in einem Buch ellenlange Exkursionen kein Problem sind.

1984 zum Beispiel - das Buch ist großartig.

Der Film setzt die Handlung ziemlich 1:1 um und ist sterbenslangweilig, weil all die kleinen und großen Erläuterungen fehlen, die das Buch ausmachen.
Und gerade in diesem Fall ließe sich auch mit Erzähler, Rückblenden etc. nichts mehr retten - dafür ist es einfach viel zu viel.



"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #2 am: 10.04.2011 | 17:01 »
Bin zu faul, meinen Text dazu rauszusuchen, aber YY trifft es schon sehr gut. ;)

Die Technik ist nicht Selbstzweck (wie beim Gunporn), sondern dient dazu, entweder den Menschen oder die Gesellschaft vertrautfremd betrachten zu kännen und die gewünschten konflikte hervorzuheben.
(Beispiel: Solaris)

Ein

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #3 am: 10.04.2011 | 17:12 »
Dinge explodieren.

Offline Lyonesse

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #4 am: 11.04.2011 | 10:37 »
Ich mochte immer auch den ethnologischen Aspekt - also die Beschreibung von teilw. abgefahrenen menschlichen Kulturen, die sich auf den fernen Planeten ansiedelten, da selbstständig entwickelten und vor deren Hintergrund interessante Geschichten spielen können.
« Letzte Änderung: 11.04.2011 | 13:30 von Lyonesse »
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Offline Bluerps

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #5 am: 11.04.2011 | 11:34 »
Ich finde alles was bisher genannt wurde, kann eine gute SF Geschichte ausmachen (wobei sich vermutlich nicht alles auf einmal in demselben Werk verträgt ;)). Davon abgesehen mag ich auch den "Mensch und Technik" Aspekt. Der Autor denkt sich eine ungewöhnliche Technologie aus - was durchaus auch irgendeine Form von Wundertechnologie sein kann - und verbringt dann einen nicht unbeträchtlichen Teil der Geschichte damit, zu beschreiben wie die der Mensch durch diese Technologie verändert wurde. Neuromancer ist ein Beispiel, oder die Takeshi Kovacs Bücher.


Bluerps
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Offline Erdgeist

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #6 am: 11.04.2011 | 11:35 »
Ich schließe mich mit meiner Meinung der von YY an, speziell seinem selbst zitierten.

Gerade dies hier ist das wichtigste, denke ich:
Zitat
Sie erzählt Geschichten über Menschen und das Menschsein vor dem Hintergrund neuartiger Technologie und ist daher in meinen Augen entfernt mit der Fabel verwandt.

Hervorheben sollte man noch, dass Science nicht allein Naturwissenschaften bedeutet, sondern vielfach auch die Geisteswissenschaften. Wo neue Technologien mit für uns andersartige Gesellschafts-, Politik- oder Lebensformen verflochten werden, kommt die Faszination Sci-Fi meistens erst so richtig zum tragen.

Weiterhin möchte ich anführen, dass interessanterweise häufig das Scheitern bzw. die Fehler dieser Dinge der Mittelpunkt der jeweiligen Geschichte ist, wie zu sehen z.B. in nahezu allen Roboter- oder Foundation-Geschichten von Asimov.

Offline Bluerps

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #7 am: 11.04.2011 | 11:42 »
Ich schließe mich mit meiner Meinung der von YY an, speziell seinem selbst zitierten.

Gerade dies hier ist das wichtigste, denke ich:[...]
... was eigentlich genau das ist, was ich meinte. Ich hab das Zitat komplett überlesen. ::)


Bluerps
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Offline Teylen

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #8 am: 11.04.2011 | 15:17 »
Fuer mich stellt gute Science Fiction, mittels technischer weitergedachter Entwicklungen, Fragen auf.

1984 zum Beispiel - das Buch ist großartig.

Der Film setzt die Handlung ziemlich 1:1 um und ist sterbenslangweilig, weil all die kleinen und großen Erläuterungen fehlen, die das Buch ausmachen.
Welcher Film? Das Buch wurde oefters verfilmt.
Wovon mir zumindest eine Umsetzung sehr gut gefaellt.
Imho braucht es nicht allzuviele Erklaerungen, bzw. erklaerte das Buch nicht viel mehr.
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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #9 am: 11.04.2011 | 15:43 »
Ich stimme YY's Ausführungen zu. Nur glaube ich, dass gute SF auch als Film taugen würde. Das Problem ist da nur, dass da andere Techniken verwendet werden müssen. Lautlos im Weltall (Silent Runnings) ist z.B. ein genialer Film, der seine Aussage nur durch die bewegten Bilder richtig rübergebracht hat. Als Buch hätte er komplett anders erzählt werden müssen um eine ähnliche Wirkung zu haben.
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Offline Yerho

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Re: Was macht gute Science Fiction aus?
« Antwort #10 am: 23.05.2011 | 11:41 »
Zuerst steht meines Erachtens die Frage, ob man Science Fiction (im Moment der Rezeption) eher als Setting oder als Motiv versteht. Im ersten Fall kann gute Science Fiction kann auch ein Krimi sein, der vor einem faszinierenden SF-Hintergrund spielt - ist der Fall abgeschlossen, existiert das Setting so weiter, wie es vorher war.
Versteht man jedoch SF als Motiv, müssten die SF-Elemente die beschriebene Welt zwingend verändern. Ist der Roman oder der Film zu Ende, muss sich etwas ergeben haben, was ebenfalls Einfluss auf alles hatte, was nicht unmittelbar im Roman/Film vorkam. Der Erstkontakt mit Außerirdischen ist erst einmal nur ein Element, es kann die Welt(sicht) umkrempeln, es kann aber auch eine simple plotdevice sein. Wenn zum Beispiel die Aliens (mal wieder) als Invasoren auftreten, kann es vorkommen, dass sie besiegt werden und alles ist wieder so wie vorher. Das wäre dann IMHO keine SF, sondern eher Fantasie mit SF-Elementen (= Space Opera). Wen sich aber die Menschen (und/oder die Aliens!) durch die Invasion - egal wie wenig neu das ist - verändern, hat man reinrassige SF.

Ich ecke ja gerne mal damit an, "Independence Day" als waschechte SF einzustufen. Klar, der Film ist hohl, aber er erfüllt die notwendigen Voraussetzung: Die Welt wird umgestülpt. Zwar vordergründig physisch, weil es Peng und Bumm geben soll, aber die Menschheit kann dennoch nicht weiterleben kann wie zuvor und muss neue Modi finden. Dass diese Umwälzung in diesem Beispiel sehr plakativ dargestellt ist (Alle vertragen sich gegen die bööööösen Aliens ...), tut der Funktion keinen Abbruch; es ist SF, und damit ist eine Teilfrage beantwortet.

Ob es jetzt "gute SF" ist, muss jeder für sich selbst beantworten. Ich sehe da keine objektiven Kriterien, nach denen man allgemeingültig gute von schlechter SF trennen kann. Das ist in etwa so, als würde man versuchen, sich der Qualität eines Steaks über die Stärke seiner Garung und die Art seiner Würzung zu nähern: Manche mögens leicht gewürzt und dafür blutig, andere gut durch und dafür ordentlich gepfeffert. Und dann gibt es noch Leute, die gar keine Steaks essen und deshalb nicht mitreden können, es aber trotzdem tun. ;)

Ich für meinen Teil fahre zweigleisig: SF ist für mich, was mich als Motiv oder als Setting überzeugt, indem es gesellschaftlich und/oder technisch in die Zukunft oder eine alternative Gegenwart/Vergangenheit abstrahiert. Gute SF ist für mich, wenn dies in einem für mich ausreichendem Maß erfolgt und zudem das Handwerkliche, also die Präsentation stimmt, egal ob als Buch oder als Film (oder als Hörspiel, Comic, was auch immer ...).
I never wanted to know / Never wanted to see
I wasted my time / 'till time wasted me
Never wanted to go / Always wanted to stay
'cause the person I am / Are the parts that I play ...
(Savatage: Believe)