Autor Thema: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann  (Gelesen 20192 mal)

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Offline Jestocost

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #50 am: 9.03.2005 | 11:29 »
Beim obigen Beispiel (und dem Verglich mit "Cube" wird aber auch klar, dass es nur dann gut wird, wenn die gesamte Vorgeschichte schon steht (Wer sind die vier, warum sind sie her, wie ist ihr Hintergrund, wo ist der Raum, welchen Zweck verfolgt er...): Alles wichtige steht schon (bzw. ist latent angelegt), dann legt man los und schaut, was aus dieser Voraussetzungen entsteht...

Erst dann entsteht Konflikte durch verschiedene Motivation und Perspektiven, weil dann unterschiedliche Leute mit unterschiedlichem Grund an einem Ziel arbeiten müssen (was ja auch der Grundplot von "The Cube" ist..

Übertragen wir unsere bisherige Ideen aufs typische Rollenspiel, kommt folgendes heraus (oder so): Der SL denkt sich eine Kampagne oder zumindest Gruppenrolle aus (Technothriller, Rockband, Romantische Soap im Weltall) und stimmt sie mit den Spielern ab (genau, zuerst Sop und dann Kriegsfilm - schon haben wir Starship Troopers)...

Dann legt man eine Issue, ein Ziel oder einen Konflikt darüber: Die Fehler der Vergangenheit korrigieren - geht das?, Groß rauskommen, Totaler Krieg gegen Aliens

Dann haben wir das Format.. Jetzt wird die erste Season aufgezogen: Um was soll es im Moment gehen? Was wollen die Mitspieler erreichen und welche Rollen wollen sie besetzen? Wer ist das moralische Gewissen(Pille)? Wer der impulsive Draufgänger (Kirk), wer der logische Analytiker (Spock)? Um was geht es denn einzelnen Spielern/Charakteren dabei (Note to Myself: Wir werden echte SpielerCharaktere hier machen, keine reinen Wertezusammenstellungen)?

Jetzt müssen irgendwie die Spieler das Formatthema und das Season-Teame mehr oder minder auf ihre Charaktere runterbrechen, und vielleicht erste "Zielvereinbarungen" festlegen: "In der Season 1 löse ich mich von meiner Lethargie und übernehme echte Verantwortung"...

Anmerkung: Kompetives Spiel: Können oder sollen wirklich alle Leute in der ersten Season ihre Ziele erreichen? Eigentlich nicht, einer oder zwei ganz, die meisten nur teilweise, mit dem Versprechen, dass sie in der nächsten Season dran sind...

Im Rollenspiel ist es ja auch so, dass am Anfang jeder seinen Hintergrund/Plot Hook verwirklichen will, aber manche werden wichtiger und andere fallen weg oder werden vergessen.. Es bildet sich eine Art Konsens oder Agenda, idealerweise indem der Input der Spieler berücksichtigt wird...

Können wir das Agenda-Setting nicht bei uns ins System irgendwie aufnehmen: Die Charaktererschaffung legt die einzelnen Tagesordnungspunkte (mit Entwicklungsmöglichkeiten) ungefähr fest, das Spiel/System arbeitet das dann in einem spannenden Prozess durch?

Versteht mich jemand?
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wjassula

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #51 am: 9.03.2005 | 11:32 »
Ja. Du möchtest die Planung der Kampagnenstruktur auf alle Beteiligten aufteilen und sie mit den Issues verknüpfen, oder?
 

Offline Jestocost

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #52 am: 9.03.2005 | 11:39 »
Yep. Im klassischen narrativen Spiel wird das Setting/die Kampagne während des Spielens erschaffen, im klassischen Rollenspiel hat der SL diese intus und im Schrank liegen und entscheidet mehr oder minder autark (basierend auf den Charakteren der Spieler oder deren Handlungen, wenn sie irgendwie entscheidungsberechtigt sind, also der Illusionismusanteil unter 100% ist), wie das alles weitergeht..

Und die Issues und Konflikte entstehen nur nebenbei durch Zufall, oder? Ich habe mich immer gewundert, warum mir manche Storys in meiner Kampagne so gut gefallen haben - einfach weil da Konflikte, Dilemmata und Issues drin waren oder entstanden sind...

Vielleicht braucht man auch ein freies System, wo manche Spiele am Anfang viel festlegen können, aber andere sich am Anfang rausnehmen, aber später was reißen können, wenn sie 'ne bessere Ahnung haben...
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wjassula

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #53 am: 9.03.2005 | 11:47 »
Primetime Adventures hat ja sowas, mit Story Arc und Screen Presence und so. Weitere gute Mechanismen gibt's da bei Ars Magica oder auch HeroQuest, mit Beziehungen und Gefolgsleuten. Da könnte man sich abgucken, wie die Spielenden auf NSC zugreifen können und den Spannungsbogen mitplanen.

Offline Fredi der Elch

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #54 am: 9.03.2005 | 12:31 »
Ein paar Anmerkungen:
Was wollen die Mitspieler erreichen und welche Rollen wollen sie besetzen? Wer ist das moralische Gewissen(Pille)? Wer der impulsive Draufgänger (Kirk), wer der logische Analytiker (Spock)?
Genau das würde ich aber vermeiden. Denn schließlich soll es ja gerade darum gehen, diese Rollen aufzulösen bzw. zu verändern. Wäre es da nicht besser, gleich den Konflikt festzulegen anstatt (wieder) erst die Rolle zu bestimmen?

Zitat
Jetzt müssen irgendwie die Spieler das Formatthema und das Season-Teame mehr oder minder auf ihre Charaktere runterbrechen, und vielleicht erste "Zielvereinbarungen" festlegen: "In der Season 1 löse ich mich von meiner Lethargie und übernehme echte Verantwortung"...
Ich denke solche Zielvereinbarungen kann man sicher machen, muss man aber nicht. Ich persönlich würde das ungern machen, da es eben doch einiges an Möglichkeiten aus dem anschließenden Spiel nimmt. besser fände ich, wenn eben der Konflikt klar gemacht wird ("In Season 1 kriege ich riesen Probleme durch meine Lethargie und dadurch, dass ich nie Verantwortung übernehme"). Dann bleibt nämlich der Ausgang offen. Bzw. man könnte mehrere Ausgangsmöglichkeiten vorher festmchen und dann durch das Spiel eine auswählen. Denn wenn man die Entwicklung in der Planug zu 100% vorwegnimmt, kann man auch eine Geschichte schreiben.

Primetime Adventures hat ja sowas, mit Story Arc und Screen Presence und so.
Ich wollts ja nicht sagen... ;D Aber viele der Probleme mit Issue, Konflikt, Screen Presence, Story Arc, mehreren Staffeln usw. sind da gelöst. Es ist sicher nur eine Möglichkeit der Lösung, aber man sollte sich näher damit befassen.


Ich habe mich immer gewundert, warum mir manche Storys in meiner Kampagne so gut gefallen haben - einfach weil da Konflikte, Dilemmata und Issues drin waren oder entstanden sind...
Du verdammter Narrativist, du! ;D Dann spricht wohleiniges dafür, Konflikte, Dilemmata und Issues schon von vorneherein anzulegen, damit sie eben nicht nur per Zufall auftauchen.
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wjassula

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #55 am: 9.03.2005 | 12:43 »
Kurzer Einwurf: Ich glaube, hier ergibt sich auch eine astreine Verknüpfung mit den Überlegungen zu kommerziellem Rollenspieldesign. Jestos Diktum, dass halt bei jedem tollen Spiel ein toller Spielleiter mitgeliefert werden müsste, relativiert sich finde ich ganz erheblich, wenn man die Spielleitung ein bisschen aus ihren traditionellen Aufgaben löst. Dann verschwindet nämlich diese merkwürdige Trennung (und das Missverhältnis beim Arbeitsaufwand) unter den Mitspielenden in "Nur-Spielende" und den einen "Meister" *brrr*.
Und das war doch immer ein ziemlicher Stolperstein für die Popularität von Rollenspielen, verdad?

Punkt zwei: Die Kampagnenplanung-bei Charakterdesign, die wir hier diskutieren, macht auch die Anlehung an populäre Formate viel einfacher. "Hey, ihr liebt diese süss käsigen Retro-Hörspielekassetten? Super, das könnt ihr jetzt auch zuhause am Spieltisch nachbauen! Macht euch eure eigene Impro-Hörspiel-Serie. Designed Helden, Schurken, Schauplätze und lasst sie aufeinander los. Und seht zu, wie sich die Magie entfaltet...". Klingt doch viel besser als "Würfelt eure Helden aus und würfelt weiter, um zu sehen, wie sie mit den Herausforderungen fertig werden, die der Meister sich ausgedacht hat".

Offline Fredi der Elch

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #56 am: 9.03.2005 | 12:52 »
Jestos Diktum, dass halt bei jedem tollen Spiel ein toller Spielleiter mitgeliefert werden müsste, relativiert sich finde ich ganz erheblich, wenn man die Spielleitung ein bisschen aus ihren traditionellen Aufgaben löst. Dann verschwindet nämlich diese merkwürdige Trennung (und das Missverhältnis beim Arbeitsaufwand) unter den Mitspielenden in "Nur-Spielende" und den einen "Meister" *brrr*.
Ja. Ja! JAAAA!! Ähm. Genau. Ich könnte dir nicht stärker zustimmen. Die Idee eines SL ist IMO schädlich für das Rollenspiel an sich. (jaja, jetzt spinnt er wieder...) Denn sie bewirkt genau diese Zweiteilung. Und solche Probleme wie die von Vermi mit seinen Mädels. An sich ist ein SL ja gar nicht schlecht, nur geht damit traditioneller Weise ein Gefälle an Macht, Aufwand und Engagement einher und das ist sehr, sehr schlecht. Und ich denke, dass man mit anderen Spielen (mit modernen Ansätzen) da sicher was dran ändern könnte.

Zitat
Punkt zwei: Die Kampagnenplanung-bei Charakterdesign, die wir hier diskutieren, macht auch die Anlehung an populäre Formate viel einfacher.
Absolut. Das populäre Format "Computerspiel" ist bisher schon ziemlich gut umgesetzt (auch wenn ich persönlich dann doch lieber Computer spiele, aber egal). Aber Theater, Roman, Film, Fernsehen (Fernsehserie) sind wenig vertreten. Und da besteht IMO Bedarf (naja, ein wenig).
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D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

wjassula

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #57 am: 9.03.2005 | 12:58 »
Zitat
Und solche Probleme wie die von Vermi mit seinen Mädels

Das liegt zur Zeit irgendwie in der Luft. Neben diesem Thread haben wir noch "Die Spieler machen die Kampagne?", "Geht UA mit vorbereiteten Plots?" und bei "Gründe fürs Schummeln" gibg es am Ende auch um Spielleitung-Spielende (aber da waren viele, die immer alle Charblätter einsammeln und kontrollieren  :D). Ist das der Frühling oder was?
Nee, aber ich fidne, wir haben hier was interessantes am Wickel, das viele Leute interessiert.

Offline Kardinal Richelingo

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #58 am: 9.03.2005 | 13:08 »
Denn sie bewirkt genau diese Zweiteilung. Und solche Probleme wie die von Vermi mit seinen Mädels. An sich ist ein SL ja gar nicht schlecht, nur geht damit traditioneller Weise ein Gefälle an Macht, Aufwand und Engagement einher und das ist sehr, sehr schlecht. Und ich denke, dass man mit anderen Spielen (mit modernen Ansätzen) da sicher was dran ändern könnte.

ich finde auch, das das narrative Element bei gewissen Spielen auf jeden fall seinen Reiz und seine verdiente Bedeutung hat. Gerade wenn man einen SL Burnout hat, gibt einem das einen schönen kickstart (vermute ich).

Leider weiss ich, dass meine Spieler das so gar nicht wollen, sie wollen "bedient" werden und sich gänzlich der Simulation hingeben, sich der Welt hingeben. Dieses Mitbestimmungsrecht ist ein "mixed bag", was in kleineren Kampagnen funktionieren kann, aber in grösseren ? ich weiss es nicht.

Jedenfalls ist die Diskussion doch auch etwas schwarz / weiss, ich kenne Spiele da muss der SL die klassische Kontrolle haben (Midnight, Horror) während andere Spiele sehr davon profitieren würden (Humoristisch, Action, Soap etc.)

Ich persönlich hätte dauerhaft nur Lust auf eine klassische Kampagne, one-shots jedoch finde ich narrativ interessanter. ich werde da mal experimentieren.

Auch stellt sich für mich die Frage, ob es nun gut ist, dass nunmehr nicht der SL die Messlatte bildet sondern der Durchschnitt der Spieler. Ist die Gruppe bei einem narrativen Spiel dann so gut wie der Durchschnitt oder so gut wie sein bester Spieler ? Oder gar so gut wie der schlechteste Spieler ?

Bleibt vielleicht statt Hartwurst doch nur Bauerneintopf übrig ?
« Letzte Änderung: 9.03.2005 | 13:23 von eed_de »
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Offline Jestocost

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #59 am: 9.03.2005 | 14:01 »
Naja, im Endeffekt bilden immer die Spieler die Messlatte... Ein Spielleiter wird dadurch besser, dass er sich die (für ihn und das Spiel) guten Spieler ins Boot holt und auf die anderen Spieler, mit dener er nicht so kann, unauffällig verzichtet... Aber ich stimme Jasper und Fredi echt zu: Die Rolle des Spielleiters als Alleinunterhalter ist (auch) ein Problem...

Und Fredi hat Recht, dass man zwar Issues anlegen kann, aber der Ausgang noch offen sein muss.

@Eed_de
Ich bin mir da nicht sicher. Warum muss man bei Midnight oder Horror die klassische Kontrolle haben? Wegen einem Gefühl der Machtlosigkeit? Wegen der Spannung? Weil man die Wahrheit erst noch entdecken muss?

Dennoch sprichst du einen wichtigen Punkt an: Die Macht des Spielleiters erlaub ihm, eine kreative Visions ins Spiel hereinzubringen und durchzuziehen.. Er sagt, was geht, was passiert, was cool ist - er ist Regisseur und Produzent in einem... Und die Spieler können zwar nörgeln, können aber sonst nur aussteigen, wenn sie was anderes machen wollen...

Glücklicherweise wollen wir ja den SL nicht abschaffen, aber umdeuten: Vom Schiedsrichter und Autor eher zum Taktgeber/Dirigenten und Enabler - vielleicht auch Moderator.

Aber wenden wir diese Gedanken auf eine klassische Kampagne mit narrativen Elementen an: Anstatt dass der Spielleiter ein Quellenbuch nach dem nächsten liest und aus verschiedenen Elementen, die er cool findet, seine Kampagne aufbaut, während die Spieler sich Splatbooks kaufen, die ihre Charaktere mit mehr Hintergrund und Crunchy Bits ins Spotlight pushen (was dann wieder zu einem Aufrüstungsrennen zwischen Spielern führen kann), könnte man das ja auch anders aufsetzen: Warum sollen die Spieler mit ihren Splatbooks nicht maßgebend in ihrem Bereich sein können? Warum sollen die Kämpfer nicht mitbestimmene können, wie der Kampf im Spiel auftaucht, welche Rolle er einnimmt, wie er eigentlich ist?

In Underground, einem sehr lustigen Superhelden-Cyberpunk-Rollenspiel der 90er, konnten die Spieler mit ihren Erfahrungspunkte Parameter in ihrer Stadt, potenziell in der gesamten Kampagne verändern: Schlecht implementiert, aber ein sehr interessanter Ansatz.

Warum soll bei Midnight nicht die Möglichkeit bestehen, Izrador abzusägen? Weil das dass Ende des Settings wäre.. Für diese Spielergruppe... Was ja auch okay wäre - wir spielen ja nicht jedes Rollenspiel bis in alle Ewigkeit... Wenn wir aber mit unserem Konzept spielen möchten, wäre ja alles drin: Die Spieler wollen Erfolgserlebnisse und sagen: "Wir spielen die Jungs, die bereit sind, alles zu opfern, um Izrador einen entscheidenden Schlag zu versetzen"... Hört sich interessant an... Das hat was...

Dann entwickelt man Charaktere und gibt ihnen dementsprechende Issues... Und um "gewinnen" zu können, müssen diese Issues aufgelöst und behandelt werden - bei einem jeden Spieler... Wenn ein Spieler sagt, dass er als Magier eine Möglichkeit finden muss, Izradors Kontrolle über die Magie zu schwächen, dann holt er sich die entsprechenden Infos aus dem Buch darüber und legt den Grundstein für eine coole Geschichte... Aber er hat dann auch nicht die Kontrolle darüber, wie es ausgeht... Denn da kommen die anderen Spieler mit rein.. Und müssen ihre eigenen Konflikte hier mit einbringen... Und ein wenig Zufall wird es ja auch noch geben... Und Geheimnisse? Die müssen irgendwie auch noch rein... So viel zu tun...

Aber: Die Hartwurst ist für jeden da!
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Offline Kardinal Richelingo

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #60 am: 9.03.2005 | 14:12 »
Naja, im Endeffekt bilden immer die Spieler die Messlatte... Ein Spielleiter wird dadurch besser, dass er sich die (für ihn und das Spiel) guten Spieler ins Boot holt und auf die anderen Spieler, mit dener er nicht so kann, unauffällig verzichtet... Aber ich stimme Jasper und Fredi echt zu: Die Rolle des Spielleiters als Alleinunterhalter ist (auch) ein Problem...

dem stimme ich auch - eingeschränkt - zu. Jedoch kann ein guter SL die Leute fordern und zu Höchstleistungen peitschen. Und da kommt die "Chefrolle" des SLs ebenso gelegen wie sie im Weg stehen kann. Es bleibt abzuwarten. Ein SL schmort natürlich auch gerne im eigenen Saft und alle "Hilfestellungen" sind dann willkommen. Gerade erst merke ich wieder, wie passiv Spieler sein können und auch wollen. Ist halt ein mixed bag.

Zitat
@Eed_de
Ich bin mir da nicht sicher. Warum muss man bei Midnight oder Horror die klassische Kontrolle haben? Wegen einem Gefühl der Machtlosigkeit? Wegen der Spannung? Weil man die Wahrheit erst noch entdecken muss?

ganz genau. Bei Midnight ist Mitspracherecht nahezu ein Paradoxon. Ich sage nicht, dass es nicht ginge, das tut es ! aber es wäre ein ganz anderes Midnight und eines, das ich nicht so gerne leiten oder spielen würde. Da bin ich mir sicher.

Zitat
Dennoch sprichst du einen wichtigen Punkt an: Die Macht des Spielleiters erlaub ihm, eine kreative Visions ins Spiel hereinzubringen und durchzuziehen.. Er sagt, was geht, was passiert, was cool ist - er ist Regisseur und Produzent in einem... Und die Spieler können zwar nörgeln, können aber sonst nur aussteigen, wenn sie was anderes machen wollen...

Glücklicherweise wollen wir ja den SL nicht abschaffen, aber umdeuten: Vom Schiedsrichter und Autor eher zum Taktgeber/Dirigenten und Enabler - vielleicht auch Moderator.

wie gesagt, das halte ich bei vielen Genres für sinnvoll, aber eben nicht bei allen und auch nicht immer. Beide Ansätze bieten was eigenes, doch narratives Spiel ist ne nette Abwecshlung jedoch kein Vollersatz. Ich mag beide Optionen und werde gerade bei one-shots verstärkt einsetzen. Inspectres steht bei mir zum Beipsiel ganz oben auf der Liste. AFMBE in Hessenstein war ja auch nichts anderes.

Zitat
Aber wenden wir diese Gedanken auf eine klassische Kampagne mit narrativen Elementen an: Anstatt dass der Spielleiter ein Quellenbuch nach dem nächsten liest und aus verschiedenen Elementen, die er cool findet, seine Kampagne aufbaut, während die Spieler sich Splatbooks kaufen, die ihre Charaktere mit mehr Hintergrund und Crunchy Bits ins Spotlight pushen (was dann wieder zu einem Aufrüstungsrennen zwischen Spielern führen kann), könnte man das ja auch anders aufsetzen: Warum sollen die Spieler mit ihren Splatbooks nicht maßgebend in ihrem Bereich sein können? Warum sollen die Kämpfer nicht mitbestimmene können, wie der Kampf im Spiel auftaucht, welche Rolle er einnimmt, wie er eigentlich ist?

dieser crunchy-bits kram ist eh gar nicht mein Ding. Meine Spieler bestimmen Art und Weise des Kampfes durchaus mit. Sehe ich keine Neuerung.

Zitat
Warum soll bei Midnight nicht die Möglichkeit bestehen, Izrador abzusägen? Weil das dass Ende des Settings wäre.. Für diese Spielergruppe... Was ja auch okay wäre - wir spielen ja nicht jedes Rollenspiel bis in alle Ewigkeit... Wenn wir aber mit unserem Konzept spielen möchten, wäre ja alles drin: Die Spieler wollen Erfolgserlebnisse und sagen: "Wir spielen die Jungs, die bereit sind, alles zu opfern, um Izrador einen entscheidenden Schlag zu versetzen"... Hört sich interessant an... Das hat was...

Dann entwickelt man Charaktere und gibt ihnen dementsprechende Issues... Und um "gewinnen" zu können, müssen diese Issues aufgelöst und behandelt werden - bei einem jeden Spieler... Wenn ein Spieler sagt, dass er als Magier eine Möglichkeit finden muss, Izradors Kontrolle über die Magie zu schwächen, dann holt er sich die entsprechenden Infos aus dem Buch darüber und legt den Grundstein für eine coole Geschichte... Aber er hat dann auch nicht die Kontrolle darüber, wie es ausgeht... Denn da kommen die anderen Spieler mit rein.. Und müssen ihre eigenen Konflikte hier mit einbringen... Und ein wenig Zufall wird es ja auch noch geben... Und Geheimnisse? Die müssen irgendwie auch noch rein... So viel zu tun...

ich sehe halt nur nicht den brillianten unterschied. ich rede viel mit meinen Spielern und kläre mit ihnen Issues Ingame und auch ausserhalb. manche mögen es auch Einwürfe zu bringen und so das Spiel  zu beeinflussen. Das können sie haben, bei mir immer. Aber bei Midnight brauche ich volle Kontrolle, sonst ist es nicht mehr "unser" Midnight. Da ziehe ich andere Spiele für solche Experimente vor. Jedes, sogar.

Immerhin wäre narrativ D&D mal echt ne coole Angelegenheit, darauf hätte ich Lust.
« Letzte Änderung: 9.03.2005 | 14:15 von eed_de »
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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #61 am: 9.03.2005 | 14:58 »
Glücklicherweise wollen wir ja den SL nicht abschaffen
Ich schon. ... Aber mit Umdeuten bin ich auch erstmal zufrieden.

Zitat
Die Spieler wollen Erfolgserlebnisse und sagen: "Wir spielen die Jungs, die bereit sind, alles zu opfern, um Izrador einen entscheidenden Schlag zu versetzen"... Hört sich interessant an... Das hat was...
Absolut. Finde ich unglaublich Spitze. Dann braucht man Charaktere, die was zu opfern haben (Familie, Freunde, Werte, usw.). Und die müssen in Situationen gebracht werden, in denen sie vor die Wahl gestellt werden: "Was opferst du, um Schlag XY durchzuführen? Und für Schlag Z? Bist du auch bereit Beziehung A zu opfern? Wie ist es mit B? Und mit deiner Überzeugung C?" Hoppla, Prämisse. :D

Zitat
Und Geheimnisse? Die müssen irgendwie auch noch rein... So viel zu tun...
Geheimnisse inwiefern? Für wen sollte was geheim sein? Vielleicht sollten wir dazu mal einen neuen Thread aufmachen, denn das ist ein Problem, an dem man sicher etwas länger verbringen kann...
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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #62 am: 9.03.2005 | 15:04 »
Meine 5 Cent: Eher eine Spielhilfe, die die Elemente anwenden lässt, ist die RelationshipMap. Wirklich großartiges Ding. Sollte natürlich zusammen mit den Spielern erschaffen werden und die Chars sollten einen bedeutenden Platz darin haben.
Die Issues werden dann oft klarer und auch Kicker sind nicht mehr wirklich weit weg.
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Offline Fredi der Elch

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #63 am: 9.03.2005 | 15:16 »
Eher eine Spielhilfe, die die Elemente anwenden lässt, ist die RelationshipMap.
Absolut: das war ja quasi der Ausgangspunkt für die Diskussion (heute):
Charaktererschaffung ist also wohl wichtig, wenn man narrative Elemente fruchtbar machen will, weil hier das Rohmaterial des Spiels festgelegt wird, und zugleich bestimmt wird, wofür die Spielenden zuständig sind. Wenn jeder Charakter ein Knoten in einem Beziehungsnetz ist, beschreibt klassisches Rollenspiel die Knoten und lässt die Spielleitung das Netz knüpfen. Im narrativen Spiel kümmert sich jeder Beteiligte um ein paar Stränge im Netz, und da, wo diese Stränge zusammenlaufen, entsteht der Charakter.
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Zitat von: 1of3
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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #64 am: 9.03.2005 | 15:17 »
Schon klar Fredi: Wollte das Abstrakte hier mal ein wenig konkretisieren. :d Und natürlich mitklugscheißern.  ~;D
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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #65 am: 9.03.2005 | 15:17 »
Könnt ihr mir mal erklären, was ein Kicker ist?  (Begriffsdefinitionen bieten sich an. ;))

Offline Schwules Lesbenpony

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #66 am: 9.03.2005 | 15:21 »
KICKER:
Ein Geschehniss im Leben des Charakters, welches sich der Spieler ausdenkt und welches ihn auch interessiert, das es dem Charakter nicht mehr erlaubt, sein Leben so weiter zu führen, wie bisher. Es katapultiert ihn aus seinem bisherigen (Sim)Leben ind die (Nar)Geschichte. Der Unterschied zum PlotHook hier ist, dass dieser ignoriert werden könnte und von außen kommt, jener nicht ignoriert werden kann und von innen kommt.
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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #67 am: 9.03.2005 | 15:23 »
Beispiel?

Offline Jestocost

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #68 am: 9.03.2005 | 15:28 »
Um mal den kürzesten Roman der Welt eines guatemaltekischen Autors zu zitieren*: "Als ich aufwachte, war der Dinosaurier immer noch da."

Wenn ich das einführe, wird mein Charakter sein Leben nicht mehr so weiterführen konnte, wie bisher.


* zu finden in: Italo Calvino: Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend - übrigens sehr empfehlenswert, denn man findet da auch  Ausführungen von Ignatius von Loyola über die Notwendigkeit der Immersion beim Rollenspiel. Echt.
« Letzte Änderung: 9.03.2005 | 16:15 von Jestocost »
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wjassula

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #69 am: 9.03.2005 | 15:45 »
Boba und Eed_de: Das tauchte ja früher schon mal im Thread auf. Da waren wir uns glaub ich recht einig, dass etwas verloren gehen würde, wenn sich die Spielenden gar nicht mehr in ihre Charaktere hineinversetzen. Eigentlich war der Stand der Diskussion glaube ich sogar, dass es erst richtig cool würde, wenn beide Perspektiven zusammenkämen. Dass man die Immersion nicht völlig in den Wind schiessen sollte, da stimme ich euch sofort zu.

Die Welt erleben und erkunden können die Spielenden doch immer noch. Und ich habe das Gefühl, dieses Erleben wird sogar intensiver, wenn sie zeitweilig (!) in eine andere Perspektive wechseln.

Aber warum sollte eine kreative Vision nicht auch zwischen mehreren -allen- Beteiligten
entstehen? Warum soll das einer allein machen?

Und eigentlich ist Rollenspiel immer eine gemeinschaftliche Anstrengung. Selbst mit klassischer Spielleitung bauen die Spielenden mit an der Welt und interpretieren die Vorgaben der Spielleitung und der Settingbeschreibung. Wie in einem Buch oder Film: Die kreative Agenda des Autoren kommt bei den Konsumenten nie so an, wie er oder sie sich das vorstellt. Mindestens ebenso sehr arbeiten die Lesenden/Zusehenden daran mit. Anders geht's nicht - dafür ist Kommunikation zu sehr Glückssache  :).

Nee, ich bleibe bei der alten Weisheit: Wer seine Visionen umsetzen möchte, kann das (vielleicht) in einem Roman. Beim Rollenspiel geht es um die Gruppe - und nie ohne die Gruppe.

Weniger strukturell und dafür persönlicher spüre ich hier so eine Angst durch den Thread geistern. Das geht mir nicht zum ersten Mal so, wenn ich mit ein paar Spielern von mir über das Thema rede, fällt mir das gleiche auf, so ein unbestimmtes, aber ganz starkes Unbehagen. Irgendwas scheint hier bedroht zu werden, aber was? Was passiert denn, wenn die Spielleitung ihre Macht (ganz oder teilweise) verliert, das so furchtbar wäre?

Und missionieren mag ich übrigens niemanden  :). Höchstens so viel Spass am Spiel verbreiten, dass alle anderen meine Ideen auch ausprobieren möchten.


@Jesto: Du hast hoffentlich irgendwo nachgeschlagen, wie das Adjektiv zu "Guatemala" lautet  ;)?

Offline Boba Fett

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #70 am: 9.03.2005 | 16:01 »
Wjassula bezieht sich auf den Beitrag, den ich als separaten Thread herausgelöst habe.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Bitpicker

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #71 am: 9.03.2005 | 16:18 »
Weniger strukturell und dafür persönlicher spüre ich hier so eine Angst durch den Thread geistern. Das geht mir nicht zum ersten Mal so, wenn ich mit ein paar Spielern von mir über das Thema rede, fällt mir das gleiche auf, so ein unbestimmtes, aber ganz starkes Unbehagen. Irgendwas scheint hier bedroht zu werden, aber was? Was passiert denn, wenn die Spielleitung ihre Macht (ganz oder teilweise) verliert, das so furchtbar wäre?

Na, Fredi will den Spielleiter abschaffen. Als potentielles Euthanasie-Opfer bin ich da natürlich beunruhigt, denn ich bin viel lieber Spielleiter als Spieler.

Weder mir noch meinen Spielern erschließt sich, wie das Herauslösen des Spielers aus dem Erleben der Handlung, gefiltert durch seinen Charakter, den Spaß am Spiel steigern soll, denn wir spielen ein Rollenspiel, um eine Rolle zu spielen, um jemand anders zu sein. Sobald ich als Spieler mehr als den Charakter kontrolliere, entferne ich mich von diesem Erleben, denn ich kontrolliere Aspekte, über die ich in der reellen Situation keine Kontrolle hätte. Das wollen wir so wenig wie der Teufel Weihwasser trinkt. Meine Spieler sind nun mal nicht daran interessiert, Mitautoren einer Geschichte zu sein, sondern sie wollen ein Abenteuer erleben. Die Spannung entsteht dabei aus dem Erleben von Situationen, mit denen einen die Spielrealität, also der Spielleiter, konfrontiert.

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Offline Lord Verminaard

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #72 am: 9.03.2005 | 18:24 »
Wir sind uns wohl über Folgendes einig: Es gibt zunächst zwei "reine" Spielweisen.

1) Die von Robin bevorzugte Spielweise, bei der der SL als einziger alle Geheimnisse kennt und das Spiel lenkt, die Spieler sich ganz in ihre Charaktere hineinversetzen und Entscheidungen aus ihrem Charakter heraus treffen, und der SL das alleinige Sagen hat. Vorzüge: Man kann sehr schön Geheimnisse nach und nach herausfinden, das Setting erkunden und dabei auf Unerwartetes stoßen. Man hat eine sehr starke Identifikation mit dem eigenen Charakter. Intellektuelle Herausforderung bietet der Umgang mit Stresssituationen. ("Scheiße, was jetzt?") Entfaltet die volle Wirkung meist erst in längeren Kampagnen.

2) Die von Fredi und Cay bevorzugte Spielweise, bei der der Plot von SL und Spielern kooperativ gelenkt wird (wenn es denn überhaupt noch einen SL gibt), Entscheidungen aus der Perspektive des Spielers getroffen werden und alle ein Mitspracherecht haben. Vorzüge: Jeder kann Einfluss auf die Story nehmen und so gewährleisten, dass die Elemente enthalten sind, die ihn persönlich interessieren. Konflikte lassen sich gezielter aufsuchen, Charakterentwicklung zügiger vorantreiben. Der SL hat nicht allein die ganze Arbeit. Intellektuelle Herausforderung gibt's durch das Ausdenken spannender Konflikte und das Umsetzen der Ergebnisse. ("Was bedeutet das für mich?") Braucht i.d.R. weniger Zeit, weniger Material und weniger Vorbereitung als die erstgenannte Spielweise.

So weit, so gut. Worüber wir hier diskutieren ist, wie man Spielweise 1) mit den Vorzügen der Spielweise 2) anreichern und trotzdem die wesentlichen Vorzüge der Spielweise 1) erhalten kann. Dass das immer nur zu einem gewissen Grad möglich ist, ist klar. Derjenige, der Spielweise 1) für das Nonplusultra hält, wird einen Hybrid immer als faulen Kompromiss empfinden. Derjenige, der wie ich von beiden Spielweisen fasziniert ist, beobachtet die Diskussion, die hier stattfindet, mit Begeisterung.

 :d
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Offline Fredi der Elch

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #73 am: 9.03.2005 | 19:00 »
Worüber wir hier diskutieren ist, wie man Spielweise 1) mit den Vorzügen der Spielweise 2) anreichern und trotzdem die wesentlichen Vorzüge der Spielweise 1) erhalten kann.
Aaaah! Ooooh!! Mensch, Seite 3 des Threads und ich hab endlich verstanden, worum es eigentlich geht! Scharfer Verstand, ick hör dir trapsen...

Ich denke mal, dass man hierfür die "Planungsphasen" mit allen Spielern möglichst gut von den "Spielphasen" trennen muss. Und dann braucht es natürlich auch einen SL. Verdammt. ;D Ich würde ja sowas präferieren, wo man mehrere Planungsphasen pro Sitzung hat und die Ergebnisse auch irgendwie auf dem Charakterbogen festhält. Öh. Mehr fällt mir jetzt auch nicht ein. Ich bin schon froh, das Thema überhaupt verstanden zu haben... ;)
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

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Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
« Antwort #74 am: 9.03.2005 | 19:25 »
Da ich eine unverbesserte Narrin bin, habe ich ein paar Dinge gemacht, um meine Schäfchen ins Narr-Gebiet zu lotsen.

1) Für die Vorbereitung eignet sich Universalis vorzüglich! Münzen ausgeben, Traits erschaffen. Alles nach Universalis-Regeln. Man kann bei Null anfangen, muss aber nicht.
Dinge, die man hier anreißen solle: Genre, Setting, Realismus, Stimmung, Thema/Prämisse, Situation, Anzahl der Spielsitzungen

2) Jetzt hat man schon so ein gemeinsam erschaffenes Grundgerüst. Entweder schon wärend der Uni-Phase (bevorzugt, weil die Spieler dann mit den Traits weiter an der RM basteln) oder danach (einfacher zu managen) wird gemeinsam die RM gebastelt. Jeder Protagonist und alle wichtigen NSCs sollten sich da sinnvoll drin finden.

3) Aus der RM gehen dann die Issues und mögliche Kicker hervor. Wichtig ist es, dass die Issues klar sind und die Kicker wirklich welche sind und die Spieler die auch spannend finden.

4) Der SL setzt sich nun in sein stilles Kämmerlein und bastelt an seinen Bangs. Das ist einfacher als man nun glaubt, weil der SL hier nicht die Tabula Rasa vor sich hat, sondern eine fette RM, Protagonisten mit Problemen und Kicker. Ergo eine Menge Zündstoff. Noch ein bisschen die Meisterliche Gemeinheit (TM) einwerfen und losspielen.

5) Zwischen den Spielsitzungen (am besten am Ende jeder Sitzung) findet eine Planungsphase statt. Entweder 'freeform' oder wieder mit Universalisregeln.

Anmerkung: Der SL kann sich natürlich hier so viele Freiheiten etwas einzuschränken nehmen, wie er will. Ich persönlich meckere höchstens bei langweiligen Kickern und schwammigen Issues.
Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht,
sondern weil wir sie nicht wagen, sind sie schwierig.

aga g.