Ich möchte hier kurz ausführen, warum das sogenannte Lumpley-Prinzip (LP) aus dem Blickwinkel der Theorie der Gestaltungsrechte (GR) (
http://tanelorn.net/index.php/topic,18883.0.html ) problematisch ist. Basierend tut das Ganze u.a. auf Fredis neuem Thread „Credibility und das Lumpley-Prinzip“ (
http://tanelorn.net/index.php/topic,18890.0.html ). Dieser Beitrag darf als Kritik verstanden werden
Grundsätzlich stimmt GR mit LP darin überein, dass Rollenspiel ein „Abstimmungsprozess“ ist. Wie das LP führt dies auch bei den GR zur Konsequenz, dass Regeln benötigt werden, damit der Entscheidungsprozess schneller abläuft. Folglich, und da gibt es auch eine Übereinstimmung, ist Rollenspiel durch „Vertragsbeziehungen“ zwischen den verschiedenen Rollenspielparteien gekennzeichnet. Durch die so vereinbarten Regeln existiert ein gewisser „Raum“, den das LP als Vorstellungsraum (SIS) deklariert.
Insofern also die Gemeinsamkeiten. Jetzt zu den im Detail verborgenen – und interessanten – Unterschieden.
GR implizieren einen an der Institutionen-Theorie orientierten Begriff des Handlungsraumes – in diesem Sinne ist also nicht vom Vorstellungsraum zu sprechen, sondern „nur“ von einem „Gestaltungsraum“. Der ist durch eine feste Zuordnung von Gestaltungsrechten gekennzeichnet (was vorher vereinbart wurde); zumindest beim direkten Rollenspiel (Rollenspielphase). Die Konsequenz: Es ist auch möglich, Entscheidungen gegen die Interessen von anderen zu fällen. Wenn bespielsweise geklärt wurde, dass der Spielleiter das „letzte Wort“ hat, kann dieser auch Entscheidungen „gegen“ einen Spieler trefffen.
Hier kommt beim LP „Credibility“ ins Spiel, was Fredi eher als „Wahrscheinlichkeit“ vertanden wissen will. Es ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Entscheidung von der Gruppe akzeptiert wird. An diesem Punkt setzt der Kritikpunkt an, der das LP – aus Sicht der GR – ins Wanken bringt. Denn die Wahrscheinlichkeit bezieht sich generell auf Entscheidungen
trotz eines vorhandenen „Rahmens“ (der durch Regeln abgesteckt ist). Unausgesprochen bedeutet dies, dass eine vorab getroffene Regelung nicht zur Geltung kommen muss, wenn die Wahrscheinlichkeit so hoch ist, dass ein „Verstoß“ allgemein akzeptiert wird. Mit den GR wäre genau das nicht möglich. Warum?
Die Theorie der GR setzt voraus, dass nur solche Regeln akzeptiert werden, die positiv auf das Rollenspiel
insgesamt wirken. Wenn vorher vereinbart wurde, den überwiegenden Teil der Gestaltungsrechte an den Spielleiter abzutreten (Was der Spielleiter sagt, ist Gesetz.), dann geschieht dies, weil sich die Spieler insgesamt einen
Vorteil davon versprechen (schnelle Entscheidungen) und
im Wissen, dass der Spielleiter auch eine für sie nachteilige Entscheidung treffen kann.
Mit anderen Worten:
Weil in dieser Regel ein Gesamtvorteil (Geschwindigkeit, Klarheit) gesehen wird, nehmen die Spieler einen Nachteil (weniger Einfluss) in Kauf.Schätzt der Spieler den persönliche Nachteil größer als den Vorteil einer Regel ein, dann kommt es nicht zu dieser Regel. Wieder auf das LP bezogen bedeutet dies:
Besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass die Regel „gekippt“ wird, kommt es erst gar nicht zu einer solchen Regelung.Nun ist damit aber noch lange nicht geklärt, wie es zu dennoch kritischen Entscheidungssituationen kommt. Wie passt da Fredis Beispiel hinein?
In der Theorie der GR lässt sich das damit erklären, dass nicht alles über „richtige“ Regeln (neutrale GR; Rollenspielsystem) abgegolten werden kann. Deshalb ergeben sich Spielräume, in denen – mittels GR – direkt entschieden wird.
In diesem Sinne sagen die GR eigentlich nur, wer (wie) eine Entscheidung trifft, wenn eine konkrete Regelung (gerade mal nicht) vorhanden oder sogar ungeeignet ist. Bei solchen „Freiräumen“ steht dann zwar fest, WER die Entscheidung trifft, aber die Entscheidung kann beeinflusst werden. Hier findet dann ein Abstimmungsprozess statt, der dem von Fredi beschrieben Prozess ähnelt. Aber mit einem kleinen Unterschied: Die Wahrscheinlichkeit (Credibility) würde hier aussagen, wie groß der Einfluss auf die Entscheidung sein kann; sie könnte aber die Position des Entscheiders und die damit verbundene Entscheidungsgewalt nicht anzweifeln.
Hinweisen möchte ich nur noch darauf, dass es sicherlich Sonderfälle (der Verteilung von Gestaltungsrechten) geben könnte, in denen der Abstimmungsprozess dem Fredis ähnelt.
FAZITIm Rahmen der GR-Theorie ist das LP inkonsistent. Bezogen auf den Begriff „Credibility“ stellt sich die Frage, warum eine Regel erst beschlossen werden soll, die man mit „hoher Wahrscheinlichhkeit“ wieder kippen kann.
Es sollte auch festgehalten werden, dass die GR-Theorie in erster Linie über die Entscheidungsbefugnisse Aussagen trifft. Im zweiten Schritt kann innerhalb direkter Entscheidungsbefugnisse (direkte GR) untersucht werden, wie dort Entscheidungen zustande kommen. Im Rahmen der GR-Theorie wäre der Begriff „Wahrscheinlichkeit“ – zumindest seine Funktion – genau da angesiedelt, d.h. im Rahmen (!) der direkten Entscheidungsbefugnisse. Mit anderen Worten: Die GR-Theorie fragt erst, WER entscheidet und fragt dann, WIE weiter entschieden wird. Das ist insofern ein interessanter Aspekt, weil genau diese Frage – abhängig vom Entscheider – unterschiedlich beantwortet werden kann (Entscheidet EINE Person oder aber eine Gruppe?).
Arbo