Eine herrliche Diskussion….
Ich glaube auch, dass es hier eher um Begriffe geht als um Inhalte. Inhaltlich sind sich hier alle schrecklich einig. Letztlich dreht sich die Diskussion um das Wort "Kontrolle" und um das Wort "Handlung". Wenn im Eingangszitat von „Handlung“ die Rede ist, dann ist damit imho nicht die Reaktion des Spielleiters auf die Handlung des Chars gemeint, sondern die Handlung aller Beteiligten. Und in diesem Sinne trifft das Zitat natürlich zu!
Ein extremes Beispiel:
Spieler A spielt einen extrem eitlen, von sich eingenommenen Charakter, der von seinen Kampfkünsten überzeugt ist und überall mit seinen Heldentaten prahlt. Er hat ihn auch mit entsprechenden Werten ausgestattet. Soweit, so gut.
Die Gruppe begegnet einem (wohlwollenden) Drachen, der den Chars Hinweise für das Abenteuer geben soll. Dieser Drache (obwohl wohlmeinend) verursacht Furcht (weil seeehr alt und mächtig). Spieler A verpatzt seinen Rettungswurf und rennt schreiend davon! Soweit, so schlecht.
Jetzt kommt’s: Der Spieler entscheidet, dass sein Char so kläglich versagt hat, dass er mit der Schande nicht leben kann. Der Char tötet sich selbst. Vielleicht ein wenig extrem, aber vorstellbar.
In der nächsten Begegnung (nach dem Drachen) braucht die Gruppe aber den formidablen Kämpfer. Der Spielleiter muss also entweder:
1. Die Begegnung anpassen (z.B. die Werte der Gegner herabsetzen) oder
2. Die Spieler in eine andere Richtung lotsen oder
3. Ihnen einen NSC/neuen SC von Spieler A an die Seite stellen, um die Begegnung gut zu überstehen.
Natürlich kann Spieler A mit dem Selbstmord seines Chars den Spielleiter nicht zwingen, welche dieser Optionen er wählt. Aber er hat in de facto gezwungen, den Handlungsverlauf zu ändern. Das mag spieltechnisch kein Problem darstellen, aber es ist geschehen.
Die andere Möglichkeit besteht nur darin, dass der SL den Spieler davon abhält (in game oder outgame) seinen Char zu töten. Dann aber manipuliert er ihn, um nicht den Fortgang der Handlung manipulieren zu müssen.
Thalamus wird jetzt einwenden, dass er vorher abschätzen kann, wie der Spieler reagiert. Aber auch in diesem Fall kontrolliert das (vergangene) Verhalten des Spielers die Handlung (oder vielmehr: das Design des Plots). Wenn ich weiß, das ein Spieler zu Übersprungshandlungen neigt, werde ich vielleicht an Stelle des alten Drachens einen jungen Zwerg auftreten lassen – keine Furcht, kein Patzer, kein Weglaufen, kein Selbstmord.
Wenn du als SL ein Abenteuer so konzipierst und es so zuschneidest, dass die Spieler aller Wahrscheinlichkeit nach einen bestimmten Weg einschlagen, lässt du dich bereits von ihnen kontrollieren. Du magst das nicht so empfinden, aber es ist so. Wenn du dagegen die Spieler zwingst (durch Drohung, Fallen, Belohnungen), in eine bestimmte Richtung zu gehen, dann kontrollierst du sie.
Thalamus, mit deiner Aussage, dass du durch Kenntnis der Gruppe die Variationsbreite möglicher Nebenhandlungen bis auf 0 eindampfen kannst, hast du bereits zugegeben, dass de facto die Spieler den Verlauf der Handlung bestimmen. Nenn es wie du willst. Der Urheber des Eingangszitat nennt es Kontrolle.