Jetzt wollte ich doch mal was psychologisches schreiben. Verdammte Axt, dieses blöde Studium muss doch zu irgendwas gut gewesen sein…
Inspiriert wurde diese Idee vom Mörderthread
(Rant, LONG) Unterwegs in Ödistan, besonders von folgender Aussage:
Was ich jedoch bemerkt habe, war, dass sich die Spieler selbst unwohl gefühlt haben -- die Blicke, die Najas, das hilfesuchende "Und?" zum Spielleiter. Das betretene Schweigen, das Spielen mit den Würfeln; ich kenne diese Zeichen gut genug aus eigener Erfahrung um urteilen zu können, dass sie GELANGWEILT waren.
Als ich ihnen vorgeschlagen habe, wie man zumindest die Kämpfe anders gestalten könnte, kam deutliches Kopfnicken. Wie ich geschrieben habe: Sie spielen seit langer Zeit, kennen aber nur den herkömmlichen (Mainstream-) Angang zum Spiel.
Hier trifft Mann ohne Zähne den Nagel auf den Kopf!
Ich habe diese "Anzeichen" auch schon oft genug in vielen eher klassischen Rollenspielgruppen gesehen. Ich weiß wie sehr sich Leute manchmal durch ihr Hobby quälen einfach aus Gewohnheit. Weil mans halt schon immer so gemacht hat.
Und genau wegen diesen Erlebnissen denke ich mir immer nur: "Jaja labber du nur!", wenn mal wieder Leute auf die Tour von Crischie ankommen und meinen: "Ach lass die doch! Die ham schon ihrem Spass. Dein Forge nervt nur! Und bla blubb sülz schwall..."
Ich beziehe mich im Folgenden auf das
Modell der Arbeitszufriedenheit von
Bruggemann. Ich finde keinen guten Link und werde es auch nicht kurz vorstellen. Ich gehe gleich auf die Übertragung auf Rollenspielzufriedenheit ein. Macht aber nichts, da man einfach nur "Rollenspiel" durch "Arbeit" ersetzen muss und man erhält das Originalmodell.
Menschen haben gewisse Vorstellungen von Aktivitäten. Man könnte auch sagen "Ansprüche". Wenn eine Person ihre Vorstellungen umsetzen kann bzw. sie sich erfüllen, dann ist die Person mit der Aktivität zufrieden. Erfüllen sich die Vorstellungen nicht, ist sie unzufrieden.
Nochmal auf psychologisch: Es wird ein Soll-Wert (Anspruchsniveau) mit einem Ist-Wert (tatsächliche Merkmale der Aktivität) verglichen. Ist-Wert > Soll-Wert -> Zufriedenheit. Ist-Wert < Soll-Wert -> Unzufriedenheit.
Spieler haben nun bestimmte Erwartungen an das Rollenspiel. Erwartungen an die Möglichkeit an kreativem Input, Möglichkeiten des Einflusses auf das Geschehen, Umsetzen der eigenen Vorstellungen, Spotlightzeit, Reaktionen der anderen Spieler, Inhalt des Rollenspiels, technische Details (Würfeln, Systembestandteile), usw. Werden diese Vorstellungen erfüllt, sind sie mit dem Rollenspiel zufrieden. Werden sie nicht erfüllt, sind sie mehr oder weniger unzufrieden. So weit, so einfach.
An dieser Stelle hört aber der Prozess nicht auf. Denn die meisten Leute sind nicht gerne dauerhaft unzufrieden. Also tun sie irgendwas (Unzufriedenheit ohne etwas zu ändern heißt
Fixierte Arbeits- … äh …Rollenspielunzufriedenheit). Was können sie aber tun?
Man kann versuchen etwas an der bestehenden Situation zu verändern. Die Art zu spielen wird geprüft und dann verändert. Nennt sich
Konstruktive Rollenspielunzufriedenheit. "Mir gefällt das Spiel nicht. Lasst uns mal das und das ändern und das probieren, vielleicht wird’s dann besser."
Man kann aber auch das Anspruchsniveau senken. Wenn Ist nicht an Soll angepasst werden kann, wird eben Soll an Ist angepasst. Nennt sich
Resignative Rollenspielzufriedenheit ("Zufriedenheit", weil nach der Senkung des Anspruchsniveaus ja Ist > Soll). "Hm, 20 Minuten Spaß am Abend müssen eben reichen. Schließlich wollen die Leute mit den komplett anderen Vorstellungen auch mal dran kommen. So funktioniert richtiges Rollenspiel eben, man quält sich durch eine lange Aufbauphase bevor es spannend wird. Spieler haben eben wenig Einfluss auf das Geschehen, das darf nur der SL. Das ist schon in Ordnung so. Mehr kann man nicht erwarten."
Man kann auch die Wahrnehmung der Situation verzerren, also quasi die "rosa Brille" aufsetzen. Nennt sich
Pseudo-Rollenspielzufriedenheit (hier wird die Wahrnehmung des Ist auf den Stand von Soll angehoben, nicht das echte Ist). "War doch ganz ok, der Abend. Der SL ist doch irgendwie auf uns eingegangen und irgendwie habe ich auch was eingebracht. Und sooooo lange hat die Exposition ja nicht gedauert. War schon deutlich schlimmer. Neeee, das war schon in Ordnung, irgendwo hatte ich auch Spaß."
Auch bei Zufriedenheit gibt es zwei Möglichkeiten, wobei die meisten hier bei der
Stabilisierten Rollenspielzufriedenheit bleiben ("Hey, das war cool so, lass uns weiter so machen.") aber einige sich trotz Zufriedenheit noch weiterentwickeln wollen:
Progressive Rollenspielzufriedenheit ("Hey, das war cool. Das hat Potenzial. Mal sehen, wie wir das noch weiter verbessern können. Lass uns mal das und das probieren.").
Soweit zum Modell. Aber Fredi wäre nicht Fredi, wenn er nicht gegen Ende des Posts noch böse werden würde. Also bitte:
Eine ganze Menge von Rollenspielern stecken in den Bereichen
Resignative Rollenspielzufriedenheit und
Pseudo-Rollenspielzufriedenheit. Ihr Rollenspiel war also oft deutlich schlechter als ihre Erwartungen und sie haben deswegen ihren Anspruch gesenkt oder ihre Wahrnehmung angepasst. Diese Leute haben Rollenspiel unter ihrem eigentlichen Anspruch (d.h. sie haben deutlich weniger Spaß als sie sich zu Beginn eigentlich vergestellt hatten) und lügen sich selbst in die Tasche.
Zurück zum Anfang: Wenn also ein Rollenspieler sagt er habe Spaß bei einer Runde gehabt, dann kann das sein. Es kann aber auch heißen, dass er sich was vormacht (im Sinne von
Resignativer Rollenspielzufriedenheit oder
Pseudo-Rollenspielzufriedenheit), damit er nicht so unzufrieden sein muss. Die Selbstaussage über die Zufriedenheit ist also immer mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Das eigentliche Verhalten im Spiel sagt meist mehr über die eigentliche Zufriedenheit einer Person aus als die Selbstaussage.
Wenn also ein Spieler im Spiel abwesend ist, in Zeitschriften blättert, Nebengespräche führt, das Spiel stört usw., dann hat er vermutlich nicht wirklich Spaß. Auch wenn er auf Nachfrage behauptet, dass es ihm Spaß mache, "Ne, ne, es ist schon alles in Ordnung." Die soll man eben
nicht lassen, die haben eben
nicht ihren Spaß. Auch wenn sie anderes behaupten. Man sollte sie aus der Resignation rausholen. Und das lässt sich durchaus verändern (ich bin von Resignativer Rollenspielzufriedenheit / Fixierter Rollenspielzufriedenheit zu Konstruktiver Rollenspielunzufriedenheit zu Progressiver Rollenspielzufriedenheit
).
Ja, ich bin elitär und weltverbesserisch. Warum?