Ich beziehe mich in diesem Post auch auf Settembrinis Post hier :
Einige Punkte die evtl. im Deutschen RPG-Sektor falsch laufen Aber nicht nur. Also bitte kein aufgewärmtes Gemetzel aus dem alten Thread! Danke.
Also Settembrini (und alle anderen): Nun die Perspektive eines Erzählonkels.
Brauchen Rollenspiele also einen Gewinner? Schließlich haben Spiele doch üblicherweise einen. Könnte man wenigstens meinen. Aber Rollenspiele sind trotz des Namens (der sich einfach historisch entwickelt hat) nur begrenzt Spiele und brauchen nicht zwingend einen Gewinner. Schließlich ist die CDU auch nicht christlich, die SPD nicht sozial und Kopfschmerztabletten machen keine Kopfschmerzen. Namen sind also Schall und Rauch.
Allein aufgrund des Namens zu behaupten Rollenspiele bräuchten einen Gewinner ist IMO also Quatsch.
Sicher
können Rollenspiele einen Gewinner haben. GNS hat eine ganze CA danach ausgerichtet. Gewinnen zu wollen ist sicher eine völlig legitime Möglichkeit Rollenspiel zu spielen. Und sicher würde das auch vielen Leuten besser gefallen als das ganze Kompromiss-Erzählgefasel. Weil Leute eben gerne gewinnen. Aber
muss Gewinnen deswegen sein? Nein, ich denke nicht. Ich denke, dass Settembrini „Gewinnen“ mit „Herausforderung“ verwechselt.
Was man braucht ist eine Herausforderung im Spiel. Und zwar nicht zwingend eine Herausforderung im Sinne eins Hindernisses, das man im Spiel überwinden muss oder im Sinne von Konkurrenz. Nein, ich meine eine
geistige Herausforderung. Man muss die Möglichkeit haben, geistig aktiv zu werden. Kreativ zu sein. An die Grenzen seines Vorstellungsvermögens zu stoßen.
Man muss sich und seinen Geist herausfordern.
Das kann z.B. durch Konkurrenz oder „Gewinnen wollen“ geschehen. Aber das ist nicht die einzige Möglichkeit. Es gibt auch andere Formen der geistigen Herausforderung, die nicht zwangsläufig darin enden, dass ein Spieler „gewinnt“.
Wenn man diese geistige Herausforderung nicht hat, dann konsumiert man nur und produziert nichts. Und das ist schlecht. (Jaja, ich weiß. Kann man auch anders sehen. Sehe ich auch etwas differenzierter. Aber darüber möchte ich hier nicht reden. Macht einen anderen Thread auf, wenn ihr darüber diskutieren wollt).
Warum hast du, Settembrini, also solch eine Allergie gegen die „Stimmungsspieler“ und „Erzählonkel“? Ich habe da so eine Vermutung (und korrigiere mich, wenn ich völlig daneben liege).
Man macht oft die Erfahrung, dass diese Art von „Stimmungsspiel“ oder „Storytelling“ („Erzählspiel“, whatever) bestimmte Eigenschaften hat. Settembrini hat sie teilweise beschrieben (z.B. hier:
[Offen] Begriffsdiskussionen - war: [Forge] Spielstile USA vs. Deutschland). Kurz zusammengefasst: Der SL macht den Erzählonkel, spielt sich auf, macht lecker Illusionismus und die Spieler sitzen passiv rum, ziehen sich die Story rein und haben keinen Einfluss (Ich könnte jetzt sagen: die Ingo-Show. Würde ich aber nie machen.
). Allmächtiger SL und kleine passive Spieler. Ich kann schon verstehen, dass man da denken kann, dass hier wenn überhaupt nur der SL kreativ ist und seine Story durchzieht. Da kann ich doch als Spieler gleich fernsehen. (Wie gesagt, Diskussionen darüber bitte wo anders) Was ich damit sagen will: ich kann verstehen, dass man diese Art zu spielen, wenn man denn unbedingt werten will, auch negativ bewerten kann.
Und nun der Punkt: Erzählspiele müssen nicht so sein. Es gibt durchaus auch Spiele, in denen es nicht ums Gewinnen geht, die aber ganz anders sind. Spiele, bei denen nicht nur einer kreativ ist und die anderen konsumieren. Spiele, bei denen alle Spieler zusammen erzählen und sich selbst vor eine geistige Herausforderung stellen.
Settembrini, du selbst hast Dogs in the Vineyard erwähnt. Es gibt noch andere Spiele dieser Art, wo es primär ums erzählen geht: PtA oder auch Capes (wo es auch ein wenig ums Gewinnen geht). Das sind alles Beispiele dafür, dass Erzählen durchaus eine geistige Herausforderung sein kann, ohne dass jemand gewinnen muss. Zusammen „Erzählonkeln“ ist also nicht zwingend „mentale Masturbation“, sondern kann durchaus geistige Höchstleistung sein. (Nebenbei: es geht dabei immer auch ein wenig um die Anerkennung der anderen für die eigene kreative Leistung. Ein wenig „Gewinnen“ ist also immer dabei.)
Kurz: ich kann verstehen, dass man auf „Stimmungsspieler“ und „Erzählonkel“ schlecht zu sprechen ist. Aber Erzählen muss nicht nur „ein Erzählonkel spielt sich auf und alle anderen konsumieren“ sein. Es kann auch kreativ, intensiv und herausfordernd sein. Für alle Beteiligten. Wollte ich nur mal so gesagt haben. So von Erzählonkel zu Gewinner.