Da wir hier ja scheinbar mal wieder im Kreis reden, beantworte ich mal ganz konkret Deine Fragen.
Vielleicht wird dann ja klar was ich meine und wo wir uns falsch verstehen.
Also der vielumschwärmte Gruppenvertrag.
Ist das eigentlich ein echtes faßbares Konstrukt?
Bei uns ist es ein faßbares Konstrukt - wie schon gesagt, es sind die Dinge auf die sich die Mitspieler geeinigt haben.
Oder einfach nur ein Strohmann für Diskussionsunwillige.
Ganz im Gegenteil, es ist eher ein Impulsgeber für Diskussionsfreudige.
Und er hilft bei Diskussionen. Denn seine Existenz beweist, dass man sich auf Dinge einigen kann,
wodurch Leute, die Lösungen suchen, ermutigt werden eine Diskussion zu initiieren.
Und er kürzt immer wiederkehrende Diskussionen ab, denn "zu diesem Thema hat man dann schon eine Regelung gefunden".
Was nicht bedeutet, dass man nicht ab und zu schauen sollte, ob die immer noch praktikabel ist.
Aber wie ist das bei euch?
Wie ist euer Gruppenvertrag entstanden?
Sehr früh, aus den Erfahrungen heraus, dass es ohne Absprachen nicht geht.
Einige der ersten Regeln waren Faustformeln wie "Ein Charakter muss teamfähig gestaltet sein" oder "Ein Charakter muss Abenteuertauglich gestaltet sein" oder auch "Der Gastgeber sorgt für die Getränke und organisiert eine Umlage".
Später dann mit präziseren Regeln, weil wir problematischere Spieler in der Runde hatten.
Steht der irgendwo geschrieben?
Es gab Zeiten, da war es nötig, die Regeln schriftlich festzuhalten. Inzwischen sind wir längst so eingespielt, dass wir das nicht mehr brauchen.
Haben auch nach der 20ten Spielrunde alle Spieler noch den selben Gruppenvertrag in ihren Köpfen
(Was ich für wenig wahrscheinlich halte, wenn er nirgends nachzulesen ist)
Die wichtigen Dinge haben die Spieler im Kopf.
Denn sie sind seit Jahren im Gebrauch und alle haben gelernt, was passiert, wenn sie nicht eingehalten werden.
Wie genau ist euer Gruppenvertrag?
Teilweise sehr genau (zum Beispiel bei Absprachen, bis wann man sich abmelden sollte, oder wann und wo wir spielen)
Teilweise auch vage und interpretationsfähig ("Charaktere müssen teamfähig sein", "Charaktere müssen Abenteuerfähig sein")
WelchenBeitrag leisten neue Spieler zum Grupenvertrag?
Wir haben seit cirka 10 Jahren keine neuen Spieler.
Früher wurden sie entweder über den Gruppenvertrag durch das Niedergeschriebene informiert,
oder eben nach und nach aufgelärt, wenn es wichtig wurde.
Gemeint ist der Gruppenvertrag, so wie ich ihn definiert habe - "das, worauf sich alle geeinigt haben".
Wenn Du von etwas anderem reden möchtest, Thalamus zB "das was jeder für sich im Kopf hat", dann ist das nicht das, was ich unter Gruppenvertrag verstehe - aber dann musst Du auch bitte erläutern, worüber Du sprechen möchtest.
Andere bestandteile des Gruppenvertrages:
Während der Star Wars Kampagne: "Alle Charaktere müssen gute Gründe haben, dem Imperium feindlich gegenüber eingestellt zu sein."
Früher: "Unterhaltungen in der Metaebene sind mit dem Wort 'Skip' einzuleiten und mit 'Skip Ende' zu beenden" (wie gesagt, ganz ganz früher...
)
Eine Weile lang: "Playerkill ist nicht erwünscht!"
Früher: "Es soll zwischen Spieler und Charakterwissen unterscheiden werden!"
Heute: "Auf das Spielerwissen darf bei Entscheidungen über Charakterhandlungen zurückgegriffen werden, wenn das das Rollenspiel positiv beeinflusst."
Früher: "Der Spielleiter ist für den Spielspaß primär verantwortlich!"
Heute: "Jeder einzelne Spieler ist für den Spielspaß aller Spieler und des Spielleiters verantwortlich."
Wer wacht über die Einhaltung des Gruppenvertrages:
alle
Ich sehe es nicht so schwierig, einen Gruppenvertrag einzuhalten und im Kopf zu behalten, denn es sind Abmachungen, auf die man sich geeinigt hat. Das ist genau so, wie in einem Stammtischtreffen, einem Großen-Forum-Treffen oder einem Kegelverein, einer kleinen Firma oder in einer Beziehung.
Irgendwann merkt jemand, dass etwas Probleme bereitet, dann findet sich eine Lösung und dann wird sich darauf geeinigt, dass so weiter verfahren wird. Wer es mal vergisst, wird daran erinnert. Wer sich prinzipiell nicht daran hält, der wird irgendwann sehen, dass er alleine steht.
Auf dem Großen Treffen (als Beispiel) haben wir auch Abmachungen getroffen, wie Spielrunden zu organisieren sind, wie die Räume genutzt werden und wie die Schlafraumschlüssel verwaltet werden. Und alle halten sich dran. Und es steht nirgends geschrieben. Und wenn einer mal das vergisst, wie es läuft, dann muss er sich ggf. einen Kommentar anhören und dann ist es okay. Neulinge werden kurz Informiert. Wenn die Heimleitung plötzlich was neues Erfindet, woran man sich halten muss, wird auch da eine Abmachung gefunden und fertig. Beim großen Treffen gibts zwar keine Basisdemokratie (wegen der Menge) aber es gibt auch den ewigen kleinen Kreis der üblich Verdächtigen, die sich engagieren und die bei solchen Dingen dann auch gefragt werden, wie sie das meinen.
Und es funktioniert!
Ein Gruppenvertrag ist etwas ganz einfaches, eigendynamisches.
Und wenn im Gruppenvertrag Dinge fehlen und deswegen etwas schiefgeht, wird man darauf aufmerksam und bessert ihn nach.
Dementsprechend ist das Fremdgehbeispiel nicht ein Beispiel für die Nichtexistenz, sondern nur, dass dieser Gruppenvertrag offensichtlich nicht ausreichend war - beim nächsten Mal wird das dem Betroffenen nicht noch einmal passieren, dass er das nicht klärt - was ihm aber nicht garantiert, dass ihm das nicht noch mal widerfährt. Und auch das ist beim Gruppenvertrag so: Die Einhaltung und das Funktionieren ist nie garantiert, da sich die Umstände stetig anpassen und der Gruppenvertrag auch immer wieder angepasst werden müsste. Was aber meist erst passiert, wenn man merkt, dass es schief geht.