Wir haben am Freitag nach der Spiel auf Stefan Sauerbiers Rollenspielschaffernetzwerkabend sehr ausgiebig über das Thema diskutiert. Die einhellige Meinung ist, dass Rollenspiel mehr Marketing und bessere (vielleicht auch: andere) Produkte braucht.
Sicher, die traditionelle Zielgruppe bricht weg bzw. gibt nicht mehr so viel Geld für ihr Hobby aus, weil sie Geld und Zeit leichter für andere Sachen aufbringen kann. Ist halt so. Gleichzeitig sind die Ansprüche der aktive Zielgruppe gestiegen: Aufwendige und dicke Bücher, 4-Farbdruck, viele Produkterscheinungen, möglichst großes Engagement und Bekanntheit etc...
Und genau da geht die Schere auseinander: Die Verlage stellen sich auf die neue Zielgruppe ein, indem sie weniger veröffentlichen (nicht rentable Linien aus dem Programm nehmen), ihre Mitarbeiter reduzieren und ihr Engagement verkleinern (weniger Medien-/Eventpräsenz und Werbung), um Kosten zu sparen. Das führt aber natürlich auch dazu, dass Rollenspiel weit weniger sichtbar wird - und damit neue Spieler weit weniger stark akquiriert werden.
Aber die existierenden Rollenspieler wollen immer noch so viel, wie es aus der guten alten Zeit kannten: viele Neuerscheinungen, große Auswahl, fette Bücher - und sind deshalb unzufrieden: "Die wollen eh nur Kohle machen..." (Natürlich, sonst könnte ich meine Kohle auch einfach aus dem Fenster werden, anstatt Zeit und Geld zu investieren, um Bücher herauszubringen).
Die Rollenspielunternehmen produzieren für Rollenspieler - und da liegt das Problem. Viel zu lange wurde nur für die Sammler und Traditionsspieler veröffentlicht - die Verlage hat es wenig interessiert, ob das Spiel auch gespielt wurde oder ob es neue Spieler ins Hobby brachte: Man hat ein neues Spiel herausgebracht und gehofft, dass es Spieler von anderen Systemen herlockt und nicht die eigenen Spieler (denn die bestehenden Spieler eines Systems haben nicht plötzlich doppelt so viel Geld zum ausgeben, nur weil sie jetzt zwei Spiellinien toll finden - im Normalfall steigen sie um und konzentrieren sich auf die neuere, tollere Sache).
Um das Dilemma zu lösen gibt's nur paar Wege:
1. Andere Produkte für eine größere Zielgruppe: Diese können Elemente des Rollenspiels aufweisen, sind aber letztendlich eine ganz andere Art von Spiel: Gemeinschaftliches Erzählen, Raten oder Brettspielen mit RPG-Elementen
2. Mehr Präsenz für neue Spieler: Hier wäre das Fandom gefordert: Wenn die Rollenspieler auf die Straße gehen würden, in die Kneipen, Jugendhäuser, auf die Bierfeste, Literaturmessen und Vereinsveranstaltungen und dort offenes Spiel praktizieren würden, hätten wir von einem Tag auf den anderen neue Spieler: Rollenspieler pflanzen sich durch Verknospung fort: Erst spielt jemand mit seiner Runde und dann knospt sich einer der Spieler ab und erschafft seine eigene Runde und so fort und so weiter. In Gemeinden, die einen funktionierenden, erfolgreichen Verein haben, funktioniert das genauso.
Aber könnten nicht die Verlage nicht einfach groß Werbung schalten? Könnten sie - und damit massiv Geld verbrennen. Solange nicht die Infrastruktur zum Ausprobieren und ein Netzwerk besteht, das einen an das Spiel heranführt, würde auch die beste und tollste Werbung verpuffen: Selbst wenn Interessenten ein Buch kaufen würden, könnten sie dann erstmal überhaupt nicht spielen, weil sie keine Mitspieler hätten - und nicht wüssten, wo sie sie finden könnten...
Ein Rollenspiel braucht nunmal ein großes Netzwerk an Spielern, um erfolgreich zu sein - denn dann kann es am einfachsten neue Spieler rekrutieren...
3. Rollenspiel als Event.
Weg vom ewigen Spiel - hin zu gemütlichen Treffen, Oneshots und Kurzkampagnen. So können Leute Rollenspiel ausprobieren, ohne sich für Wochen und Monate verpflichten zu müssen...
Alle diese Wege werden von verschiedenen Verlagen und Organisationen schon teilweise gegangen - aber halt noch viel zu wenig...