Grundsätzlich denke ich da an zwei Punkte.
Einerseits: die Leute, die das Rolli geschrieben haben, verdienen damit ihren Lebensunterhalt, sind also Profis. Daher ist es wenigstens wahrscheinlich, dass eine Regel Hand und Fuß hat, so wie sie geschrieben steht. Somit sollte man erstmal genau überlegen _warum_ die Regel so ist, wie sie ist, ehe man in jugendlichem Leichtsinn daran herumbastelt.
Andererseits: auch die Profis sind nur Menschen, die kochen auch bloß mit Wasser, oder wie meine Ex es auszudrücken pflegt, "die müssen auch aufs Klo". Im Klartext, manchmal bauen die auch Mist, und wenn man sowas entdeckt, dann kann man es getrost verbessern.
1. Was macht ihr wenn eine Regel nicht definiert ist?
Der Spieler möchte eine Amnesie als Nachteil bei Shadowrun 4.01
Allgemein: überlegen, ob die Regel aus gutem Grund nicht definiert ist. Falls sie tatsächlich einfach "fehlt", über eine sinnvolle Gestaltung nachdenken.
Dein Beispiel: bei SR4 weiss ich's nicht, aber bei SR3 gab es ja Amnesie als Nachteil. Prompt hat eine Spielerin versucht, es auszunützen, und wollte die Bonuspunkte für ein paar schlappe Monate Gedächtnisverlust haben. Nix da, hab ich gesagt, Amnesie heisst, dass du gar nichts mehr aus deiner Vergangenheit weißt.
Anderes Beispiel: bei D20 gibt es immer und immer wieder z.B. den Ruf nach Waffengeschwindigkeiten (meist in Form von Ini-Modifikatoren), weil ja ein Dolch schneller ist als eine Axt. Das ist also scheinbar eine "fehlende" Regel. Die fehlt aber aus gutem Grund, bzw. aus mehreren guten Gründen. Um den immer wiederkehrenden Diskussionen zuvorzukommen, müssten sie ins Buch einen Sidebar schreiben, _warum_ es so ist und nicht anders, und diese Ini-Modifikatoren eine Schnapsidee sind.
2. Muss jede Regel umgesetzt werden(egal wie schlecht oder kompliziert)?
DSA, Reichweiten + Waffenvergleichsregel für Waffen. Im Kampf bei mehreren Spielern und Gegnern diese im gegenseitigen Verhältnis zu behalten ist sehr komplex. (Gibt sicher bessere Beispiele)
Allgemein: nein, schlechte Regeln müssen nicht umgesetzt werden. Man sollte halt beim Streichen derselben darauf achten, dass das System dann insgesamt noch stimmig und gebalancet ist, bzw. mit
so wenig Regeländerungen wie möglich nachdifferenzieren.
Dein Beispiel: DSA? Nein. =)
3. Es kommen neue oder ihr findet eine Regeln, wer bestimmt ob sie benutzt werden?
Ihr entdeckt eine Regel und bemerkt ein Spieler würde Abzüge bekommen. (oder halt mit neuen Büchern, welche neu veröffentlich werden. Denkt auch mal an Errata)
Grundsätzlich ist der SL hier der "Primus inter pares", und hat sozusagen das letzte Wort. Wenn Regeln "nachgeschoben" werden, erörtert man das eben mit allen betroffenen Spielern. Wenn die neue Regel für grundsätzlich gut befunden wird, und man sie übernehmen will, erlaubt man eben den Spielern, ihre Charaktere entsprechend umzubauen. Das ist ja meistens keine große Sache und schadet niemandem.
4. Gibt es bei euch Ausnahmen, um ein rollenspielerisches Konzept spielbar zu machen oder muss eine Sonderhausregel aufgesetzt werden um wieder eine Regel zu haben?
Schlagwort: Gute Assassine bei D&D
Mnjah, mal so, mal so. Es gibt halt einerseits Regeln, die nur "Flavour" sind und die man getrost kicken kann. Und andere sind eben kein Flavour, sondern Balancing. Dass Assassinen immer "evil" sein müssen, würde ich wohl eher als "Flavour" einsortieren -- man kann sie zumindest auch neutral sein lassen. Was anderes ist es z.B. bei Sorcerern, die nicht rechtschaffen sein dürfen - weil es sonst nur so vor Pally-Sorcs wimmeln würde, die doppelten Nutzen aus ihrem Charisma ziehen. Da ist es also Balancing.
5. Eine Regel wird beim spielen als zu stark erkannt oder wird als "broken" identifiziert. Wird es verboten oder versucht es anzupassen - oder ist es erlaubt, weil es in den Regeln steht?
"Lloth touched"-template aus D&D
Normalerweise bin ich da eher fürs nerfen. Also anpassen. Siehe ganz oben: auch Designer bauen mal scheisse.
Bei Conan z.B. sind Zweihandwaffen viel stärker als alles andere, und stärker als in normalem D20. Das kann man nun entweder so hinnehmen, weil ja jeder die Möglichkeit hat, eine ZHW zu benutzen. Oder man will nicht, dass die ganze Welt mit ZHW rumläuft (oder ansonsten abstinkt), dann setzt man eben den ZH-Schaden eine Stufe runter, fertig.
6. Darf der Spielleiter neue Kreaturen/Rassen erfinden oder darf er nur das Regelwerk nutzen?
Ein Spielleiter möchte bei Shadowrun die Spieler einen kleinen Clan Medusen finden lassen (wüsste nicht das die im Regelwerk sind)
Zum Zwecke von Encountern darf der SL erfinden, was immer ihm in den Kram passt.
Wesentlich größere Vorsicht ist dagegen angebracht, wenn es um spielbare Rassen (oder Klassen) geht. Da ist die Gefahr, eine neue Option zu schwach oder zu stark zu machen, wesentlich größer. Bzw die Gefahr ist die gleiche, aber die Konsequenzen sind weitreichender. Deswegen lasse ich davon die Finger. Aber neue Kreaturen für Encounter sind bei mir auch an der Tagesordnung.