Ein wenig unausgeglichen und undurchdacht wirkt's halt trotzdem zum Teil. Sicher, das streitet in diesem Thread ja auch niemand ab.
Es ist halt nicht durchdesigned, sondern hat sich über Jahre aus 'nem D&D-Clon entwickelt. Da brauch man gar nicht rumdiskutieren, da paßt nicht alles 100%. Und über manche Redax-Entscheidungen scheiden sich ja auch die Geister...
Da ist es sicherlich auch Glück, dass im Bereich der "allgemeinen" (viele Themen, Stile und Bereiche abdeckenden) Spielwelten die Konkurrenz handwerklich teils nicht mehr zustande bringt. Aber davon ab hat DSA eben auch seine ur-eigenen Stärken, wegen denen es gespielt wird.
Für mich gehört dazu:
- Die leichte Zugänglichkeit. Aventurien deckt die meisten nicht-hochmagischen Genres ab, und bietet bei allen genug Klische um sich gleich darin zurechtzufinden.
- Die Flexibilität in der der Charaktererstellung. Das ist zwar (zum Glück) nichts wirklich besonderes. Aber bei alten Klassen-Level-Systemen wie D&D (3.x) oder Earthdawn kann sie einem doch fehlen.
- Die Liebe zum Detail. Zum Beispiel in den Easter Eggs, oder im Spiel mit Vorlagen. Und eben auch sehr stark an den einprägsamen NSCs. Aventurien ist einfach weit mehr als ein bunt angemalter Spielmechanismus.
- Die Komplexität und Tiefe. Auch wenn man für die Kulturen, Religionen und Regionen schnell ein Gespür entwickelt, so kann man da fast beliebig weiter eintauchen. Und dann wird's auch sehr schnell sehr aventurisch. Gerade die Glaubenswelt find ich einfach unerreicht. Aber auch die Magietheorien sind sehr stimmig. Und letztlich gibt eine aventurische Geschichte voller Mythen und Legend, die immer wieder in Andeutungen und Abenteuern aufgegriffen werden.
- Das Denken in Geschichten. Man kann DSA auch simulationistisch und total ergebnisoffen spielen. Aber letztlich profitieren glaub besonders Spieler von DSA, die eher cineastisch denken. Da ist es dann nicht so wichtig dass man alle Probleme auch 100% selbst gelöst hat, wichtiger ist, dass die Story vorangeht, dass es zu posigen Szenen kommt, dass die Helden sich heldenhaft schlagen.
- Die epische Kontinuität. Man muss sich nicht mit dem "offiziellen" Aventurien rumplagen. Aber man kann es. Es gibt in DSA Abenteuer und Kampagnen, die mehr sind als ein austauschbarer Event. Sie werden in der Geschichte Aventuriens wieder aufgegriffen, manchmal in Hintergrundbänden, manchmal in folgenden Abenteuern. Das sorgt für dieses Gefühl, dass die Charakter-Handlungen auch epische Konsequenzen haben. Oder schlicht für das "Das war damals mein Charakter XYZ"-Gefühl. Sicher, das kann man haben, wenn man sich seine eigene Spielwelt-Kampagne aufbaut. Aber gerade bei Kaufabenteuern geht da glaub kein anderes System so weit wie DSA. (Auch wenn SR oder Earthdawn etwa prominente Ereignisse zum Nachspielen anbieten.)
Oder anders ausgedrückt: Würde man die Charakteristika von Mittelerde und den Fading Suns zusammenwerfen käme da womöglich Aventurien bei raus.