Autor Thema: System und weiterführende Begriffe  (Gelesen 17004 mal)

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Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #50 am: 7.01.2008 | 11:43 »
Ich hoffe also, dass du meine (Wider-)Worte jetzt nicht als Totalopposition verstehst, sondern als lebhafte, aber dennoch konstruktive Diskussion. So sind sie wenigstens gemeint. :)

Keine Sorge, ich fühle mich wohl  :d

Obwohl natürlich zum extensiven L-System noch viele Fragen offen sind, möchte ich diese gerne für einen Moment ruhen lassen und – wenn man so möchte – zum Gegenangriff aufs praktische L-System blasen. Das ist natürlich etwas reißerisch formuliert und soll nur darauf hinweisen, dass mMn mitnichten klar wäre, was das praktische L-System ist. Dementsprechend ist dann auch nicht ganz klar, was man damit eigentlich machen kann.

(i) Welchen Umfang hat das praktische L-System? Es wurde im Verlauf der Diskussion schon einmal kurz erwähnt, dass man das praktische L-System auf unterschiedlich ausgedehnte Spielintervalle beziehen kann. Dies müsste man genauer klären. Die beiden Extremfälle sind: a) Zum praktischen L-System gehören alle MdEs, die von den Spielern bisher (im gesamten Spielverlauf) verwendet worden sind (maximales prakL-S). b) Zum praktischen L-System gehören nur die MdEs, die von den Spielern in der aktuellen Spielsituation verwendet werden (minimales prakL-S). Mit Blick auf die Minimalinterpretation bleibt natürlich der Begriff der Spielsituation auslegungsbedürftig. Ist damit bspw. ein einzelner Kampf oder eine einzelne Kampfsequenz oder vielleicht auch nur ein einziger Aspekt des Kampfes (getroffen oder nicht?; Anzahl der Trefferpunkte; Initiativreihenfolge etc.) gemeint?

(ii) Die Maximalinterpretation ist unattraktiv, weil die einmalige Verwendung eines MdE eine hinreichende Bedingung ist, diese MdE dem praktischen L-System zuzurechnen. Hier bleibt bspw. unberücksichtig, dass sich die Spieler darauf geeinigt haben könnten, das MdE nur noch modifiziert oder vielleicht auch gar nicht mehr zu verwenden. Das Problem für die Maximalinterpretation ist also folgendes Dilemma: entweder akzeptiert man, dass MdEs zum praktischen L-System gehören, die keine Relevanz mehr besitzen. Oder man baut eine Art Relevanzfilter oder eine Geltungsbedingung ein, womit man aber die ursprüngliche Idee verletzt, nur auf das zu gucken, was die Spieler gerade tun.

(iii) Um diesen letzten Punkt noch einmal auszuführen. Eine wichtige Frage für die gesamte Diskussion übers L-System (in allen seinen Varianten) lautet: Wie entscheidet man, was zum L-System gehört? Im Augenblick geht es ums praktische L-System. Wenn ich die bisherige Diskussion richtig verstanden habe, ist hier die Beobachterperspektive relevant, aus der einzig und allein das tatsächliche Spielgeschehen zugänglich ist. Man guckt sich an, wie gespielt wird und leitet daraus das praktische L-System ab. (Im Unterschied zum extensiven L-System, dessen Elemente – zumindest teilweise – auch ohne Beobachtung des Spielgeschehens bestimmbar sind. Aber dazu an anderer Stelle mehr.) Was die Spieler denken, ist hierbei unwichtig. Um nun aber die Geltung eines MdEs unabhängig von seiner aktuellen Verwendung zu bestimmen, ist eine Beobachtung des Spielprozesses nicht ausreichend. Man kann dem Spielgeschehen nicht ansehen, ob ein MdE, das gerade keine Rolle spielt, gilt oder nicht. Woran sollte man das auch erkennen? Aber wenn dies stimmt, dann kann ich auch keine Geltungsbedingung fürs praktische L-System definieren, ohne dass ich die Beobachterperspektive überschreite. Ist das klar?

(iv) Die Maximalinterpretation, derzufolge jedes MdE, das irgendwann zum Einsatz gekommen ist, zum praktischen L-System gehört, ist also unhaltbar. Aber sobald man dies eingestanden hat, wird es extrem schwierig anzugeben, wie man das Spielintervall bestimmen kann, für den das praktische L-System definiert ist. Dasselbe Problem, das gerade aufgezeigt worden ist, kann sich prinzipiell für jeden Zeitraum wiederholen, der mehr als eine einzelne Situation umfasst.

(v) Wir sind also auf die Minimalinterpretation zurückgeworfen, derzufolge zum praktischen L-System nur die MdEs gehören, die in der aktuellen Spielsituation tatsächlich angewendet werden. Dann würde sich aber das praktische L-System von Situation zu Situation verändern. Natürlich kann dieser Begriff auch irgendwelche interessanten Anwendungsbereiche haben. Aber man wäre damit ganz weit entfernt vom Vorverständnis des Systembegriffs (oder würde irgendein Rollenspieler je gedacht haben, dass er im Minutentakt sein System wechselt?).

(vi) Wenn ich es Recht sehe, lässt sich das Problem für den praktischen Systembegriff wie folgt fassen: Auf welche Weise erlaubt es der praktische Systembegriff nicht-aktuale MdEs zu intergrieren? Oder einfacher gesagt: Wie kann man MdEs, die gerade nicht verwendet werden, dem praktischen L-System zuordnen?

(vii) Und wenn sich diese letzte Frage beantworten lässt, dann nähert man das praktische an das extensive L-System an und muss zeigen, worin sich die beiden eigentlich unterscheiden.

Ich hoffe, dass eine genauere Klärung des praktischen L-Systems dazu beiträgt, den Nutzen des extensiven L-Systems deutlich zu machen. Auf Sinn und Funktion des extensiven L-Systems werde ich erst einmal nichts weiter sagen.


Ach ja, ursprünglich wollte ich in diesem Beitrag kurz erläutern, wieso ich nicht verstehe, wie man das positive vom praktischen L-System abgrenzen kann. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich gar nicht genau sagen kann, welche MdEs Bestandteil des praktischen L-Systems sind ...

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Offline Wolfenburg

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #51 am: 8.01.2008 | 15:01 »
Leider konnte ich die meisten Punkte nur quer lesen aber auch ich habe ein paar Anmerkungen:

Als  L-System wird doch die Gesamtheit der MdE gesehen die einfluss auf das Spiel haben.
Ein Teil der diskussion geht nun so, dass es ja MdM gibt die zwar gelten aber nicht benutzt werden, weshalb man zwischen praktischem und theoretischem L-System unterscheidet. Nun wage ich aber die behaubtung, dass auch nicht angewante (aber geltende) MdE Einfluss auf das Spiel haben. Ein Beispiel waeren Belastungsregeln, die zwar gelten aber nicht angewnd werden, da jeder von vorn herein mit leitem gepack reist. (auch weil sich niemand die muehe machen will seine Belasung auszurechnen).

Zwar stimme ich der Trennung in explizit und implizit zu, moechte aber auch hir sagen das die Grenze ueberhaubt nicht scharf ist. Sind regeln die durch Analogie gelten nun explizit oder implizit?

Zu "by the book": Viele Systeme bieten optionale regeln an. Was ist in diesem zusammenhang "by the book"?

Die frage was bei einem Konflikt von MdE passirt ist doch aber auch ein MdE. (In diesem Fall meistens ein implizietes) und definitiev ein essentieller bestandteil des L-Systems. Viele Systeme haben ja einen alles uebersimmendes MdE. (Der SL entscheidet bei unklarheit; Man wirft einen Wuerfel; Man schreit sich an ....)

Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #52 am: 8.01.2008 | 16:07 »
Als  L-System wird doch die Gesamtheit der MdE gesehen die einfluss auf das Spiel haben.
Ein Teil der diskussion geht nun so, dass es ja MdM gibt die zwar gelten aber nicht benutzt werden, weshalb man zwischen praktischem und theoretischem L-System unterscheidet. Nun wage ich aber die behaubtung, dass auch nicht angewante (aber geltende) MdE Einfluss auf das Spiel haben.

Vorneweg nur kurz die begriffliche Klarstellung, dass bisher zwischen praktischem und extensivem L-System unterschieden worden ist. Ich nehme mal an, dass Du unter dem "theoretischen" System das meinst, was bisher extensiv genannt worden ist - falls nicht, würde ich Dich bitten, das noch näher auszuführen.

Ich stimme Dir zu, dass als gültig akzeptierte MdEs bei den Planungen der Spieler eine Rolle spielen (können). Deswegen haben MdEs über ihre konkrete Anwendung hinaus Einfluss auf das Verhalten der Spieler. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, warum ich den Begriff des extensiven L-Systems für wichtig erachte.   

Zwar stimme ich der Trennung in explizit und implizit zu, moechte aber auch hir sagen das die Grenze ueberhaubt nicht scharf ist. Sind regeln die durch Analogie gelten nun explizit oder implizit?

Das hätte ich gerne noch genauer ausgeführt. Dr. Boomslang hat zwei Dimensionen des Expliziten und Impliziten unterschieden (vgl. Eingangspost). Demnach können sowohl Mittel wie auch Entscheidungen explizit oder implizit sein. Auf was genau bezieht sich nun Dein Hinweis, dass es möglicherweise Unschärfen gibt - auf Mittel oder auf Einigungen oder auf beides? Und könntest Du das mit der Gültigkeit durch Analogie noch näher ausführen?

Zu "by the book": Viele Systeme bieten optionale regeln an. Was ist in diesem zusammenhang "by the book"?

Ich würde sagen, dass es in diesem Fall müßig ist, den Begriff anzuwenden. Ist aber auch nicht so wichtig.

Die frage was bei einem Konflikt von MdE passirt ist doch aber auch ein MdE. (In diesem Fall meistens ein implizietes) und definitiev ein essentieller bestandteil des L-Systems.

Wieso ist das "definitiv ein essentieller des L-Systems"? Die Frage ist ernst gemeint. Wir versuchen hier ja gerade, den Begriff es L-Systems genauer zu verstehen und haben mit Dr. Boomslangs Vorschlag drei mögliche Auslegungen: extensiv, praktisch, positiv (vormals "eng"). Außerdem wurde diskutiert, ob nur die MdEs, die unmittelbar die Fiktion beeinflussen, zum L-System gehören oder auch andere. Ich verstehe, dass Du auch andere MdEs dazu zählst - aber was sind Deine Argumente dafür? (Da die Frage noch nicht geklärt ist, wäre es tatsächlich interessant, wenn Du ein paar gute Gedanken dazu liefern könntest.)
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Offline Dr.Boomslang

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #53 am: 8.01.2008 | 19:16 »
Wie kann man MdEs, die gerade nicht verwendet werden, dem praktischen L-System zuordnen?
Das praktische System ist quasi in seiner maximalen Variante ein Transkript des Spielgeschehens bezogen auf das System. Wenn die MdE Gegenstände wären dann wären dass alle die man im Verlaufe des Spiels mal angefasst hat, um mal eine Metapher zu gebrauchen. Dabei lässt man die Zukunft bewusst offen und die angesammelten MdE haben bewusst den Charakter einer Aufzeichnung, d.h. insbesondere kann man nur eine Aussage darüber treffen was sie in diesem speziellen Kontext für eine Funktion hatten nicht aber was sie in der Zukunft oder generell für eine Funktion haben.

Ach ja, ursprünglich wollte ich in diesem Beitrag kurz erläutern, wieso ich nicht verstehe, wie man das positive vom praktischen L-System abgrenzen kann.
Das positive System ist wie der Name (jetzt auch) andeuten soll, der Teil der tatsächlich zu einer Einigung geführt hat. Im praktischen System können noch MdE sein die zwar verwendet wurden, die aber nicht zu einer Einigung führen konnten, neue Elemente in den SIS einzuführen. Man kann bei dieser Restmenge (praktisches abzüglich positives System) wenn man möchte noch unterscheiden zwischen MdE mit denen man sich darauf geeinigt hat nichts zu ändern (obwohl das eigentlich eine Einigung ist) und MdE die gar nicht zu einem Ergebnis geführt haben und deshalb durch andere ersetzt werden mussten.

Letzteres meinte glaube ich auch Wolfenburg und ich halte das für eine sehr guten Hinweis. Die MdE liegen letztlich in einer Hierarchie vor, die die Reihenfolge der Anwendung vorgibt und auch für die Auflösung von Konflikten zwischen MdE sorgt.

Auch den Hinweis das MdE ohne benutzt zu werden Einfluss auf das Spiel nehmen ist so wie ich das sehe richtig, wobei man sich hier überlegen kann ob eher eine implizite Einigung vorliegt oder ob tatsächlich ein Spieler eine Einigung vorweg nimmt, weil er mit dem Verhalten der anderen Spieler plant und sich dann so verhält wie sie es gerne hätten. Das ist eine sehr interessante und auch wichtige Unterscheidung, ich bin mir nur nicht sicher inwiefern man die bei impliziten Einigungen machen kann.

Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #54 am: 8.01.2008 | 20:21 »
Das praktische System ist quasi in seiner maximalen Variante ein Transkript des Spielgeschehens bezogen auf das System. Wenn die MdE Gegenstände wären dann wären dass alle die man im Verlaufe des Spiels mal angefasst hat, um mal eine Metapher zu gebrauchen. Dabei lässt man die Zukunft bewusst offen und die angesammelten MdE haben bewusst den Charakter einer Aufzeichnung, d.h. insbesondere kann man nur eine Aussage darüber treffen was sie in diesem speziellen Kontext für eine Funktion hatten nicht aber was sie in der Zukunft oder generell für eine Funktion haben.

Das deckt sich ja mit dem, was ich bereits als maximales praktisches L-System definiert hatte. Die Definition ist zwar eindeutig - allein: Was soll ich damit anfangen? Wofür ist ein Transkript theoretisch oder praktisch relevant? Wenn man die Maximalinterpretation des praktischen Systems zugrunde legt, streicht man, wie Du selbst bemerkst, sowohl die prognostische Relevanz wie auch die Orientierungsfunktion für die Spieler.

Da ich den Begriff des praktischen L-Systems bisher nicht für irgendetwas verwenden wollte, soll es mir Recht sein, wenn man darunter nun einfach die Menge aller jemals angefassten MdE versteht. Allerdings entfernt sich dieser Begriff von meinem Vorverständnis des L-Prinzip - bisher bin ich davon ausgegangen, dass mit System aktuell geltende Mittel und nicht etwa irgendwann einmal benutzte Mittel gemeint sind. Das bestärkt mich in meiner Einschätzung, dass in erster Linie das extensive L-System von Bedeutung ist.

Eigentlich hatte ich gehofft, dass meine kritischen Ausführungen zum Begriff des praktischen L-Systems einen Widerspruch provozieren, so dass ich erkennen kann, was man mit dem Begriff anfangen kann. Nun stehe ich dort, wo Fred schon einmal stand:

Was genau nutzt uns ein Systembegriff, der keine Praxisrelevanz hat?

Welche Praxisrelevanz hat der praktische L-Systembegriff?

Das positive System ist wie der Name (jetzt auch) andeuten soll, der Teil der tatsächlich zu einer Einigung geführt hat. Im praktischen System können noch MdE sein die zwar verwendet wurden, die aber nicht zu einer Einigung führen konnten, neue Elemente in den SIS einzuführen. Man kann bei dieser Restmenge (praktisches abzüglich positives System) wenn man möchte noch unterscheiden zwischen MdE mit denen man sich darauf geeinigt hat nichts zu ändern (obwohl das eigentlich eine Einigung ist) und MdE die gar nicht zu einem Ergebnis geführt haben und deshalb durch andere ersetzt werden mussten.

Könntest Du vielleicht ein Beispiel dafür geben, wie ein MdE angewendet wird und gleichwohl nicht zur Einigung führt? Ich kann mir das im Augenblick nicht vorstellen. Hier nehme ich Bedenken wieder auf, die wir oben unter dem Stichwort "Geltung von Regeln" schon einmal angerissen haben. Du hast geschrieben:

Es ist die Frage wie man das "Gelten" von Regeln meint. Gelten tut eine Regel im Sinne des L-Systems auf unterschiedliche Weisen. Diese bringen uns wieder direkt zur Frage der Auslegung (extensiv, praktisch, eng). Jede dieser Auslegungen könnte man als das "Gelten" einer Regel oder allgemein eines MdE ansehen. Gilt ein MdE wenn es als solches verfügbar ist, wenn es benutzt wird, oder nur wenn auch eine Einigung zustande kommt? Das hat wie gesagt alles was für sich.
Alle Auslegungen außer der engen erlauben das Gelten von widersprüchlichen MdE. Für sich genommen sind sie MdE, aber zusammen gerät der Prozess der Einigung eventuell in der Praxis ins Stocken. Widersprüche müssen aufgelöst werden, entweder mit den MdE selbst oder mit höher liegenden MdE aus umfassenderen Systemen. In jedem Fall bleiben die MdE aber solche, weil sie den Einigungsprozess beeinflussen.

Um zum praktischen System zu gehören, muss ein MdE angewendet worden sein. Es geht hier (anders als beim extensiven L-System) nicht um hypothetische Geltung , sondern um faktische Anwendung. Aber unter welchen Umständen kann ein angewendetes MdE nicht zur Einigung führen? Für mich klingt das nach einem Selbstwiderspruch. Wenn ich bspw. die Regel anwende: "bei einer 20 trifft man immer", dann trifft man bei einer 20 immer. Wenn jemand eine 20 würfelt und nicht trifft, dann hat man die Regel (also das MdE) nicht angewendet.

Vor diesem Hintergrund kann ich dann auch meine Zweifel an der Unterscheidung von praktischem und positiven L-System erklären. Ich sehe keine Möglichkeit, wie ein MdE angwendet werden kann, ohne dass es zur Einigung führt. Damit wird dann aber die Unterscheidung, die ja gerade auf dieser Möglichkeit aufbaut, hinfällig.

Zum Zusammenhang von prädiziertem und extensiven System dann demnächst mehr.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #55 am: 8.01.2008 | 20:57 »
Ein angewandtes MdE ist eines für das, wie du es oben irgendwo formuliert hast, die Anwendungsbedingungen gelten. Nun kann es dazu kommen, dass für mehrere MdE diese Bedingungen gelten die MdE also gleichzeitig zur Anwendung kommen, es aber einen Widerspruch darüber gibt wohin die Verwendung der MdE führen soll.

Wenn es die Regel gibt "bei einer 20 trifft man immer" und aber auch die Regel "Mit dieser Rüstung gelten nur Treffer über 20", dann sind das beides MdE. Du wirst jetzt sagen es "gilt" aber faktisch nur eins davon, was auch richtig ist wenn man eine zweiwertige Logik voraussetzt, aber das muss ja nicht der Fall sein. Spieler nehmen einfach alle möglichen Regeln auf die sie für sich genommen für sinnvoll erachten und sehen Widersprüche erst später, weil sie nicht drauf geachtet haben, oder bestimmte Fälle nicht voraus zu sehen waren.
Beide Regeln könnten also in diesem Sinne gelten (die Spieler haben sie in das System aufgenommen). Man kann ja auch sehen dass der Widerspruch keiner sein muss, wenn z.B. eine Präzedenz (eine Anwendungshierarchie) unter den Regeln besteht. Diese Hierarchie kann aber eventuell erst durch ein weiteres (Meta)MdE herbeigeführt werden.

Im positiven System taucht dann z.B. nur auf "bei 20 trifft man immer" weil diese als höherwertig angesehen wurde, die andere Regel fällt raus, da sie in diesem Fall nicht zur Einigung führen konnte.

Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #56 am: 8.01.2008 | 21:14 »
Entschuldige bitte, ich will nicht impertinent sein - aber ich bin noch immer anderer Meinung

Ein angewandtes MdE ist eines für das, wie du es oben irgendwo formuliert hast, die Anwendungsbedingungen gelten.

Das stimmt so nicht: Weiter oben sprach ich davon, dass MdE, die Bestandteil des extensiven L-Systems sind, sobald ihre Anwendungsbedigungen vorliegen, durch die Spieler angewendet werden - sofern man sich nicht dagegen entscheidet. Ein MdE wendet sich nicht selbst an.


Nun kann es dazu kommen, dass für mehrere MdE diese Bedingungen gelten die MdE also gleichzeitig zur Anwendung kommen, es aber einen Widerspruch darüber gibt wohin die Verwendung der MdE führen soll.

Wie gesagt: Hier von Anwendung zu sprechen finde ich nicht nachvollziehbar. Wenn zwei MdE dieselben Anwendungsbedingungen haben, aber sich widersprechende Ergebnisse zeitigen würden, dann können sie gar nicht beide angewendet werden - man kann den Kuchen nicht essen und aufbewahren.

Wenn es die Regel gibt "bei einer 20 trifft man immer" und aber auch die Regel "Mit dieser Rüstung gelten nur Treffer über 20", dann sind das beides MdE. Du wirst jetzt sagen es "gilt" aber faktisch nur eins davon, was auch richtig ist wenn man eine zweiwertige Logik voraussetzt, aber das muss ja nicht der Fall sein.

Was das mit der zweiwertigen Logik zu tun hat, sehe ich noch nicht (lasse es mir aber gerne erklären). Aber ich habe in meinem letzten Beitrag ausdrücklich nicht davon gesprochen, dass eine der Regeln nicht gilt (da bin ich Deinem Sprachgebrauch gefolgt), sondern dass man sie nicht faktisch anwenden kann.

Spieler nehmen einfach alle möglichen Regeln auf die sie für sich genommen für sinnvoll erachten und sehen Widersprüche erst später, weil sie nicht drauf geachtet haben, oder bestimmte Fälle nicht voraus zu sehen waren.
Beide Regeln könnten also in diesem Sinne gelten (die Spieler haben sie in das System aufgenommen).

Das ist doch aber das extensive L-System. Von Anwendung ist hier (zurecht!) nicht mehr die Rede.

EDIT: Ich überlege gerade, ob Du unter dem praktischen L-System die MdE des extensiven Systems verstehst, deren Anwendungsbedingungen vorgelegen haben?
« Letzte Änderung: 8.01.2008 | 21:26 von Gaukelmeister »
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Offline Dr.Boomslang

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #57 am: 9.01.2008 | 00:38 »
Es ist schon richtig dass du dich nicht einfach überzeugen lässt. Ich bin ja auch dabei selbst zu überlegen wie sinnvoll diese Konzepte sind. Grade beim positiven System bin ich mir da auch nicht so sicher.

Ok, wir dürfen das Gelten eines MdE nicht mit seiner Anwendung durcheinander bringen (das ist der Unterschied zwischen extensivem und praktischen System), da hast du Recht. Meiner Ansicht nach gibt es hier aber noch einen Unterscheid zwischen Anwendung und erfolgreicher Anwendung (deshalb positives System).

Ich sehe die MdE als Mittel die einen Prozess der Einigung vorgeben. Dieser Prozess kann aber durch andere MdE behindert werden.

In diesem Sinne ist ein MdE schon zur Anwendung gekommen, wenn von allen Spielern im Spiel (also in der Praxis) ein Bezug dazu hergestellt wurde. Das Problem ist hier wie bei allem ab dem praktischen System, das wir den kompletten Bereich der impliziten Einigungen nur erfassen können, wenn wir in die Köpfe der Spieler sehen. Im Versuch ließe sich das eventuell durch Befragung ermitteln. Ignorieren wir das mal für einen Moment und sehen deshalb auf explizite Einigungen:
In einer Diskussion oder in einer Mechanik werden MdE "angerufen" (oder angefasst wie ich oben sagte), d.h. man macht sie nochmal für den Zweck der Einigung im Einzelfall für alle sichtbar (das ist explizite Einigung). Dadurch kann jeder Spieler nun einen Prozess erkennen der im Idealfall zur Einigung führt. Es werde z.B. Werte abgelesen und verglichen, eventuell auch noch Entscheidungen einzelner Spieler getroffen. Nehmen wir unser Beispiel "bei einer 20 trifft man immer". Der Prozess der bei Anwendung dieser Regel in Gang gesetzt wird ist z.B. das Vergleichen eines Würfelwurfes mit dem Wert 20, eventuell wird dann auch noch dazu übergegangen nachzusehen was ein Treffer bedeuten würde. Dabei kommt man dann vielleicht auf die Rüstungsregel und erkennnt, dass man auch diese verwenden könnte oder müsste. Das tut man und kommt über den Prozess zu einem Ergebnis das dem vorherigen widerspricht. Jetzt muss man ein "höheres" MdE aufrufen um diesen Konflikt zu lösen. Natürlich kann nachher nur ein MdE zur Einigung führen bzw für die Einigung verantwortlich sein (zusammen mit dem höheren), aber beide wurden aufgerufen, also verwendet.

Hier könnte man sich noch einen anderen Fall vorstellen, in dem gar kein Widerspruch für das Versagen eines MdE verantwortlich ist, sondern einfach die Unangemessenheit des MdE für den konkreten Fall (Fehlbenutzung oder Verwendung ohne Einfluss). "Würfel mal auf Spurensuche" (der SL beachtet den Wurf aber nicht). In diesem Fall ist ein MdE benutzt worden (es wurde aufgerufen) es hat aber nicht zur Einigung geführt (das was die Kompetenz des SL, der Wurf war egal).
Es können auch ganze Phasen der Einigung wieder gelöscht werden, wenn z.B. ein SC im Kampf gestorben ist, man reimt sich aber irgendwas zusammen warum das nicht passiert ist (es wurde nicht innerhalb des SIS was fortentwickelt, sondern es ist gar nicht erst passiert!). Die Einigung die mittels Mechanik herbeigeführt wurde (Mechanik wurde verwendet) hat keinen Einfluss auf die Einigung (der Prozess hätte so oder so ausgehen können), er wurde durch ein anderes MdE ersetzt, obwohl kein logische Widerspruch bestand.

Das ist so als ob ich ein Werkzeug in die Hand nehme, ein wenig damit arbeite und sehe dass es mich nicht weiter bringt, dann nehme ich das andere. Beide Werkzeuge habe ich angefasst, also benutzt (angewendet), aber nur eins hat mir letztlich geholfen.
Der Werkzeugkasten ist das extensive System, die angefassten Werkzeuge das praktische und das positive besteht aus den Werkzeugen mit denen ich was anfangen konnte.

Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #58 am: 9.01.2008 | 11:49 »
Inzwischen kann ich die Phänomene auseinander halten, die Du mit den Begriffen vom praktischen und positiven L-System auseinander halten möchtest. Als vorerst letzte Anmerkung dazu: "einigen" ist ein so genanntes Erfolgsverb - wenn man sich geeinigt hat, dann hat man sich geeinigt. Wenn ich nun (bisher) von MdE gesprochen habe, dann habe ich "Einigung" immer im Sinne dieser Erfolgslesart verstanden. Und ich habe nur die Mittel als MdE verstanden, die - sofern man sie anwendet - tatsächlich den Erfolg bringen. Da mir nichts daran gelegen ist, meine sprachlichen Intuitionen durchzudrücken, verstehe ich von jetzt an (im Rahmen dieser Diskussion) unter einem MdE immer ein Mittel, das, sofern man es verwendet, zur Einigung führen kann oder auch nicht. (Allerdings scheint mir diese schwächere Lesart nicht diejenige zu sein, die Lumpley in seiner Systemdefinition verwendet.)

Nun also weiter in der Diskussion. Offen ist mMn immer noch die Frage, wozu der praktische L-Systembegriff eigentlich wichtig ist. Nachdem nun festgestellt worden ist, dass darunter alles gefasst wird, was von den Spielern in einer Spielsituation als mögliches MdE in Erwägung gezogen wird - ganz gleich, ob es nun zur Einigung führt/geführt hat oder nicht -, scheint mir das praktische L-System vollends uninteressant. Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

Das positive L-System enthält alle MdE, die tatsächlich irgendwann erfolgreich verwendet worden sind. Es hat nun aber mit den Problemen zu kämpfen, die im Verlauf der Diskussion schon angesprochen worden sind: (i) es kann offenkundig inkonsistent sein; (ii) es hat keinerlei prognostische Relevanz; (iii) deswegen taugt es nicht zur Orientierung. Das einzige, was man damit machen kann, ist, eine Beschreibung zu geben, wie die Fiktion/der SIS gestaltet worden ist. Das ist natürlich auch was. Aber was genau mache ich mit dieser Beschreibung?

Der Begriff der Geltung spielt, soweit ich das sehen kann, einzig beim extensiven L-System eine Rolle. Wenn man wissen will, welche MdE gelten, dann hilft einem weder das praktische noch das positive L-System weiter. Da es in der faktischen Spielsituation permanent von enormer Bedeutung ist, welche MdE gelten, ist offenkundig, dass fürs Spielgeschehen nur der extensive L-Systembegriff wichtig ist. Aus der Perspektive der Spieler (Teilnehmerperspektive) interessiert nur, welche MdE man jetzt und in Zukunft zugrunde legt.

Fredi der Elch hat vorgeschlagen, den Begriff des extensiven L-Systems fallen zu lassen und nur vom prädizierten System zu sprechen:

Der Spieler orientiert sich daran, was er meint, wie das praktische System aussehen wird. Der Spieler gibt eine Prognose über das in der Zukunft liegende praktische System ab, deswegen hatte ich es mal testweise "prädiziertes System" genannt.

Ich vermute, dass "praktisches System" sich hier auf das bezieht, was Dr. Boomslang mit dem positiven L-System meint. Schließlich hilft es dem Spieler nicht, wenn er sich auf ein MdE verlässt, das im Endeffekt überhaupt nicht zur Einigung führt. Ich verstehe also Fredis prädiziertes System als die Menge der MdE, von denen der Spieler erwartet, das sie im Spielverlauf tatsächlich eine Einigung herbeiführen.

Fredi meinte nun, dass man den Begriff des extensiven L-Systems nicht braucht. Das ist falsch, denke ich. Denn die Erwartungen darüber, welche MdE relevant werden, können sich nur auf der Grundlage des extensiven L-Systems ausbilden. Dies hängt damit zusammen, dass nur das extensive L-System geltende MdE enthält.

Um das Schritt für Schritt vorzuführen:

(i) Ein Spieler fragt sich, welche MdE im Spielverlauf zur Anwendung kommen werden.
(ii) Wie kann er diese Frage beantworten? MMn besteht die einzige Möglichkeit, eine Antwort zu finden, darin, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche MdE allgemein akzeptiert worden sind.
(iii) Der Spieler muss voraussetzen, dass es MdE gibt, die von allen akzeptiert werden, so dass sie, sobald ihre Anwendungsbedingungen vorliegen, angewandt werden (und zu einer Einigung führen!).
(iv) Sofern ein Spieler davon ausgeht, dass es keine geltenden MdE gibt (oder er diese MdE nicht kennt), hat er keine Möglichkeit vorherzusehen, wie in einer Spielsituation Einigungen erzeugt werden. Stellen wir uns einfach vor, dass sich die Spieler zu Rollenspiel verabredet haben, ohne ein Regelwerk bestimmt zu haben. In dieser Situation ist es unmöglich, Erfolg versprechende Pläne zu schmieden.
(v) Also: Ohne Annahmen zum extensiven L-System kann ein Spieler kein prädiziertes System ausbilden.
(vi) Das prädizierte System ist nichts anderes als die Annahmen des Spielers über die geltenden MdE (möglicherweise ergänzt um systemunabhängige Erwägungen wie: "Welche Regeln werden tatsächlich zur Anwendung kommen?")

Nach wie vor problematisch sehe ich den Umstand, dass Dr. Boomslang Inkonsistenzen im extensiven L-System zulassen will. MMn fallen inkonsistente MdE, sobald sie von den Spielern erkannt werden, aus dem extensiven L-System heraus (werden modifiziert). Ich gehe davon aus, dass es hier ein Konsistenzideal gibt. Darüber werden wir im Folgenden mMn noch genauer nachdenken müssen.
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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #59 am: 9.01.2008 | 12:43 »
So wie ich es sehe ist das extensives L-System (das meinte ich oben mit theoretisch) das System, dass  Alle geltenden MdE enthaelt die gelten. (ob man nun davon weiss (explizit) oder nicht (impliziet). Sobald ein Konflikt auftaucht gibt es ein uebergeordnetes (Meta) MdE das   diesen Konflikt aufloest [1]. ( Die einzig andere Moeglichkeit ist ein abbruch, also das beenden des Spiels). Fuer mich fallen eigentlich praktisches und extensives L-System zusammen, wenn man jeweils annimmt, dass nicht mehr geltende MdE nicht teil des Systems sind.
Als Grud fuer das zusammenfallen sehe ich, dass eben auch nicht "aufgerufene" MdE einen einfluss haben. (Beispiel s.o.).

Zum analogi Begriff:

Als analog geltende MdE meinte ich Mittel die zwar nicht expliziet gelten aber die gelten weil eine andere explizite Situation analog geloest wird.  (z.B. die Regel, dass ein Charakter aufs Klo gehen kann ohne das ein Wurf noetig wird, wird analog uebertragen auf ein Charakter kann eine Wurst essen ohen das ein wurf noetig wird.)



[1] Sich anschreien, rumhaeulen und das androhen koerperlicher Geewalt sind auch MdE...... :-\ :o

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #60 am: 9.01.2008 | 12:59 »
Fuer mich fallen eigentlich praktisches und extensives L-System zusammen, wenn man jeweils annimmt, dass nicht mehr geltende MdE nicht teil des Systems sind.
Als Grud fuer das zusammenfallen sehe ich, dass eben auch nicht "aufgerufene" MdE einen einfluss haben. (Beispiel s.o.).

Das geht mir zu schnell. Immerhin haben wir im Verlauf der Diskussion jede Menge Mühe darauf verwendet, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Ohne eine Bezugnahme darauf, glaube ich Dir nicht so Recht. Um das noch inhaltlich anzufüttern: (i) Nicht angewendete (oder angefasste) MdE können einen Einfluss haben, müssen dies aber nicht. (ii) Der Einfluss nicht angewendeter (angefasster) MdE ist anderer Art als bei einer erfolgreichen Anwendung. Also Einfluss und Einigung sind nicht dasselbe. (iii) Nicht angewendete MdE gehören nicht zum praktischen L-System. (iv) Zum praktischen L-System können MdE gehören, die nicht mehr zum extensiven System gehören. (v) Das praktische System hat nichts mit Geltung zu tun. (Deswegen funktioniert auch Dein Vorschlag nicht so ohne Weiteres, nicht mehr geltende MdE aus dem praktischen System rauszuschmeißen.)

Das sind nur ein paar (wenn auch wesentliche) Unterschiede. Bevor ich Dir also abnehme, dass - entgegen des bisherigen Konsenses - praktisches und extensives L-System zusammenfallen, will ich mehr hören (allerdings gebe ich offen zu, dass ich sehr skeptisch bin, dass es sinnvoll ist, hier eine Gleichheit herzustellen - immerhin lassen sich unterschiedliche Phänomene damit beschreiben).

Als analog geltende MdE meinte ich Mittel die zwar nicht expliziet gelten aber die gelten weil eine andere explizite Situation analog geloest wird.  (z.B. die Regel, dass ein Charakter aufs Klo gehen kann ohne das ein Wurf noetig wird, wird analog uebertragen auf ein Charakter kann eine Wurst essen ohen das ein wurf noetig wird.)

MMn ist dies entweder ein Fall von Evidenz (implizit-implizit). Oder die Spieler einigen sich per Diskussion (Analogie=implizites Mittel, Einigung erfolgt explizit).

[1] Sich anschreien, rumhaeulen und das androhen koerperlicher Geewalt sind auch MdE...... :-\ :o

Das sind gute Vorschläge, um ein actiongeladenes Rollenspiel zu schreiben  :d
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Offline Wolfenburg

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #61 am: 9.01.2008 | 14:42 »
In der Tat ist das Posting sehr stark gekuerzt und ich denke auch nicht, dass beide Begriffe equivalent sind. Allerdings fallen sie im Limes eines unendlichen harmoniscen Spiels zusammen.
im bezug auf die o.g. Punkte:

i) ein MdE die Frage ist eben ob ein MdE das das das keinen Einfluss hat (Einfluss als obermenge von anwenden) ueberhaubt teil des Systems ist. ( Es waere auch nicht teil des extensiven l-Systems, da es implizit schon entfernt wurde).

ii) Nun was bedeutet Einigung?  Es gibt eben auch ein inverses und ein Neutrales MdE, so dass die nichtanwendung von MdE A dann eben die anwendung von MdE^(-1) nach sich zieht.

iii) s. ii). aber ich gebe dir recht.

iv) das ist die definitionsfrage. Ich wuerde aber sagen das man nicht mehr angewandte MdE auch aus dem Praktischem L-System streichen sollte.

v) s.o.

Wenn du als praktisches L-System also die Menge aller angefassten MdE nimmst, dann hat dieses aber nichts mehr mit dem aktuellen Spiel zu tuen (naja vielleicht kann ein Spieler erzaehlen wie es damals war als man sich angeschrieen hat, heute fliegen ja die faeuste :-) ). Wenn du also nur einen Begriff fuer diese Menge suchst, dann wuerde ich sie einfach als Menge der angefasten MdE (MaMdE) bezeichnen. Damit man aber etwas praktisches hat wuerde ich die Definiton waehlen, dass das praktische L-System die Menge aller MdE ist di gelten und die angefast werden/wurden. Genau in dem letzten Satz liegt eben das Problem, denn bis zum ersten Spiel ist diese Menge lehr....




Offline Dr.Boomslang

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #62 am: 9.01.2008 | 18:46 »
Und ich habe nur die Mittel als MdE verstanden, die - sofern man sie anwendet - tatsächlich den Erfolg bringen.
Verstehe. Das meinte ich aber von Anfang an nicht. Anwendung eines MdE ist also kein Synonym für die Einigung selbst.
Ich glaube in der Psychologie (zumindest kenne ich es aber aus der Kommunikationswissenschaft) gibt es etwas das sich "coordination device" nennt. Damit ist eine Information gemeint die eine Gruppe von Leuten teilt und die Gruppenmitglieder sind sich außerdem dieser gemeinsamen Information bewusst oder setzten sie voraus. Dadurch kann jedes Mitglied der Gruppe davon ausgehen dass auch die anderen die Information verwenden können oder werden, sollte es nötig sein, so können Handlungen koordiniert werden.
Ein MdE ist für mich so ein coordination device, das sich speziell auf die Einigung auf Spielinhalte bezieht.

Ich weiß nicht was beim ursprünglichen L-Prinzip wirklich gemeint war, das ist aber auch gar nicht so wichtig. Meine drei Auslegungen des L-Systems beruhen auf den drei Lesarten die mir offensichtlich erschienen, man mag das jetzt etwas anders sehen.
Es heißt "means by which the group agrees to imagined events". Je nachdem was man betont, also was man als Hauptteil ansieht, kommt eine der drei Lesarten heraus. Betont man die "means", also die Mittel, dann kommt man zum extensiven System (=alle Mittel). Betont man den Prozess der Einigung, dann kommt man zum praktischen System. Geht man von den "imagined events" aus und sieht dann nach durch welche "means" diese tatsächlich begründet sind, kommt man zum positiven System.

Man könnte tatsächlich argumentieren, dass dort nur "agrees" steht, also die Einigung schon vorausgesetzt wird. Ich habe jetzt so getan als ob dort stünde "die Mittel die die Gruppe benutzt um zu einer Einigung zu gelangen".

Ich würde aber gerne Fehlversuche der Einigung mit in der Beobachtung haben und ich denke auch das L-Prinzip gibt das noch her, oder?



Offen ist mMn immer noch die Frage, wozu der praktische L-Systembegriff eigentlich wichtig ist. Nachdem nun festgestellt worden ist, dass darunter alles gefasst wird, was von den Spielern in einer Spielsituation als mögliches MdE in Erwägung gezogen wird...
Das sieht ja im Sinne meiner Definition anders aus: Das praktische System ist das was sie tatsächlich benutzen. Es sind die MdE mit denen die Gruppe versucht gegen eine gemeinsame Einigung zu konvergieren, dieser Prozess muss aber nicht monoton auf die Einigung zulaufen und kann auch für eine kleine Menge MdE komplett scheitern.
Der praktische Systembegriff ist immer dann wichtig wenn wir Beobachtungen machen wollen. Am praktischen System kann man auch erkennen was die einzelnen Spieler eigentlich machen wollten, welche MdE sie also in den Einigungsprozess eingeführt haben. Hier kann man mehr als im positiven System auf Absichten einzelner Spieler schließen.



Das positive L-System enthält alle MdE, die tatsächlich irgendwann erfolgreich verwendet worden sind. [...] Das einzige, was man damit machen kann, ist, eine Beschreibung zu geben, wie die Fiktion/der SIS gestaltet worden ist. Das ist natürlich auch was. Aber was genau mache ich mit dieser Beschreibung?
Damit mache ich genau das was du sagst. Ich kann Fakten im SIS auf ihre Begründung im Spielprozess zurückführen. Damit kann man z.B. Qualitätskriterien für MdE ableiten. Wenn ein MdE nie im positiven System auftaucht, macht es seine Aufgabe offensichtlich nicht sehr gut. Die Gruppe sollte sich dann überlegen ob sie es nicht raus wirft.

Der Begriff der Geltung spielt, soweit ich das sehen kann, einzig beim extensiven L-System eine Rolle. Wenn man wissen will, welche MdE gelten, dann hilft einem weder das praktische noch das positive L-System weiter.
Sehe ich auch etwas anders. Das Auftauchen eines MdE im praktischen aber zumindest im positive System ist ein hinreichendes Kriterium für das Gelten eines MdE (aber kein notwendiges).


Ich verstehe also Fredis prädiziertes System als die Menge der MdE, von denen der Spieler erwartet, das sie im Spielverlauf tatsächlich eine Einigung herbeiführen.
Da sehe ich auch noch einige Unterschiede. Das prädizierte System ist die Vermutung des Spielers über das extensive System. Das sind die Regeln die er verwenden könnte um zu versuchen sich mit den anderen Spielern zu einigen. Er wird aber darüber hinaus im Sinne seiner Planung darüber nachdenken welche MdE aus diesem Raum Einigungen herbeiführen die zu seinen Gunsten ausfallen, das ist also nur ein Teil des positiven Systems auf das der einzelne Spieler dort abzielt.
Aus diesem Planungsprozess aller Spieler und der Auswahl der MdE ergeben sich dann das praktische und das positive System.

MMn fallen inkonsistente MdE, sobald sie von den Spielern erkannt werden, aus dem extensiven L-System heraus (werden modifiziert).
Die MdE fallen nicht einfach heraus, sie werden aber eventuell modifiziert oder ausgeschlossen (das ist wieder ein aktiver Gruppenprozess). Soweit stimme ich aber zu. Das schließt aber eben nicht aus dass das extensive System trotzdem logisch inkonsistent ist, alles hängt ja vom Erkenntnisprozess auf Gruppenebene ab. Es kann auch durch nichts garantiert werden dass das System jemals konsistent ist. Ein Konsistenzideal unter den Spielern gibt es aber wahrscheinlich (obwohl man darüber auch nochmal nachdenken darf).
Das einzige System das auf eine Art Konsistenz garantiert ist das positive (wenn man voraus setzt, dass Konsistenz zur Einigung nötig ist).
« Letzte Änderung: 9.01.2008 | 18:51 von Dr.Boomslang »

Kinshasa Beatboy

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #63 am: 9.01.2008 | 20:20 »
Ich glaube in der Psychologie (zumindest kenne ich es aber aus der Kommunikationswissenschaft) gibt es etwas das sich "coordination device" nennt.

Damit ist eine Information gemeint die eine Gruppe von Leuten teilt und die Gruppenmitglieder sind sich außerdem dieser gemeinsamen Information bewusst oder setzten sie voraus. Dadurch kann jedes Mitglied der Gruppe davon ausgehen dass auch die anderen die Information verwenden können oder werden, sollte es nötig sein, so können Handlungen koordiniert werden.
Ein MdE ist für mich so ein coordination device, das sich speziell auf die Einigung auf Spielinhalte bezieht.

Hey Boom,  hatte vor einiger Zeit schon mal auf so etwas im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Vorstellungsraum hingewiesen. "Coordination device" ist mir als Begriff zwar nicht bekannt, aber das Konzept stammt nach meiner Information ohnehin von Wegner und heißt "Transaktives Gedächtnis". Mehr hier.

Offline Wolfenburg

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #64 am: 9.01.2008 | 23:48 »
Dr.Boomslang letzter Beitrag  hat mich auf einen Interesanten Punkt hinngewiesen:

Wo beginnt und wo endet ein MdE?

Ich denke, dass am ende eines Entscheidungsprozesses immer eine Einigung steht (oder der abbruch des Spiels). Die Frage ist nun ob nun im Entscheidungsprozess viele MdE eingesetzt werden oder ob der Prozess nur eines verwendet.

Beispiel, Char. A will von einem Hausdach zum anderen Springen, nun einigen sich (sagen wir durch diskussion) die Spieler erst darauf, dass so ein Sprung moeglich, aber schwierig ist und entscheiden sich fuer eine Wuerfelprobe, die erschwert ist, die knapp scheitert womit der Charakter nun nicht sicher landet, sondern gegen die andere Hauswand knallt wo er nun versuchen kann sich zu retten....

Nun sind in diesem zusammenhang mehrere Einigungen aufgetaucht, die zur Einigung A haengt an der anderen Hauswand gefuehrt haben. Erstens wurde sich auf einen Wuerdelwurf geeinigt. Dieser hat dann ein Ergebniss geliefert.

nun ist eben die Frage ob nun ein MdE benutzt wurde oder erst ein meta Mittel (diskussion) und dann ein MdE (Wurf)

Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #65 am: 10.01.2008 | 12:43 »
Man könnte tatsächlich argumentieren, dass dort nur "agrees" steht, also die Einigung schon vorausgesetzt wird.

Genau, so habe ich das immer gelesen. Letztlich wäre damit die Fiktion das entscheidende Kriterium, um zu entscheiden, was zum System gehört.

Der praktische Systembegriff ist immer dann wichtig wenn wir Beobachtungen machen wollen. Am praktischen System kann man auch erkennen was die einzelnen Spieler eigentlich machen wollten, welche MdE sie also in den Einigungsprozess eingeführt haben. Hier kann man mehr als im positiven System auf Absichten einzelner Spieler schließen.

Wenn ich das Verhalten eines einzelnen Spielers beschreiben will, kann ich von dessen Annahmen übers L-System sprechen. Ich brauche dafür nicht unbedingt einen weiteren L-Systembegriff definieren. Natürlich kann man sagen, dass die Annahmen der Spieler übers L-System selbst wiederum eine Menge ergeben, die man als irgendeine L-System-Variante versteht. Ich finde aber, was jetzt nicht überraschen dürfte, dass man sich, sofern man den Begriff der (erfolgten) Einigung nicht zugrunde legt, vom L-System entfernt. Außerdem gibt es jetzt mMn zwei Arten von MdE, auf die sich der Spieler bezieht: (i) MdE, die von allen implizit oder explizit akzeptiert worden sind (extensives L-System); (ii) MdE, von denen der Spieler fälschlicherweise annimmt, dass sie zum extensiven L-System gehören. Zum praktischen L-System dürften, soweit ich das sehe, nur solche "angefassten" MdE gehören, die Bestandteil des extensiven L-Systems (gewesen) sind. Oder gehören zum praktischen L-System auch die MdE (ii)? Dann hätte man L-System-Elemente, die zu keinem Zeitpunkt von der gesamten Gruppe akzeptiert worden wären. Das ist unschön. Wenn man aber nur die MdE (i) als Kandidaten fürs praktische L-System ansieht, dann verlässt man die Beobachterebene und zieht zusätzliche Imformationen heran (nämlich das extensive L-System).

Sehe ich auch etwas anders. Das Auftauchen eines MdE im praktischen aber zumindest im positive System ist ein hinreichendes Kriterium für das Gelten eines MdE (aber kein notwendiges).

MdE im positiven L-System haben irgendwann einmal Geltung besessen. Aber das positive L-System kommt immer einen Schritt zu spät, wenn man so will. Denn erst nach erfolgter Einigung wird ein MdE Element des positiven L-Systems. Ob es aber in einer vergleichbaren Situation immer noch gelten wird, kann ich dem positiven L-System nicht ablesen. Mir geht es um zukünftige Geltung. Denn nur damit kann ich Prognosen treffen und mich als Spieler orientieren. Dass ein MdE im positiven L-System enthalten ist, schließt nicht aus, dass die Spieler sich darauf geeinigt haben, dieses MdE nicht mehr zu verwenden. Diese Einigung beeinflusst nur das extensive L-System.

Allerdings fallen sie im Limes eines unendlichen harmoniscen Spiels zusammen.
im bezug auf die o.g. Punkte

Nein.

i) ein MdE die Frage ist eben ob ein MdE das das das keinen Einfluss hat (Einfluss als obermenge von anwenden) ueberhaubt teil des Systems ist. ( Es waere auch nicht teil des extensiven l-Systems, da es implizit schon entfernt wurde).

Wieso wäre es nicht Teil des extensiven L-Systems? Wie kommst Du darauf, dass es entfernt worden wäre?

ii) Nun was bedeutet Einigung?  Es gibt eben auch ein inverses und ein Neutrales MdE, so dass die nichtanwendung von MdE A dann eben die anwendung von MdE^(-1) nach sich zieht.

Was soll das heißen? Es ist nicht so, dass ich immer, wenn ich A nicht tue, non-A tue. Was ist ein neutrales MdE?

iv) das ist die definitionsfrage. Ich wuerde aber sagen das man nicht mehr angewandte MdE auch aus dem Praktischem L-System streichen sollte.

Dann definierst Du das praktische L-System aber anders als bisher (ohne zu erläutern, wieso Deine Definition klarer oder nützlicher wäre). Was genau sind "nicht mehr angewandte MdE"? Auf welches Zeitintervall bezieht sich das?

Wenn du als praktisches L-System also die Menge aller angefassten MdE nimmst, dann hat dieses aber nichts mehr mit dem aktuellen Spiel zu tuen (naja vielleicht kann ein Spieler erzaehlen wie es damals war als man sich angeschrieen hat, heute fliegen ja die faeuste :-) ). Wenn du also nur einen Begriff fuer diese Menge suchst, dann wuerde ich sie einfach als Menge der angefasten MdE (MaMdE) bezeichnen. Damit man aber etwas praktisches hat wuerde ich die Definiton waehlen, dass das praktische L-System die Menge aller MdE ist di gelten und die angefast werden/wurden. Genau in dem letzten Satz liegt eben das Problem, denn bis zum ersten Spiel ist diese Menge lehr....

Diese Vorschläge finde ich nicht schlecht (ich habe ähnliche Überlegungen angestellt). Aber wie gesagt: Dr. Boomslang will etwas anderes (wenn ich ihn richtig verstehe).
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Offline Dr.Boomslang

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #66 am: 10.01.2008 | 16:33 »
Ich möchte deshalb die Fiktion nicht als alles entscheidendes Kriterium dafür was zu System gehört, weil das eine Umkehrung des Zusammenhangs wäre, nicht die Fiktion begründet System, sonder System schafft Fiktion (oder auch nicht, zumindest nicht driekt).
Es kommt mit darauf an wie die Fiktion entstanden ist und was während dieses Prozesses passiert, nicht nur darauf worauf man die Fiktion zurückführen kann. Damit allein würde man dem Prozess des Spiels nicht gerecht.


Wenn ich das Verhalten eines einzelnen Spielers beschreiben will, kann ich von dessen Annahmen übers L-System sprechen. Ich brauche dafür nicht unbedingt einen weiteren L-Systembegriff definieren.
Hier gilt aber Fredis Argument. Über die Annahmen der Spieler kann ich nichts erfahren, ich kann nicht in ihren Kopf gucken. Ich kann aber aufgrund ihrer Handlungen (=praktisches System) auf ihre Annahmen schließen.

Das sind einfach unterschiedliche Anwendungsfälle, die nur in ihrem Bereich Sinn ergeben, je nachdem was man voraussetzen möchte und was nicht. Ich sagte ja  schon, es kommt darauf an von welchen Element des Spiels das im L-Prinzip genannt wird man sich nähert.


Außerdem gibt es jetzt mMn zwei Arten von MdE, auf die sich der Spieler bezieht: (i) MdE, die von allen implizit oder explizit akzeptiert worden sind (extensives L-System); (ii) MdE, von denen der Spieler fälschlicherweise annimmt, dass sie zum extensiven L-System gehören. Zum praktischen L-System dürften, soweit ich das sehe, nur solche "angefassten" MdE gehören, die Bestandteil des extensiven L-Systems (gewesen) sind.
Richtig, so meinte ich das die ganz Zeit. Die MdE in (ii) sind ja eigentlich gar keine im Sinne der Definition. Deshalb entferne ich mich auch nicht vom L-Prinzip (weil ich solche uneigentlichen/angenommenen MdE nicht mit rein nehme).
Allerdings gibt es Typ (ii) (uneigentliche) MdE auch dann wenn man die gelungene Einigung voraussetzt. Es sind dann halt einfach die Mittel die keine Einigung bringen (das warum würde in diesem Fall aber nicht näher erfasst, im Gegensatz zu meiner Definition).

Wenn man aber nur die MdE (i) als Kandidaten fürs praktische L-System ansieht, dann verlässt man die Beobachterebene und zieht zusätzliche Imformationen heran (nämlich das extensive L-System).
Das sehe ich anders. Ich behaupte man kann unterscheiden ob ein MdE tatsächlich nicht vorliegt (der Spieler also fälschlich annimmt es handele sich um ein solches, das wäre dann auch nicht Teil des praktischen Systems, das müsste man extra behandeln), oder ob die Spieler es alle generell akzeptieren aber aufgrund von speziellen Umständen einfach nicht die Einigung erreichen.
Dafür braucht man keine Annahme über das extensive System, das kann man am Verhalten der Spieler erkennen.

Es ist halt ein Unterschied ob im Werkzeugkasten ein Werkzeug nicht drin ist das ich darin suche (weil ich denke es wäre drin), oder ob ich das Werkzeug zwar finde, es mir aber nicht weiter hilft weil es das falsche ist.

Beispiel: Spieler A beruft sich auf eine Regel X. Sofort wird er informiert dass die nicht gilt, wegen Hausregel Y. Er erinnert sich und es wird mit Regel Y weiter gemacht. -> Fehlannahme von Spieler A über das extensive System
Es kann sogar sein dass seine Einigung auf die Regel implizit war und er sich deshalb nicht daran erinnert. Es kommt dann nur darauf an wie sehr er sich dieser impliziten Zustimmung verpflichtet führt. Wenn er z.B. zugestimmt hat die Hausregeln der Gruppe zu übernehmen ohne diese aber zu kennen, kann es trotzdem sein dass er sie akzeptiert. Es kann aber auch sein dass er dies nicht tut, dann sind sowohl Regel X als auch Hausregel Y nicht teil des extensiven Systems, weil für die Hausregel die Zustimmung von Spieler A fehlt und für Regel X die Zustimmung aller anderen. Eine solche Regel kann nicht benutzt werden

Jetzt gehen wir davon aus Regel Y wird benutzt. Die Spieler versuchen sich zu einigen. Das verträgt sich aber eventuell nicht mit der gleichzeitigen Benutzung von Regel Z (Widerspruch). Oder es gelingt nicht Regel Y auf den vorliegenden Fall konsistent anzuwenden, obwohl grundsätzlich jeder der Ansicht ist dass der konkrete Fall nur von Regel Y abgedeckt wird (Einzelfallfehler).
MdE sind abstrakt. Sie Setzen keine Einigung auf etwas spezielles voraus, sondern sind nur Mittel die im konkreten Fall angewandt werden müssen. Sonst würde sowas gelten wie: Ein einmaliges MdE pro Einigung. Das will ich auf keinen Fall haben. Deswegen behandle ich ja schon die Einigung selbst als Einzelfall, nicht aber die Mittel.

Noch ein anderer Fall, den ich oben schon genannt habe, sind Entscheidungen ohne andauernde Auswirkung. Das scheinbare Einigen oder das Rückgängig machen von Einigungen. Hierbei kann man zwar sagen die Spieler haben sich auf "imagined events" geeinigt (deshalb tauchen solche MdE ja auch bei mir im praktischen System auf), der SIS als angenommene Fiktion auf der das Spiel später weiter aufbaut, enthält diese Einflüsse aber nicht mehr. Deshalb taucht sowas auch nicht im positiven System auf, das ist so eine Art Rückabwicklung des SIS zu System.

MdE im positiven L-System haben irgendwann einmal Geltung besessen. [...] Ob es aber in einer vergleichbaren Situation immer noch gelten wird, kann ich dem positiven L-System nicht ablesen. Mir geht es um zukünftige Geltung.
Naja, über zukünftige Geltung kann nur das extensive System was sagen und das ist nunmal praktisch nicht vollständig feststellbar.
Das praktische und das extensive System fallen dann trivialerweise zusammen, wenn in einem Spiel alles gemacht wird was man machen kann (auf Systemebene), wenn also jedes MdE benutzt wird das es gibt. Das kann man ein unendliches Spiel nennen. Eventuell ist es das was auch Wolfenburg meinte.

Trotz der Probleme mit der Praxis kann man logisch gültige und einfache Schlüsse ziehen. Wenn ein MdE im praktischen System beobachtet wird, dann ist das eine hinreichende Bedingung für seine Gültigkeit in dem Moment. Das bedeutet das MdE befindet sich auch im extensiven System (in dem Moment), und das wiederum bedeutet es wird höchstwahrscheinlich auch in Zukunft gelten, und zwar falls nichts am System geändert wird.
Ob es in einer vergleichbaren Situation auch zu einer Einigung führen wird, hängt doch extrem davon ab was man für "vergleichbare Situationen" hält. Es ist ja grade ein Merkmal von Rollenspielen, dass Situationen im Gegensatz zu rein formalen Spielen prinzipiell immer einzigartig sein können. Diesen Aspekt möchte ich nicht verlieren.


Damit man aber etwas praktisches hat wuerde ich die Definiton waehlen, dass das praktische L-System die Menge aller MdE ist di gelten und die angefast werden/wurden.
Somit habe ich auch nichts gegen diese Umschreibung meiner Definition. Das ist das was ich sage. Das ist das praktische System.
Man kann nun auch noch Fehlannahmen einzelner Spieler über MdE mit dazu nehmen, dann hat man sowas wie ein Transskript des Spiels auf Systemebene, wovon das praktische System eben nur eine Teilmenge ist.

Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #67 am: 10.01.2008 | 17:45 »
Ich möchte deshalb die Fiktion nicht als alles entscheidendes Kriterium dafür was zu System gehört, weil das eine Umkehrung des Zusammenhangs wäre, nicht die Fiktion begründet System, sonder System schafft Fiktion (oder auch nicht, zumindest nicht driekt).

Genau. Aber da bleibt trotzdem die Frage, wie man erkennt, dass etwas System ist. Du findest, dass etwas zum System gehören kann, das man zwar anwendet, das aber trotzdem nicht zur Fiktion führt. Das ist etwas, was ich bestreite. Aber da drehen wir uns jetzt im Kreis.

Es kommt mit darauf an wie die Fiktion entstanden ist und was während dieses Prozesses passiert, nicht nur darauf worauf man die Fiktion zurückführen kann. Damit allein würde man dem Prozess des Spiels nicht gerecht.

Ich will auch wissen, wie die Fiktion entstanden ist. Aber ich muss nicht alles, was während dieses Prozesses passiert, ins System packen. Mir reicht es, die Dinge ins System zu stecken, die tatsächlich zur Gestaltung der Fiktion geführt haben.

Hier gilt aber Fredis Argument. Über die Annahmen der Spieler kann ich nichts erfahren, ich kann nicht in ihren Kopf gucken. Ich kann aber aufgrund ihrer Handlungen (=praktisches System) auf ihre Annahmen schließen.

Ist schon klar. Etwas anderes wollte ich nicht behaupten (habe aber natürlich zu knapp formuliert).

Dafür braucht man keine Annahme über das extensive System, das kann man am Verhalten der Spieler erkennen.

Es ist halt ein Unterschied ob im Werkzeugkasten ein Werkzeug nicht drin ist das ich darin suche (weil ich denke es wäre drin), oder ob ich das Werkzeug zwar finde, es mir aber nicht weiter hilft weil es das falsche ist.

Klar ist das ein Unterschied. Aber ich bezweifle, dass Du diesen Unterschied in jedem Fall durch Beobachtung herausbekommen kannst. Denn im Unterschied zum Werkzeugkasten kannst Du hier nur implizit - nämlich durch Beobachtung des Spielerverhaltens - auf die Werkzeuge (MdE) schließen (mir ist bewusst, dass Du das weißt - ich wiederhole das nur der Vollständigkeit halber). Und hierbei wird es Situationen geben, in denen nicht klar ist, welche MdE allgemein akzeptiert worden sind. Wenn sich bspw. ein Spieler auf Regel X beruft und die anderen sagen nur, dass es ja auch Regel Y gibt, die dem gerade im Wege steht und deswegen wäre Regel X jetzt nicht einschlägig, dann ist nicht erkennbar, ob Regel X zum extensiven L-System gehört oder nicht. Natürlich können die anderen Spieler auch sagen: "Hey, die Regel gilt gar nicht." Aber wenn sie dies nicht tun, sondern in dieser Situation einfach nur auf ein anderes MdE zurückgreifen, dann steht man als Beobachter auf dem Schlauch. - Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, wie ich bisweilen gedacht habe. Unschärfen in der Beobachtung wird man wahrscheinlich immer in Kauf nehmen müssen.

Trotz der Probleme mit der Praxis kann man logisch gültige und einfache Schlüsse ziehen. Wenn ein MdE im praktischen System beobachtet wird, dann ist das eine hinreichende Bedingung für seine Gültigkeit in dem Moment. Das bedeutet das MdE befindet sich auch im extensiven System (in dem Moment), und das wiederum bedeutet es wird höchstwahrscheinlich auch in Zukunft gelten, und zwar falls nichts am System geändert wird.

Genau. Aber mit der Plausibilitätserwägung verlasse ich halt meine aufs reine Spielgeschehen konzentrierte Beobachterposition. Außerdem ist es zwar nicht die Regel, aber auch kein esoterischer Sonderfall, dass man ein MdE nach (vielleicht auch vielfach) erfolgter Anwendung modifiziert oder rauswirft. Hausregeln basieren ja häufig auf Erfahrungen mit MdE, die eine zeitlang verwendet worden sind.

Somit habe ich auch nichts gegen diese Umschreibung meiner Definition. Das ist das was ich sage. Das ist das praktische System.

Das wundert mich nun wieder. Entweder lesen wir Wolfenburgs Vorschlag unterschiedlich - oder ich habe Dich bisher falsch verstanden. Um zum praktischen L-System zu gehören, ist es ausreichend, dass ein MdE angefasst worden ist sowie Geltung besessen hat (beides muss der Fall sein). Über gegenwärtige Geltung wird dagegen nichts gesagt. Darum dreht sich doch ein Großteil unserer Kontroverse - oder bin ich jetzt voll neben der Spur?
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Offline Wolfenburg

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #68 am: 15.01.2008 | 10:48 »
Also fuer mich macht es kinen Sinn MdE im praktischen L-System zu haben die nicht mehr angewand werden. (Meistens wurden sie ja sogar explizit entfernt, bzw. ersetzt). Das System is ja das worauf sich ein Spieler berufen kann. Wenn er nun auf Regel X verweisst und alle sagen die haben wir aber durch regel Y ersetzt dann bewegt er sich eben nicht mehr im System, auch wenn X mal gegolten hat.

Offline Gaukelmeister

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Re: System und weiterführende Begriffe
« Antwort #69 am: 20.01.2008 | 12:53 »
Ein Punkt, der mir noch nicht ganz klar ist, betrifft den Bereich der Evidenz, also der MdE, bei denen sowohl das Mittel wie auch die Einigung implizit sind. Hierzu hat es bereits einen kurzen Austausch zwischen Dr. Boomslang und Fredi dem Elch gegeben. Die folgenden Zitate geben einen Eindruck der beiden konträren Positionen:

Damit machst du das komplette Weltwissen der Spieler zu MdE. Und das ist ja nun wirklich völliger Quatsch.

Es gilt auch hier zu beachten dass ein großer Teil des Weltwissens der Spieler auch ausgeschlossen ist, nämlich jener der nicht von allen Spielern geteilt wird, und auch das was alle teilen muss immer noch den Anspruch an ein MdE erfüllen.
Ansonsten dachte ich das wäre klar. Warum wohl gibt es keinen Computer der Rollenspiel machen kann? Rollenspiel ist ein Kommunikationsspiel das auf den vollen Umfang der Kommunikationsmöglichkeiten und das dahinter stehende Wissen angewiesen ist.
Jetzt verstehst du vielleicht auch warum mir die Nähe zum Fiktion schaffenden Prozess so wichtig war.

Die Frage ist also, ob man alle Annahmen über die Fiktion, die die Spieler stillschweigend teilen („Weltwissen“), zum System rechnen sollte oder nicht.

Dafür spricht, dass das Aussehen der Fiktion massiv durch Selbstverständlichkeiten (wie Gravitation oder Stoffwechsel etc.) geprägt ist.

Dagegen spricht der Umstand, dass diese Dinge allen Beteiligten selbstverständlich sind und unhinterfragt in sehr unterschiedliche Rollenspielsituationen eingehen, so dass der Begriff der Einigung schon extrem liberal verstanden werden muss, um ihn hier anzuwenden. Selbstverständlich können wir uns implizit darauf einigen, welches Fernsehprogramm wir schauen. Aber wir einigen uns nicht gleichermaßen implizit auf die Annahme, dass Sherlock Holmes kein drittes Auge am Hinterkopf hatte. Dass dies evident ist, spricht gerade dagegen, hier von einer Einigung zu sprechen (für mein Sprachgefühl).

Die evidenten Annahmen – zumindest ein wesentlicher Teil davon – fungieren als Fundament, auf dem der gesamte Prozess der Fiktionserschaffung und -gestaltung aufruht. Diese systematische Vorrangstellung muss in jedem Fall beachtet werden. Wie man begrifflich darauf reagiert, ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Ob man Evidenzen also als Teil des Systems versteht oder nicht, lasse ich erst einmal offen. Aber wenn es ein Teil des Systems ist, dann liegt dieser Teil nicht auf derselben Ebene, wie die anderen Teile, sondern ist sozusagen das allem anderen vorgeordnete System. Was meint Ihr?

Fredi, falls Du Lust hast, noch einmal etwas beizusteuern, würde ich mich sehr freuen. Ich bin mir etwas unsicher, wieso Du das Weltwissen im obigen Zitat klarerweise ausschließen willst, obwohl Du an anderer Stelle ziemlich viele Dinge, die zum Weltwissen gehören, dazurechnest:

Das System ist für mich die Gesamtheit der Elemente, die den kommunikativen Prozess steuern, der dann zur Fiktion führt. Regeln (implizit und explizit), Konventionene, Mindsets, Rollen, Erwartungen... lauter solche Dinge.

Welche Bereiche des Weltwissens sind Deiner Meinung nach Teil des Systems und welche nicht? Besteht der Unterschied zwischen der Beeinflussung der Kommunikation und der Beeinflussung der Fiktion (das würde ich dann gerne genauer erklärt haben)?
« Letzte Änderung: 20.01.2008 | 12:55 von Gaukelmeister »
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