@URPG
Basic D&D hatte keine Fertigkeiten und trotzdem sind die Leute damit jahrelang durch Dungeons gezogen und haben Monster erschlagen. Und nicht nur das, sie haben auch komplette epische Sagen erspielt. Warum war ihnen das möglich, obwohl sie als Spieler eines fertigkeitenlosen Systems minderbemittelt waren?
Ich hoffe mal, du meinst minderbemittelt im Sinne von "schlecht mit fertigkeiten und möglichkeiten Versorgt" und nicht anders? (Ich muß mal nachfragen, denn ich habe sowas nicht angedeutet und du unterstellst hier ja auch Leuten krankheiten wie es dir paßt). Ich selbst bin mit 29 Jahren und nur gut 17 davon Rollenspielerfahrung leider(?) kein D&D spieler der ersten Runde (und dazu noch nicht amerikaner), ich kann es immer nur mit HeroQuest vergleichen. Ja, dem Brettspiel. Da konnte man auch in 4 rollen schlüpfen, hatte angriffs, verteidigungswert, Lebenspunkte, zauber, Ausrüstung (so um 10 Gegenstände)...
Was mich irgend wann von HeroQuest abgebracht hat war, das es zum einen immer der selbe Ablauf war, trotz variabler Bodenpläne und 4 Figuren, und das - wenn man mal nicht schon alles tothaun könenn wollte - beim Neubeginn alle Charaktere gelich aussahen und sich auch alle Gleich entwickelten. Jeder Zauberer hatte irgend wann den Knüppel als eine der wenigen Waffen die er tragen konnte, etc. es wurde schlicht zum gähnen langweilig.
Sicher hällt dich nix davon ab, für deinen HeroQuest Barbaren eine Hintergrundgeschichte zu schreiben, die den Conan-Romanen noch eins draufsetzt, und man hat auch lange Spaß, aber man ist sehr bald sehr eingeschränkt...
Fertigkeiten waren garnicht notwendig, denn Fertigkeiten geben dem Rollenspieler nichts, was er vorher nicht schon konnte. Fertigkeiten sind nur eine andere Möglichkeit Nischenschutz zu betreiben. Anstatt dass man halt einfach die Klasse Magier wählt oder freiwilligen Verzicht übt, kauft man sich die Fertigkeiten Spruchzauberei und Magiekunde (und den Vorteil Magische Begabung).
Die Argumentation dahinter war, dass man mit Fertigkeiten viel mehr Möglichkeiten hat, als mit den eingeschränkten Klassen. Aber auch dem muss ich widersprechen, obwohl ich natürlich selbst jahrelang diesem Irrweg gegangen bin.
Da wird glaube ich ein kleiner Exkurs in "wafür brauchen wir Regeln" fällig. Sicher "braucht" niemand von uns ein Regelwerk, wir alle sind kreativ, manche von uns sogar intelligent und wir können ganz toll auch so Rollenspiele machen. Das konnten wir schleißlich schon früher auf dem Schulhof, der eine war Räuber, der andere Gendarme und so haben wir uns gejagdt. Bis zu dem Punkt, das der Räuber gefangen war. Der durfte dann nicht einfach wegrennen. Klar darf er das. Nein, darf er nicht, der Gendarm hat sich Handschellen ausgedacht. Darf er doch, der Räuber knackt die nämlich heimlich auf. Nein, darf er nicht, weil.....
Und schon haben wir den feinsten Streit. Um den zu vermeiden, oder zu mindest eine Grundlage zum Schlichten zu stellen brauchen wir Regeln. Mit denen haben wir eine Art gemeinsame Sprache und Vorgehensweise, wenn keiner entscheiden kann, will oder darf können wir würfeln, usw.
Um den Kreis zum Punkt weiter oben zu schließen: Regeln geben uns ein Gerüst, das wir benötigen. Je detailierter diese sind (wohl gemerkt: nicht kompliziert, sondern detailiert), desto besser klappt das ganze, desto individueller wird es und desto länger haben wir spaß dran.
Klassen (und in dieser Hinsicht Werte im Allgemeinen) schränken nur dann ein, wenn man als Spielrunde nicht den Mut hat sich aus der Willkür des Regelwerkes zu lösen. Von diesem Mut gestützt können die Spieler selbst entscheiden, wer und wie sie sind. Wenn sie eine Schankmaid auf der Kriegerklasse aufbauen wollen, ist das alleine ihre Entscheidung. Wenn der Krieger kein dummer Haudrauf, sondern ein Gelehrter ist, ist das auch ihre Sache.
Wenn man ich aber der Regelwillkür ergibt, dann nützen einem die fragliche Freiheit der Fertigkeiten auch nicht viel für die Ausgestaltung eines Charakter. Eher früher als später findet sich immer ein Charakterkonzept, dass sich mit Fertigkeiten nicht regelgetreu umsetzen lässt. Und ich spreche hier nicht von Obskuritäten, sondern von ganz normalen Konzepten.
An dieser Stelle muss man sich dann entweder damit begnügen, dass man manche Dinge einfach nicht machen kann, oder man beginnt sich aus der Regelwillkür zu befreien und seinen Charakter auszugestalten wie man möchte.
Ich höre es immer wieder, aber "die Regeln sind nicht schlecht, man muß sie nur total verändern und ignorieren, dann sind sie toll" ist einer der sinnfreisten zirkelschlüsse die ich je gehört habe. Regeln mit Klassen und Stufen sind vollkommen ausreichend. Aus denen kann man nämlich ausbrechen und es ganz anders machen, ohne Stufen und Klassen... Was hällt dich davon ab, funktionierende Regeln ohne Stufen und Klassen und mit mehr als 4 Fertigkeiten zu verwenden???
Doch damit nicht genug. Fertigkeitensystem, gerade wenn sie sehr spezifisch ausgebaut sind, bergen weitere Tücken.
ZB die Tücke der Fehlenden Fertigkeit. Da hat die Gruppe eine tolle, filmreife Idee, wie sie weiter kommen könnte, doch niemand hat die passende Fertigkeit. Ein Irrsinn, denn die Geschichten, die wir im Rollenspiel erzählen und die passenden Spiele, die wir dazu schreiben, stammen aus einer Ästhetik, in der potente Helden eben auch mit Witz und Verstand sich ihren Herausforderungen stellen.
Selbst wenn es Ausweichregeln für Fertigkeiten im System gibt, sind sie meist in einer Art gestrickt, die stärkeres Ausweichen nicht ermöglicht oder in einer Schwere bestraft, dass die Erfolgschancen gegen Null gehen. Dadurch kommt es zu einer Spezialisierung, die umso einschränkender ist, je umfangreicher das Fertigkeitensystem ist. Am Ende steht jedem Charakter nur sein Standardlösungweg zur Verfügung, womit das Spiel an Tiefe verliert.
Die Leute sind also kreativ genug, sich vollkommen aus dem Regelgerüst zu lösen und was (meist undurchdachtes und unausgegorenes, das sie nach enr woche wieder ändern) dahinzumurksen, aber du traust ihnen nicht zu, in ein Spiel mit Elektrotechnik und Computer als Fertigkeit das für ein bestimtmes Konzept fehlende "Elektronik" hinzuzufügen?
Klar, man kann argumentieren, das 40 fertigkeiten, mit den Möglichkeiten eigene hinzuzufügen und von einer verwandten auf die andere auszuweichen nciht detailiert genug ist... aber wenn man auf einem Standpunkt steht, das 4 Fertigkeiten vollkommen ausreichen ist das... mehr als albern. Ließt du ab und an was du schreibst?