Lenken wir die Debatte doch mal in eine etwas andere Richtung:
Das Spielen von weiblichen Charakteren durch weibliche Spieler
Da habe ich nämlich folgende Erfahrungen gemacht:
Erstens - In Sci-Fi- oder in der Gegenwart angesiedelten Rollenspielen (Superhelden, Action, Dämonenjäger, World of Darkness) absolut kein Problem. Frauen spielen häufig Frauen als Charaktere, da sie sich dann mehr oder weniger wie reale Frauen in der Gegenwart verhalten können oder wie "machtvolle" Versionen ihrerselbst.
Zweitens - In Fantasy-, Mittelalter- und Antike-Settings häufig nur dann der Fall, wenn es die Killer-Amazonen vom Dienst oder die supermächtigen, superkämpferischen, supersexy Magierinnen gibt. Ansonsten erlebe ich, dass erwachsene weibliche Spieler oft männliche Fantasy-Charaktere haben. (In D&D und DSA ist das Geschlecht einer Spielfigur im Grunde Jacke wie Hose, nach allem, was ich so mitbekommen habe. Dort herrscht immer fröhliche Fantasy-Gleichberechtigung.)
Drittens - Beim Bespielen von historischen Settings haben sich die weiblichen Spieler in unserem Spieleverein vor längerer Zeit darauf verständigt, historische Schranken und Konventionen, die das weibliche Geschlecht in dem Setiing betreffen würden, schlichtweg fallen zu lassen und jedes Setting (auch Arabien, das mittelalterliche China oder das antike Rom) so zu spielen, als ob jede Frau alles das machen und erreichen könnte wie jeder Mann, theoretisch zumindest. Sonst hätte nämlich keine der Spielerinnen dort Lust dazu gehabt, eine Frau in einem normalen Mittelalter-Setting (oder auch Renaissance oder Barock oder Industrialisierung) zu spielen.
Diesbezüglich hat zum Beispiel Mags the Axe aus dem Podcast "All Games Considered" vor ein paar Monaten gesagt, sie selbst würde keinen weiblichen Charakter "before the Bicentennial" spielen wollen. Zur Erklärung: "Bicentennial" heißt in Amerika das Jahr 1976, in dem die Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung begangen wurden. Heute sagt man noch ab und zu "Bicentennial" als umgangssprachliche Epochenbezeichnung im Sinne von "die zweite Hälfte der 70er Jahre" (nach der Ölkrise, Carter-Administration, Disco-Ära).
Mags, die selber eine Frau und Afroamerikanerin ist, meinte, alles vor dem Bicentennial wäre für sie als Frau grauenhaft zu spielen, geschweige denn ein Setting, in dem sie als Frau z.B. nicht wählen, nicht studieren, nicht arbeiten gehen oder sich ihren Ehemann selber aussuchen dürfte.