@ Maarzan
Erstmal danke für die Ausführungen. Ich hoffe mal, dass ich alles soweit verstanden habe, wobei im Zweifelsfall eine Definition von PilotenSim nicht schlecht wäre, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Aber ich versuch mich erstmal an ein paar Definitionen:
Narratives Rollenspiel: Narratives Rollenspiel bedeutet für mich, dass das Erzählen der Geschichte, das Erleben einer Spielsituation aus Inhaltlicher Sicht und das Erleben einer Geschichte samt Prämisse im Vordergrund steht. Es bedeutet jedoch auch, dass die Spieler an der tatsächlichen Geschichte beteiligt werden oder gezielt den zentralen Konflikten ausgesetzt werden, um herauszufinden wie die Spieler eben die zentralen Konflikte bewältigen.
Abenteuer-Rollenspiel: A.-R. ist zunächst einmal Rollenspiel mit einer Geschichte im Genre Abenteuer. Dieses weitgefasste Genre beschäftigt sich mit allen Geschichten die altagsfern etwas besonderes und waghalsiges beschreiben. Das reicht von Indiana Jones bis Raumschiff Enterprise und von James Bond bis Herr der Ringe. Auch wenn all diese Dinge verschiedenen Hauptgenres zugeordnet werden, so enthalten sie alle einen gewissen Abenteuer-Anteil, der eben auch in einem Abenteuer-RPG steckt.
Narratives Abenteuerrollenspiel in Mystix: Mystix versucht Abenteuer und Narration zusammenzubringen und orientiert sich vom Inhaltsmix zwischen Drama und Abenteuer an Serien wie Battlestar Galactica oder Lost. Diese Inhalte, also Abenteuer und Drama sollen mittels hauptsächlich narrativen Elementen transportiert werden. Ich sage bewusst hauptsächlich, da ich es schwierig finde völlig auf andersartige Elemente zu verzichten, da dies einerseits die Zielgruppe deutlich reduziert (und ich möchte etwas produzieren, was nicht in der Exoten-Schublade vergammelt) und andererseits zu viele schöne Aspekte aus dem Abenteuerbereich unzugänglich machen würde. Denn Abenteuer bedeutet naturgemäß Gamistisch/Simulationistisches RPG.
Wo wird nicht-narrativen Elementen bewusst den Vorrang gegeben:
- Die Würfelprobe: Die Würfelprobe ist zwar soweit vereinfacht wie möglich, aber prinzipiell ist sie nicht narrativ, da sie bewusst ausführliche Fähigkeitsentwicklung zuläßt und sowohl das simulieren als auch das Charakter-tunen erlauben, wenn auch sehr eingeschränkt. Warum: Weil ich nicht Probenlos spielen möchte, weil eine außergewöhnliche Probentechnik zu viele Spieler abschrecken würde und weil Charakterentwicklung kulturell zum Abenteuergenre passt.
Der narrative Anteil des Entscheidungs-Mechanismus, der Umgang mit Inhalten und Herausforderungen, wird jedoch mit dem Würfelmechanismus kombiniert und unterstützt so narratives Spiel.
- Das Fähigkeitensystem: Das Fähigkeitensystem fördert natürlich in gewissen Umfang den Willen zum Charaktertunen, aber das ist auch in diesem Umfang gut so.
- Das Gegenstandssystem: Gegenstände, Waffen, Zutaten, viele Zaubersprüche sind alles nicht narrativ sondern primär aus gründen des Abenteuerrollenspiels da. Sie können aber durchaus narrativ genutzt werden, da die Betonung nicht auf Werten liegt sondern auf Handlungsmöglichkeiten. Detaillierte Handlungsmöglichkeiten fördern aber eine kreativere Umsetzung der Geschichte.
Was narrativ ist:
- Die möglichkeit dramaturgisch komplexe Abenteuer zu gestalten.
- Die Anleitungssysteme für Spielleiter und Abenteuer-Autoren.
- Die Anleitungen zu inneren Konflikten und zum auseinandersetzten mit Spiel-Konflikten und der Prämisse der Story (für Spieler)
- Das Ziel Szenen zu Erleben und nicht nur als Mittel zum Gewinnen anzusehen (Schadenssystem, Erleben von Kampfsituationen und dem Thema Kampf und Tod, ...).
- Die Zielsetzung der Hintergrundwelt als Spiegel unserer heutigen Gesellschaft - verwendbar in jedem Abenteuer - aber nicht erzwungen: Terrorismus, Extremismus, Arm und Reich, Macht der wenigen, Macht durch Informationen, Kampf der Kulturen, Toleranz und Überheblichkeit...
Wo nicht "narrativ" draufsteht, was aber narrativ ist:
- Handlungsfreiraum: Die Charaktere können sehr frei agieren, befinden sich jedoch stets in einer Handlungs-Box innerhalb der sie nur agieren sollen. Dies wird durch "konkrete Herausforderungen" und "selektive Wahrnehmung" erreicht. Sie sollen nur Exploration betreiben können wenn es erwünscht ist und haben keine völlige Handlungsfreiheit zur Lösung der Geschichte. Das bedeutet, dass das Gerüst der Geschichte inklusive "Spannungsbögen, Schlüsselszenen, Ausgang der Gesamtgeschichte" (Zitat) eher dem Zielspiel zugeordnet werden und die Handlungen im kleinen, innerhalb der Box, die ja hin und wieder durchaus groß sein kann, ein Wegspiel betrieben wird. Dabei ist besonders wichtig, dass auch das Wegspiel im Kleinen den Gesamtplot ändern kann und das gerade das moduläre Design der Abenteuer und die entsprechenden Anleitungen darauf hin arbeiten das improvisieren des SL zu ermöglichen..
- "Lösen" einer Geschichte: Ein Abenteuer zu spielen heißt ja auch immer ein Quest zu lösen, was nicht zwangsläufig narrativ ist, da man mit beschränkten mitteln versucht einen Zustand herbeizuführen(gamistisch). In Mystix sind jedoch Strukturen wie Gut und Böse nicht existent, so dass das Handeln in der Welt auch immer die Konfrontation mit Konflikten beinhaltet. Das beginnt bereits im kleinen, ob man sich entscheidet einen ahnungslosen Wachman umzubringen, der nichts von den Machenschaften seines Herrn weiß, oder ob man zum Beispiel bereit ist das dunkle Experiment des Häuptlings zu stören und die Beschwörung zu verhindern, auch wenn dadurch viele unschuldige Sklaven sterben. Diese Handlungen benötigen aber nunmal das "Lösen" von Aufgaben (zumindest in einer Abenteuergeschichte) und behandeln das Drama an entscheidenden Schlüsselpositionen.
Zu deinen Fragen:
Eine üblliche Inkompatibilität ist das geplante Erreichen von bestimmten Storymerkmalen (Spannungsbögen, Schlüsselszenen, Ausgang der Gesamtgeschichte) gegenüber der Freiheit der Handlungen und deren Auflösung (Zielspiel vs. Wegspiel).
Dieser Widerspruch existiert in Mystix nicht da beides in einem gewissen Rahmen versucht wird.
wo man hofft das ganze so ohne die mechanische Interpretationszwiscehnschicht hin zu bekommen, bzw. die Aufgabe der Lösung der auftretenden Probleme einem hoffentlich guten SL zu übergeben
Ein guter Spielleiter oder besser ein Spielleiter mit gefühl für Dramaturgie, Gruppenführung und Präsentationstalent ist bei Mystix mehr erwünscht als bei anderen spielen. Es eignet sich andererseit aber auch für neue SL, da es deutlich mehr Hilfestellungen anbieten wird, WIE man konkret leitet, was nur wenige Spiele heute leisten.
Wenn das - ggf. um ein paar kritische Beispiele, wo zwischen Spielzielen abgewägt werden muss- ergänzt würde, wäre es einfacher die bisherigen Elemente nach dieser Zielsetzung zu untersuchen und zielgerichtete Kritik/Hinwiese zu geben
Naja, direkte Beispiel hab ich jetzt nicht gegeben, aber ich hoffe, dass dennoch einiges klarer geworden ist. Der Knackpunkt ist halt, dass der Abenteuer-Aspekt mich dazu zwingt gewisse nicht-narrative Elemente einzubauen. Somit ist es also eher ein Richtungsmix, wobei der narrative Aspekt betont und vom System gefördert werden soll. Wenn du doch noch beispiele brauchst, dann frag nochmal nach, ich möchte nur jetzt nicht noch mehr auf einmal posten.