Re: Tiefe und Bedeutung des Erlebten.
Und genau DESWEGEN ist ergebnisoffenes Spielen mE alternativlos.
Nämlich um das zu erreichen.
Alles andere ist hohl und leer.
Und das will kein Spieler, aber viele SLs achen Dinge, die genau das tun: Entwerten den Einfluß der Spieler.
Jaja, genau. Natürlich will jeder Spieler Einfluß haben und mag Eingriffe in die Entscheidungsautonomie nicht. Du gehst jedoch einen Schritt weiter und erkärst sowas für generell unangebracht. Es handelt sich bei dramaturgischen Eingriffen des SL natürlich um eine Form von Betrug, Zerstörung der Vertrauensgrundlage, komplette Entwertung des Spielerautonomie, unrechtmäßige Beschneidung des Handlungsspielraums und Verletzen des impliziten Gruppenvertrags.
Das kann man selbstverständlich so sehen. Und wenn man keine graduellen Unterschiede zulässt, ist eben alles, was sich sonst so Rollenspiel nennt, hohl und leer. Das habe ich weitgehend verstanden, glaube ich, und billige Dir auch gerne die Konsistenz und Nachvollziehbarkeit des Gedankengangs zu.
Das große Problem dieses Ansatzes sehe ich woanders und bin an Deinen Erfahrungswerten interessiert. Settembrini-ARS stellt von allen Spielarten unseres Hobbies nach meiner Auffassung mit Abstand die höchsten Anforderungen an den SL. Zwar sind auch die Spieler stärker gefordert als in anderen Herangehensweisen (wie auch immer die heißen mögen), aber vom SL wird verlangt, in allen denkbaren Situationen eine plausible Spielweltreaktion aus dem Hut zu zaubern, die zudem aufregende Abenteuer [1] begünstigt. Das ist eine verdammt anspruchsvolle Aufgabe. Wieviel leichter wäre es da, der Versuchung nachzugeben und schnell ein Trigger Event einzubauen oder eben mal einen Würfel zu drehen. Das aber ist natürlich der Weg, der auf die dunkle Seite führt
Ich könnte mir vorstellen, dass selbst begabte und in Deinem Sinne unverdorbene SL an diesem Ansatz scheitern. Es überfordert viele SL nach meinem Eindruck ganz erheblich, eine komplette Welt balancieren zu müssen. Dass es sich dabei eigentlich um die Kernaufgabe eines SL handelt: klar! Diese Kernaufgabe ist jedoch für viele SL schlicht zu groß und deshalb behelfen sie sich mit illusionistischen Tricks: Trigger Events, feste Szenen, NSCs anpassen, Würfel drehen, STORY, all das von Dir so verabscheute Zeugs eben.
Nun stell Dir aber einen begabten und unverdorbenen SL vor, der sich mit der Weltensimulation überfordert fühlt. Was soll der machen? Lieber ein reines Settembrini-ARS durchziehen, dessen Ergebnis ziemlich zwangsläufig langweilig und uninspiriert verläuft? Oder soll der nicht vielleicht bei gleichem Vorbereitungsaufwand etwas fokussierter an die Sache herangehen und einen (zumindest groben) Plot vorbereiten, sich ein paar Szenen zurechtlegen, die NSC so flexibel anlegen, dass sie besser zu den verschiedenen möglichen Handlungsverläufen der SC passen und so weiter? Das würde ich nicht verwerflich finden, sondern sogar begrüßen.
Beispiel:
Der beste Erzählonkel-SL, mit dem ich je spielen durfte, kommt auch aus Berlin. Der betreibt purstes Railroading. Wir haben bei dem damals in vollster Kenntnis der Umstände jede Woche begeistert gespielt, weil es sich anfühlte wie 5 Stunden Kino. Die irrwitzigen Figuren, die er aus dem Hut zauberte, die ultracoole Story, die sich entwickelte. Und manchmal konnte man sogar selbst auch noch was ändern und wir saßen gemeinsam am Tisch und hatten einen Heidenspaß. Fett, der Mann war begnadet!!!
Dem gleichen Erzählonkel-SL würde ich zutrauen, sich auf Dauer an Settembrini-ARS heranzutasten. Ich bin mir aber ganz und gar nicht sicher, ob das Ergebnis mit den Hardcore-Railroading-Sessions mithalten könnte. Im Gegenteil: es würde vermutlich eine deutliche Verschlechterung werden. Einen Versuch wäre es natürlich trotzdem wert
In diesem Sinne: haut rein!
[1] Irgendwann kann ja noch mal jemand versuchen, den Unterschied zwischen Story und Abenteuer herauszuarbeiten. Zumindest ein kleiner Teil Ontopic hier