Ich ahnte nicht, dass einige
so gespannt auf meine Antwort sind.
Ich denke, eine gute Darstellung der Antithese des ARS ist das
SCHerz, hier nachzulesen.
Insbesondere folgender Passus macht deutlich, dass das Dogma des Nicht-"Schummelns" viele Funktionen erfüllt, nicht aber von der Wirklichkeit vieler oder zumindest einiger Rollenspielender ausgeht:
Ebenso verhält es sich, wenn der Spielleiter mitten im Abhandeln einer Situation die Kampfkraft der Gegner verändert oder die Schwierigkeit einer Probe nach dem Würfelwurf des Spielers festlegt.
Wenn man dieser These folgt und ich sie richtig verstehe, dann ist also der Zeitpunkt des Eingreifens durch die Spielleitung entscheidend: Vor dem Abenteuer, vor dem Spieltag, ja noch vor einer Begegnung ist also das Nachjustieren einer Herausforderung in Ordnung, aber inmitten der Begegnung ("Abhandeln einer Situation") nicht mehr.
Welches Selbstverständnis in Bezug auf die Abenteuermodul-Autorenschaft oder auf die Spielleitung spricht aus diesem Text? Wer hat die Realität, der die Gruppe ausgesetzt ist und die also im besten Fall unverrückbar ist, erschaffen? Eine Person, die das Modul geschrieben hat; eine Spielleitung, die die dort niedergeschrieben Gegebenheiten entweder unverändert oder verändert anwendet; vielleicht sogar noch eine Zufallstabelle.
Und dieses Mischmasch soll DIE erhaltenswerte, unverrückbare Realität bilden, bei der jedes Nachjustieren "entmündigend" oder "entwertend" ist?
Nein.
Die Leute, die das Abenteuer geschrieben haben, können zB Murks fabriziert haben. Die Person, die das Spiel leitet, könnte vielleicht übersehen haben, dass eine Begegnung vermurkst (zB viel zu stark oder viel zu schwach) ausgefallen ist. Und wenn ich meine Abenteuer selbst schreibe, dann kann ich mich beim Ausarbeiten erst Recht verkalkulieren. Und was wäre frustrierender, als dass ein SC aufgrund meines Rechenfehlers stirbt.
Und weil der SL das (hoffentlich) noch während der Begegnung auffällt, hat sie natürlich jedes Recht, auch inmitten der Begegnung IHRE Vorstellung der Realität - denn es ist Pflicht und Vorrecht der Spielleitung, die dargestellte Welt hauptverantwortlich zu gestalten - durch Anpassung nachzuarbeiten.
Dies ist kein Plädoyer dafür, dass die Gruppe keinen Einfluss nehmen darf, was die SL der Gruppe als Welt präsentiert. Dass die Würfel andauernd gedreht werden. Im breiten Bereich zwischen "Eingreifen und Laufen-Lassen" findet sich die übliche Spielleitungsweise, und nicht an ihren Extremendpunkten.
Ich nehme als Beispiel mal, was ich am besten kenne: Ich selbst liebe es, eine lang dauernde Kampagne zu leiten. Meinen SL-Ansatz habe ich hier mal als "im Großen und Ganzen perlenschnürig, im Einzelnen sandboxig" bezeichnet, wobei der offene Ausgang der Abenteuer auch noch die folgenden Perlenschnüre verändern kann.
Ja, unsere 3.5-Kampagne ist nicht sehr tödlich, und trotzdem fühlt meine Gruppe sich nicht sicher, dass sie alles überleben wird. Und das ganz ohne Nutzung von Zufallstabellen! Sie haben soviel Schiss, dass sie auch schon mal ein Abenteuer in Weisheit "abgebrochen" haben - und das war auch okay für mich: Sie konnten damit sich und mir beweisen, dass ihre Entscheidungen auch wirklich Auswirkungen auf die Welt haben.
Also: Meine Gruppe denkt nicht, dass sie alles überleben kann. Sie braucht für die Echtheit der erlebten Realität keine Zufallstabellen, keine vermurksten, aber durchgezogenen Begegnungen. Eine überzeugend dargestellte Realität reicht ihr völlig. Selbst wenn diese Realität mit "Schummeleien" auch mal spontan nachjustiert werden muss.