Ich mag keine Freak Rolls. Hierzu muss ich erst einmal sagen, dass ich Falcons Trennung der Freak Rolls von "Criticals" teile. Dazu hat Falcon eigentlich schon alles ausgeführt, ich könnte hier auch nur noch seine Argumente wiederholen: Dass Criticals in das System eingebettet sind und Freak Rolls die üblichen Rahmen des Systems sprengen. Unter den zum Teil wirklich seltsamen Beispielen waren auch ein paar gut passende bei. Ebenso teile ich die Auffassung, dass man das Phänomen der Freak Rolls nicht nur in Hinsicht auf Kämpfe diskutieren sollte, sondern in Hinblick auf die gesamte Vielfalt des Rollenspiels und die Spannbreite der Herausforderungen und damit einhergehenden Würfelwürfen. Reduziert man die Freak-Roll-Problematik auf Kämpfe, können sie in manchen Systemen natürlich wirklich ihren Freak-Aspekt verlieren. Wir müssen uns also erst einmal darüber im Klaren sein: Was ist ein Freak Roll?
Erst einmal ist ein Freak Roll ein unglaublich hohes Würfelergebnis, ermöglicht durch explodierte Würfel. Fein. Wenn jetzt aber eine explodierte 76 dasselbe bedeutet wie eine 28, fehlt hier das absurde Ergebnis. Ein Beispiel wären Earthdawn-Angriffswürfe: Egal, wie hoch man würfelt, im besten Fall erzielt man (by the book) einen Direkttreffer. Das ist zwar von der Würfelhöhe her u.U. ein Freak Roll, aber nicht vom Ergebnis.
Ein kleines Beispiel aus Earthdawn zeigt, wie ein Freak Roll das Spiel verändern kann: Wir hatten einen Spieler, der sich dessen bewusst war, dass es in Earthdawn Freak Rolls gibt. Nun wollten wir in den Dungeon eines Geisterbeschwörers eindringen. Wir wussten: Irgendwo hier ist er (mit seinen Minions). Unser Magierspieler hatte nun einen "Gegenzauber". Der Gegenzauber wird gezaubert, man macht dann einen Wirkungswurf und das Ergebnis wird die neue "Magische Widerstandskraft", die dann gegnerische Zauberer überwinden müssen. Bei diesem Gegenzauber ist ihm nun ein unglaublicher Glückswurf, ein Freak Roll gelungen, auf einmal hatte er eine enorme magische Widerstandskraft von 48. Diese 48 bedeutete, dass der Geisterbeschwörer einen ebensolchen Freak Roll benötigte, um gegen ihn magisch etwas ausrichten zu können. Der Spieler war sich darüber voll im Klaren, also machte er eine klare Ansage: Haltet die Minions auf, der Zauber wirkt noch 2 Minuten, ich fliege vorbei durch den Dungeon direkt zum Geisterbeschwörer und erledige ihn. Dadurch hatte sich die Situation völlig verändert. Durch einen blöden Freak Roll, der einfach völlig aus dem Rahmen war. Es ist nun sicherlich Geschmackssache, und ja, so eine Anekdote ist natürlich witzig und unvergesslich (das Ereignis ist schon Jahre her).
Anderes Beispiel: Selber Spieler, selber Charakter, selbes System. Er hatte einen Zauber "Astralsinn", mit dem sich magische Gegenstände ohne Überanstrengungsschaden analysieren ließen. Der Zauber wurde mit einer höheren Stufe gewürfelt, als andere Fähigkeiten der Astralsicht, der Nachteil war aber, dass das Bild "unscharf" ist. Man konnte dies aber durch hohe Ergebnisse wieder wettmachen! So, jetzt kommt der Knüller: Da es keine Überanstrengung kostet, konnte der Magier praktisch stundenlang den Zauber immer wieder und wieder casten und so Artefakte entschlüsseln. Es musste ja zwangsläufig irgendwann ein Freak Roll kommen, mit dem er alles herausfindet! Ich habe ihn einmal aus Spaß bzw. weil mich das als SL tierisch angekotzt hat die Würfe tatsächlich würfeln lassen, aber lange hatte er nicht gewürfelt, bis dann der ersehnte Freak Roll kam.
Ein Freak Roll ist also meiner Meinung nach nur dann ein Freak Roll, wenn er auch einen deutlichen Einfluss auf das Spielgeschehen hat. Wie hier z.B. der statistisch gegen den Endgegner immune Magier oder der Magier, der jedes Artefakt der Welt analysieren kann, wenn er sich ein paar Stündchen Zeit nimmt, um den sicheren Freak Roll zu produzieren.
Das sind auch Effekte, die über Criticals in dem System hinausgehen - üblicherweise sind die Folgen besonders gut gelungener Proben in Earthdawn deutlich geringer.
Wie sieht es nun sonst so außerhalb von Kämpfen aus? In DSA sind kritische Proben relativ simpel erklärt: Das bestmögliche Ergebnis usw. Spannend wird es aber nun in Systemen, die konkrete Regeln für Situationen außerhalb von Kämpfen bieten und mit dem Würfelergebnis direkt gearbeitet wird oder evtl. noch so wie bei SW, dass es erst in Raises umgerechnet wird und dann mit der Zahl der Raises. Wenn das Würfelergebnis nur über gut gelungen/gelungen/nicht gelungen entscheidet (ähnlich z.B. in HeroQuest), ist ja alles kein Problem, egal wie hoch der Wurf, das Resultat wird automatisch in System eingepasst. Wenn ich aber eine Regel mit direkter Übertragung habe wie "Würfel auf Athletik, das Ergebnis ist deine Sprungweite" und ich lasse mit einem explodierenden W4 würfeln ist doch klar, dass ein Freak Roll hier völlig aus dem Rahmen fallen kann und jemand plötzlich 20 Meter weit springt. (Das Beispiel ist rein hypothetisch und soll nur die Problematik der Freak Rolls veranschaulichen. Ich meine nicht, dass es tatsächlich ein System gibt, in dem dieses Beispiel in dieser Form vorkommen kann.) Oder eben auch da, wo vergleichende Würfe durch einen Freak Roll gekippt werden.
Naja, also ich finde Freak Rolls nicht so toll. Aus den genannten Gründen.