Mir geht es um Holistisches Spielleiten, wenn man so will. Das Gerede von diesem oder jenem Spielstil als Vorliebe ist in tatsächlichen Runden herzlich wertlos.
Da stimme ich zu, vieles ist Elfenbeinturmdiskussion, die mir im Augenblick aber Spaß macht (mal abgesehen, dass ich grade Zeit habe, weil der obligatorische Osterbesuch bei meinen Eltern aufgrund von Autoproblemen um einen Tag verschoben wurde). Natürlich lässt die Diskussion viele tatsächlich relevanten Variablen außer Acht, zum Beispiel: wie klappt das in meiner Gruppe/mit meinem SL ? Aber vielleicht kann ich trotzdem aus der Diskussion was lernen
Das ist eine falsche Schlussfolgerung (um jetzt nicht "unsinnig" zu sagen). Für die "Bedeutung" einer Spielerentscheidung ist es unerheblich, ob improvisiert, gewürfelt oder abgelesen wird. All dies sind nämlich Methoden, deren Ergebnis nicht a priori festgelegt ist. Nur in diesem Fall sind Entscheidungen nämlich bedeutungslos. Zu Veranschaulichung: Wenn im Abenteuer steht "an dieser Gabelung treffen die Spieler einen Drachen, egal welchen Weg sie wählen", dann ist die Entscheidung bedeutungslos (oder "entwertet", wie Herr Hofrat sagt). Wenn das Abenteuer links einen Drachen vorsieht, rechts nicht, wenn der Spielleiter frei entscheidet, dass jetzt der Drachen auftaucht (aufgrund von Modellierung oder Dramatik) oder wenn er aufgrund einer anzuwendenden Tabelle auftaucht, dann ist die Entscheidung nicht bedeutungslos.
Der von Dir zitierte Teil aus meiner Post war keine Schlussfolgerung, sondern Beschreibung. Zugegebenermaßen eine idealtypische Beschreibung, das heißt eine Verdichtung von Einzelereignissen, aber nichts desto trotz Beschreibung. Keine Normerhebung, keine Schlussfolgerung, keine logische Spielerei, einfach Beschreibung von sogenannten "völlig offenen" Spielsitzungen.
Außerdem kannst Du improvisiert, gewürfelt oder abgelesen nicht gleichsetzen. "Improvisiert" ist eine Entscheidungskonsequenz des SL aus dem Bauch raus. Passiert unweigerlich an jeder Rollenspielsession. "Gewürfelt" ist eine Kosequenz, die zumindest teilweise dem Zufall überlassen wird. Das Bauchgefühl des SL wird durch den Würfel "gezähmt", deswegen ein Hoch auf den Würfel. "Abgelesen" ist eine in der Konsequenz, die dem Spieler durch Vorlesen übermittelt wird. Ablesen gehört nicht in den Zusammenhang des Konsequenzenziehens (= Entscheidens des Spielleiters), sondern des Übermittelns. Du meinst aber wahrscheinlich mit "Abgelesen" eine nach Buchvorgabe bzw. entsprechend Vorbereitungsnotitzen getroffene Konsequenz. Diese ist aber ganz anders, denn die Konsequenz der Spielerentscheidung ist hier - im Gegensatz zu den anderen Methoden der Konsequenzermittlung - sehr wohl a priori (im Buch) festgelegt.
Dein Beispiel ist jedoch interessant. Hier haben wir vielleicht unterschiedliche Positionen, und ich glaube, wir können uns in diesem Fall mit etwas Pech nur auf ein "Agree to disagree" einigen. Ich versuche aber, Deine Position nochmal nachzulesen, falls ich sie jetzt ganz falsch verstanden habe. Ich hoffe, dass mein Tonfall nicht scharf `rüber kommt, ich führe hier keinen Kreuzzug für die
Freiheit Vorbereitung im Rollenspiel, sondern sehe das, wie oben gesagt, als rein akademische Diskussion an.
Wenn das Abenteuer links und rechts einen/denselben Drachen vorsieht, ist die Entscheidung bedeutungslos (oder meinetwegen entwertet, oder illusionär, habe mir in diesem Fall über Terminologie noch nicht den Kopf zerbrochen), soweit gehe ich mit.
Wenn das Abenteuer links den Drachen vorsieht, rechts nicht, ist die Entscheidung meiner Meinung nach auch nicht als frei anzusehen, es sei denn, die Spieler hatten (zumindest theoretisch) die Chance, sich vorher über die mögliche Anwesenheit eines Drachens im Spiel zu informieren (am Besten durch Anwendung von skills). Ansonsten ist die Entscheidung im Abenteuer als
unqualifizierte Entscheidung vorgesehen, und unqualifizierte Entscheidungen sind unfrei.
(Im realen Spiel sind viele Entscheidungen der Spieler unqualifiziert, teilweise weil die Spieler nicht nachforschen, teilweise weil Informationsmöglichkeiten fehlen. Ich versuche als SL, wenigstens bei den "großen Entscheidungen", und der Weg in einen Drachenhort ist so eine, den Spielern die Möglichkeit zur qualifizierten Entscheidung auf Basis von Hinweisen, Spuren, Indizien usw. zu geben.)
Wenn der Spielleiter nun in all seiner Freiheit als SL, sei es wegen der Dramatik, oder wegen einer Tabelle, oder
weil er dem Krieger der Gruppe einen reinwürgen will aus anderen Gründen, trotzdem spontan rechts einen/denselben Drachen auftauschen lässt, dann macht das die Entscheidung nicht nur unfrei, sondern bedeutungslos. (Der Tabelle gebe ich, wie ich nun zum dritten Mal betone, einen Trostpreis, weil es wenigstens die Allmachtsphantasien der Spielleiter ein Bisschen bremst, wobei es für mich witzlos wäre, wenn der Spielleiter links und rechts auf der gleichen Tabelle auswürfeln würde.)
Als zusätzliche Komponente muss natürlich auch angedacht werden, dass die Spieler weder nach links noch nach rechts gehen, sondern irgendwas anderes machen, was nicht welt- und regelkonform zwangsläufig einen Drachen herlockt, ob es den Spielern bewusst ist oder nicht. Wenn dabei dann auch der Drache - warum auch immer - auftaucht, dann hätte man die Szene gleich erzählspielern können (und am Besten noch den Kampf dazu).
Es gibt ein paar mehr oder weniger gute Entschuldigungen dafür, Spielern so die (maximal mögliche) Freiheit der Entscheidung einzuschränken, aber das sind nunmal Entschuldigungen, keine Rechtfertigungen. Es gibt ein paar Spielstile, Systeme und Welthintergründe, die solche Einschränkungen begünstigen oder in Ansätzen legitimieren, und es gibt Spieler/Spielleiter/Spielgruppen, die darauf stehen. In kleinen Dosen kann ich das auch genießen. Aber nur in kleinen Dosen, und am besten mit Vorwarnung im Metagame.
Memo an mich selbst: Mach Dir Gedanken über
Freiheit von Entscheidungen und
Bedeutung von Entscheidungen.
So, langer Beitrag, wenig Sinn,
Schade, dass ich morgen weg muss, wo die Diskussion grad spannend wird,
Tümpelritter