Bsp: Die Sache mit Messern. Messer sind bekanntlich böse, das weiss jedes Kind das regelmäßig Filme schaut, also auch der Richter. Deshalb ist natürlich in einem Kampf immer der mit dem Messer schuld. Das sit IMHO ein Punkt, wo das mit dem gesunden Menschenverstand nicht ganz so hinhaut.
Naja, so ganz stimmt das auch nicht.
Passenderweise ist gerade dieses Thema vor Kurzem in einem anderen von mir frequentierten Forum diskutiert worden, und ich kann dir auf Anhieb drei beispielhafte Fälle verlinken, wo eine Notwehr mit Messer gegen Unbewaffnete "durchgegangen" ist, also auch tatsächlich auf Notwehr und demzufolge Freispruch entschieden wurde.
Für den Richter gilt ja nicht "nur" GMV, der hat im Zweifelsfall auch die Pflicht, sich schlau zu machen bzw. machen zu lassen - und das passiert in der Regel auch.
Der Fall Sven G. (falls du den im Hinterkopf hattest) ist glücklicherweise nicht die Regel.
Und ich interessiere mich ehrlich gesagt absolut NULL für mittelalterliches Recht. Ich mag aktuelles Recht, und ich will kein Mittelalter recherchieren.
Schade eigentlich.
Für einen kleinen Universalleitfaden für Fantasy-Rollenspiele hätte ich mich glatt begeistern können.
Mal schauen, ob ich brauchbare Literatur finde (falls wer was weiß: Empfehlungen per PN
).
Ich weiss natürlich, das modernes Recht ein Anachronismus ist. Aber lieber ein funktionierender Anachronismus, als ein undefiniertes Geschwubbel.
Aventurien ist moderner als viele andere Fantasy-Settings
Und auch wenn ich persönlich das oft unpassend und störend finde, kommt es einem bei der Anwendung modernen Rechts freilich sehr entgegen.
Ein Anachronismus ist aber definitionsgemäß unpassend und damit nicht 100% "funktionsfähig"
- also käme es mMn dennoch darauf an, das Ganze entsprechend anzupassen.
Trennung.
Trotz alledem gehts jetzt mal an den Fall
Es wäre noch interessant zu wissen, was denn tatsächlich die Absichten der Alchemistin gewesen sind (subjektiver Tatbestand) - bitte nachreichen, sofern möglich.
Das ist insbesondere im Hinblick auf die Praiospriester relevant.
Desweiteren weise ich darauf hin, dass mir hier nur diese eine Beschreibung vorliegt und ich weder das Innenleben der Beteiligten noch den gesamten Hergang kenne und den Verlauf der Ereignisse vor der beschriebenen Tat dementsprechend nicht berücksichtige(n kann).
Zunächst einmal:
Da die Tat mittels eines Schwertes begangen wurde, handelt es sich um gefährliche Körperverletzung (§224 StGB) bzw. den Versuch der gef. KV, mit entsprechend anderem Strafmaß.
Gef. KV ist auch kein Antragsdelikt, sondern ein Offizialdelikt - die Strafverfolgung bzw. Prozessführung wäre also zwingend.
Anmerkung/Exkurs: Den Antrag auf Strafverfolgung kann bei Körperverletzung nur der Geschädigte stellen - in diesem Fall also der Elf, nicht Brin.
Besteht jedoch öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung, ist kein Antrag nötig (das wäre wohl z.B. der Fall, wenn Brin das Ziel gewesen wäre, aber keinen Antrag gestellt hätte - ein öffentliches Interesse an der Verfolgung eines Angriffes auf den Prinzen hätte sicher als gegeben angenommen werden können). Exkurs Ende.
WENN nun die Alchemistin
glaubhaft versichern kann, den Prinzen vor einem (auch vermeintlichen!) Angreifer retten gewollt zu haben, greift §32 StGB (Notwehr bzw. hier Nothilfe) als Rechtfertigungsgrund.
Die Notwehr/Nothilfe
kennt keine "normale" Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Es darf nur keine grobe Unverhältnismäßigkeit zwischen Angriff und Verteidigungshandlung bestehen.
Da die Alchemistin durch den Zauber an der Decke gefangen war und auf keine andere Weise wirksam eingreifen konnte, als mit dem Schwert oder anderen Gegenständen zu werfen (die aus dieser Höhe quasi automatisch entweder lebensgefährlich oder unwirksam sind), besteht hier nach meinem Dafürhalten KEINE grobe Unverhältnismäßigkeit (insbesondere deswegen, weil es sich um einen körperlichen Angriff auf den
Prinzen handelte - um mal einen "lmittelalterlich angehauchten" Aspekt reinzubringen).
Der Elf hat -wenn er denn als Angreifer "anerkannt" ist- seinen evtl. entstehenden Schaden zu tragen; eine Gefährdung/Schädigung des Angreifers spielt bei der Notwehr über die genannte grobe Unverhältnismäßigkeit oder einen unentschuldigten Notwehrexzess hinaus keine Rolle - wäre ja auch noch schöner.
Auch der Umstand, dass die Alchemistin nicht sicher sein konnte, den Elf zu treffen, und dass sie Brin mit gefährdet hat, spielt keine Rolle - das wäre nur wichtig, wenn es tatsächlich zu einer Verletzung des Prinzen gekommen wäre, und auch dann wäre "nur" ein entsprechender Schadensersatz fällig gewesen.
Allerhöchstens hätte man auf fahrlässige KV klagen können - aber das bleibt Spekulation, weil es so nicht gekommen ist: bei Fahrlässigkeit gibt es keinen "Versuch"; solange nichts passiert, kommt da auch nichts nach.
Fazit:
Es liegt der Tatbestand einer versuchten gef. KV gem. §224 StGB vor, die jedoch durch §32 StGB gerechtfertigt und somit nicht rechtswidrig ist.
Sofern die Alchemistin den Ablauf so darstellen kann bzw. keine anderweitigen Beweise vorliegen (was kaum der Fall sein wird) und das bei den Praiosgeweihten durchgeht, hat sie meiner Ansicht nach keine strafrechtlichen Folgen zu tragen.
Ihr Verhalten ist gerechtfertigt und -aus aventurischer Sicht- die versuchte Rettung des Prinzen ein höchst löbliches Unternehmen.
Anmerkung von mir:
Die in der Praxis verhängten Strafen für gef. KV und schwere KV sind in der Tat meist relativ gering.
Der vorgegebene Strafrahmen ist mMn aber grundsätzlich angemessen.