Was kann Fate:
- Fate kann sämtliche Konflikte über den gleichen Mechanismus abhandeln.
- Fate erlaubt eine Beschreibung des Charakters abseits von den üblichen Attributen/Skilllisten. Stattdessen werden für den Charakter wichtige Dinge (Personen, Items, Eigenheiten...) regeltechnisch vermerkt.
- Fate Charaktere haben automatisch Schwächen und Stärken, ohne dass man Nachteile kaufen muss. Nachteile im Spiel einzubringen wird belohnt.
- simple Equipmentregeln sind möglich. [...]
Die obigen Punkte habe ich auch alle schon seit HeroWars und später dann HeroQuest im Spiel. Und HW/HQ/HQ2 ist ja auch ein NICHT-simulatives, sondern erzählerisch ausgerichtetes Rollenspiel.
Aber HW/HQ legt sehr viel Wert auf die Stimmigkeit der Fakten, auf Plausibilität (die bei HQ2 leider den Bach runtergegangen ist, was auch in meiner Einschätzung von HQ2 als "Verschlimmbesserung" mündet), und darauf, daß die Spielwelt eben GLAUBWÜRDIG vermittelt wird.
Der Vermittler ist der Spielleiter. Damit spielt sich HW/HQ ganz unideologisch als normales Rollenspiel, jedoch mit Konfliktauflösungsmechanismen, die eben nicht simulierend sind.
Bei Fate, so wie ich das jetzt hier verstanden habe, "pfuscht" der Spieler dem Spielleiter ständig in dessen Charakter (= die Spielwelt). Und der Spielleiter hat zwar ein Veto-Recht, aber wenn er davon ständig Gebrauch macht, dann kann er auch gleich ein anderes Rollenspiel spielen, da er eben diese Spieler-"Ermächtigung" damit abwürgen würde, die in Fate so zentrale Bedeutung hat.
Fate ist weniger ein Rollenspiel normalen Zuschnitts, sondern ein Spiel für eine Gruppe an Spielleitern, von denen einer der "Erste unter Gleichen" ist. - Man spielt nicht so sehr seinen Charakter, wie daß man den Charakter "melkt", um mehr Einfluß auf die gemeinsam/abwechselnd fortgeschriebene Geschichte zu erhalten.
Kann es sein, daß hier das "Western City"-Spielgefühl aufkommt: Man spielt nicht IN der Welt, sondern die Welt ist nebensächlich, die Charaktere auch, sondern man spielt nur darum, wer das Metagame "gewinnt"? - Das ist zumindest mein Eindruck von Western-City-Runden. Und ein sehr prägender noch dazu: MIR ist es wichtig, daß ich als Spieler meinen CHARAKTER spielen kann. Und daß JEDES Spielen des Charakters IN DER SPIELWELT stattfindet.
Schon bei DitV kommt es immer wieder zum Bruch, weil sich das Regelsystem so dermaßen in den Vordergrund schiebt. Man überlegt NICHT, was der Charakter tun würde, sondern wie man sich Vorteile aufgrund der vorhandenen Charakterwerte, bzw. der erwürfelten Ergebnisse beim Bieten verschaffen kann. Das Metagame übernimmt die Führung, und man versucht hinterher dann die Metagame-Resultate wieder in die Spielwelt zu "kitten".
Diesen Eindruck habe ich aktuell von Fate mitgenommen. - So ist z.B. eine Straßenszene NICHT FEST, d.h. NICHT BELASTBAR. Die Spielwelt selbst ist schwammig, ständig im Fluß, unsicher, und damit ganz stark UNGLAUBWÜRDIG. - Man kann sich als Spieler nicht auf Gegebenheiten verlassen, da jederzeit ein anderer Spieler diese über die Fate-Punkte-Resource ändern kann. Das ist zwar nicht ganz so schlimm wie in Western City, wo einem die anderen Spieler praktisch jede noch so wichtige und interessante Szene abwürgen und versauen können, aber es führt zu einem Spiel in einer "unfertigen" Spielwelt.
Für manche sehr überkandidelte Genres paßt das ja vielleicht noch (insbesondere Märchen, Traumwelten, usw.), aber sobald ich in eine FESTEN Spielwelt spiele (und das ist die Welt der Dresden Files ja auch!), dann erwarte ich mir als Spieler mehr SOLIDITÄT der Welt. Ich ERWARTE, daß Naturgesetze, Häufigkeiten, usw. einfach gelten.
Klar, wenn ich als "Autor" eine Geschichte schreibe, dann kann ich selbst ENTSCHEIDEN, daß der Charakter über ein hilfreiches Werkzeug oder einen alten Bekannten stolpert. Das schreibe ich in der Geschichte dann fest. - Das ist SCHREIBEN von Geschichten.
Wenn ich als SPIELER eine Geschichte ERLEBE, ERSPIELE, dann WILL ICH NICHT mich aus dem Charakter heraus bewegen müssen, außerhalb mit den anderen Co-Autoren via des Regelsystems eine Art "Autorenkonferenz mit Beschlußfassung" durchführen, und dann deren Konsequenzen meinem Charakter angedeihen lassen. - Da ist für mich das, was Rollenspiel so SPIELENSWERT macht, einfach nicht vorhanden. - Keine ÜBERRASCHUNG im Spiel.
Nur Player-vs-Player-"Überraschungen", mit denen anderen Spieler mir meine Vorstellung der Spielwelt zunichte machen können, wenn sie nur genug Resourcen (d.h. Stimmgewicht bei der Autorenkonferenz) haben.
Da fehlt es an ABENTEUERN!
Geschichten zu "schreiben" ist einfach der krassest mögliche GEGENSATZ zum SPIELEN eines Spiels, zum SPIELEN eines Charakters, zum SPIELEN der Spielwelt.
Das hat überhaupt NICHTS mit dem, was manche hier als "Simulation" mißverstanden haben, zu tun.
Wenn sich mein Charakter in Deckung begibt, dann nicht weil ich irgendwelche Regeltechnik-Optimierungsbetrachtungen gemacht habe, sondern weil ich IN DER SPIELWELT und IM CHARAKTER stimmig agieren will. Und wenn das Blei fliegt, dann begibt man sich in Deckung. Das ist IN DER SPIELWELT SINNVOLL.
Ein adäquates Regelsytem erkennt man daran, daß es Entscheidungen der Charaktere, die in der Spielwelt SINNVOLL sind, auch mit Regeltechnik-Effekten unterstützt, die diese sinnvollen Entscheidungen tatsächlich auch spielregeltechnisch sinnvoll erscheinen lassen. - Aber ZUERST kommt IMMER die spielweltinterne Betrachtung des Charakterverhaltens.
Wer nur die Spielregeln betrachtet, der spielt NICHT seinen Charakter und spielt NICHT in der Spielwelt, sondern der spielt tatsächlich eine Art "Brettspiel" oder Tabletop-Wargame.
Wenn also in Fate Charakteraktionen nur aufgrund der Resourcen des Spielers an "Stimmgewicht in der Autorenkonferenz" plötzlich mal "sinnvoller" werden und mal nicht, dann ist die gesamte Spielwelt eben KEINE SPIELwelt, sondern nur der HINTERGRUND einer Geschichte. - Und dann liegt für mich nahe, daran zu zweifeln, in wie weit ich es mit einem Rollenspiel zu tun habe.
Spiele, bei denen es um kooperatives Gestalten von Geschichten geht, gibt es einige. Diese sind aber eben KEINE Rollenspiele, bei denen es ganz grundsätzlich darum geht einen Charakter in einer Spielwelt zu spielen. - Das ist eine ganz andere Art von Spielform, die nur bekannte Versatzstücke aus dem Rollenspiel (Charakter) verwendet, damit aber so grundsätzlich anders umgeht, daß nicht Rollenspiel betrieben wird, sondern gemeinschaftliches Verfassen von Geschichten.
HeroQuest/HeroWars ist ein Rollenspiel, bei dem Erwägungen dramaturgischer Art das Spielgeschehen beeinflussen. Es ist schon ein Hybrid, der weniger Rollenspiel und mehr Geschichtenabfassen darstellt, bei dem aber immer noch der Charakter und das SPIELEN des Charakters im Vordergrund steht.
Bei Western City gibt es kein Charakterspiel. Die Charaktere sind genauso "Kulissen" wie alles andere im Spiel. Und es geht auch nicht um die Charaktere, sondern es geht darum, daß irgendwie eine Geschichte herauskommt, die je nach Spielerfolg von unterschiedlichen Spielern stärker oder weniger stark beeinflußt wurde. Die Charaktere sind dabei EGAL, die Spielwelt sowieso.
Bei Fate, so mein Eindruck, liegt das Verhältnis - anders als bei HeroQuest - mehr auf Seiten des gemeinschaftlichen Geschichtenschreibens. Daher ist die Welt nur Kulisse, die Charaktere sind nur Träger von "Abstimmungsgewicht" über die Autorenschaft, und die Stimmigkeit, Plausibilität, Glaubwürdigkeit der Welt steht IMMER hinter dem Ausüben des Erzählrechts zurück.
Das ist zumindest mein aktueller Eindruck von Fate.
In meinem Umfeld wird keiner der mir bekannten Spielleiter irgendeine Runde Fate anbieten, so daß ich diesen Eindruck nicht in der Praxis überprüfen kann. Selbst auf diese "Dienstleistungsart" zu leiten ist nicht mein Ding. Als Spielleiter GENIESSE ich es zu sehr, das mein Charakter die Spielwelt ist.
Ich danke allen für die hiesigen Beiträge. Diese waren sehr erhellend.
Das Harry-Dresden-Rollenspiel werde ich mir zwar zulegen, bedauere aber schon jetzt, daß es nicht mit dem Cinematic Unisystem umgesetzt wurde, welches ich für diesen Stoff für die IDEALUMSETZUNG in puncto Regelsystem halte.