Autor Thema: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)  (Gelesen 17592 mal)

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ChristophDolge

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #25 am: 2.03.2010 | 14:39 »
Zitat
Wenn die Leute sich einig sind das ein Spieler, in dem Fall der Spielleiter, die Geschichte entwickelt und man ihr eben folgt wäre man auch wenn du es Erzählonkelspiel nennst, der Ethik nach Erzählspieler.

Wenn es einen Konsens zum Erzählonkelspiel gibt, dann erwartet man aber auch, dass bestimmte Punkte unter "Rechte im Rollenspiel" nicht mehr zutreffen (z.B. "Beiträge eines Spielers zum Spiel dürfen nicht negiert oder entwertet werden.").
Ansonsten will ich eigentlich gar nicht streiten: Wenn man will, kann man Erzählonkelspiel als Erzählspiel betreiben. Aber ich behaupte einfach mal: Nicht jedes Erzählonkelspiel ist ein Erzählspiel im Verminard'schen Sinn.

Offline verminlord

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #26 am: 2.03.2010 | 14:43 »
@ Erwartung: Vielleicht sollte man besser von einer gemeinsamen Vorstellung hinsichtlich des Spielerlebnisses sprechen.
Das kann man kommunzieren indem man Fragen wie: "Wie soll sich das Spiel anfühlen?" "Was tut mein SC und wie wirkt sein Handeln?" "Welche Rahmenbedingungen müssen wir dafür festsetzen?"

Was voraussetzt das sich der Spieler mit den eigenen Vorstellungen auseinandergesetzt im Verhältnis zu seinen Mitspielern. Das wiederum benötigt das man ein ganz klein wenig über sich selbst reflektiert hat. Eine ganze Reihe von Spielern sind nicht willens (oder in der Lage) dazu. Was bei einer Bier&Bretzel Runde nur ein wenig negativ auffällt, aber bei gewollten Erzählspiel immer in die Hose geht.

ErikErikson

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #27 am: 2.03.2010 | 14:48 »
Ich habe gemerkt, das viele einfach nicht so viel drüber reden/nachdenken wollen, wie sie spielen. Nicht jeder will soviel investieren, und das ist auch ok. Dann kann man sich halt nicht so gut abstimmen, damit muss man leben. Dann bleibt halt auch die Ethik etwas auf der Strecke. Teylen hat insofern recht, das die Ethik sich stark auf: Spiel nicht mit Idioten runterbrezeln lässt.

Es ist auch irgendwann lächerlich, wenn 5mal mehr übers Spiel geredet als gespielt wird.  ;) Natürlich nicht hier im Forum, aber am Spieltisch.

Offline Lord Verminaard

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #28 am: 2.03.2010 | 14:49 »
Erzählonkelspiel (bei dem die Geschichte ja nur von einem Spieler ausgeht)

Na ja, meiner Erfahrung nach ist gutes Erzählonkelspiel dadurch gekennzeichnet, dass die Beiträge der Spieler durchaus durch den SL aufgegriffen und verarbeitet werden, d.h. der Grundsatz des kreativen aufeinander Aufbauens bleibt gewahrt, nur mit sehr unterschiedlichen Anteilen. An dem Punkt, wo die Beiträge der Spieler vollständig negiert werden, kommt es dann in der Regel auch zum Konflikt. Insofern passen meine Grundsätze schon auch auf eine funktionierende Erzählonkel-Runde. Dabei bleibt unbenommen, dass dieses starke Ungleichgewicht in anderen Erzählspielrunden ein No-Go wäre, weil so weitreichende Befugnisse dort nicht an den SL delegiert wurden.

Teylen, ich kann es leider nicht besser ausdrücken, als ich es im Eingangsbeitrag getan habe. Ehrlich gesagt verstehe ich dich nicht, und du mich anscheinend auch nicht. So was kann vorkommen, kein Beinbruch. :)
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Boni

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #29 am: 2.03.2010 | 14:50 »
Was voraussetzt das sich der Spieler mit den eigenen Vorstellungen auseinandergesetzt im Verhältnis zu seinen Mitspielern.

Was im Eingangspost ganz klar als Ausgangslage definiert wird.

Zitat
Das wiederum benötigt das man ein ganz klein wenig über sich selbst reflektiert hat. Eine ganze Reihe von Spielern sind nicht willens (oder in der Lage) dazu.

Dann sind diese Spieler aber auch meistens damit zufrieden, "bespasst" zu werden, bzw. den SL machen zu lassen, ohne sich allzu aktiv an der Geschichte zu beteiligen (im Sinne von Emotional Investment).

Zitat
Was [...] aber bei gewollten Erzählspiel immer in die Hose geht.

I beg to differ. Vielleicht in deiner Erfahrung. Das heisst aber nicht, das es überhaupt keine Gruppen gibt, die die von Vermi definierten Grundvoraussetungen erfüllen. Ich selbst spiele regelmäßig in zweien und habe am Wochenende mindestens eine erlebt, die den Anspruch des Eingangspost erfüllte (sowie zwei weitere, die verdammt nahe dran kamen).


Boni

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #30 am: 2.03.2010 | 14:55 »
Ich habe gemerkt, das viele einfach nicht so viel drüber reden/nachdenken wollen, wie sie spielen. Nicht jeder will soviel investieren, und das ist auch ok.

Hat ja auch keiner gesagt. Andere Spilstile sind legitim, solange sie allen Beteiligten Spaß machen. Probleme gibt es erst, wenn unterschiedliche Vorstellungen im Spiel aufeinander prallen.

Zitat
Es ist auch irgendwann lächerlich, wenn 5mal mehr übers Spiel geredet als gespielt wird.  ;)

Klar ist das jetzt absichtlich überspitzt ausgedrückt. Allerdings ist das eine fehlerhafte Vorstellung, die es scheinbar öfter gibt, das nur übers Spiel verhandelt, aber nicht gespielt wird. Wenn man sich einen Abend (oder zwei, oder drei) Zeit nimmt, um übers Spiel, die Charaktere und die gemeinsamen Erwartungen zu reden, steht das bei einer Kampagne, die ein Jahr und längerlaufen soll, doch noch in einem guten Verhältnis. Und auch in anderen Spielstilen kann es sich lohnen, mal über das Spiel zu reden, bevor Probleme entstehen.

Offline Teylen

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #31 am: 2.03.2010 | 14:59 »
Teylen, ich kann es leider nicht besser ausdrücken, als ich es im Eingangsbeitrag getan habe. Ehrlich gesagt verstehe ich dich nicht, und du mich anscheinend auch nicht. So was kann vorkommen, kein Beinbruch. :)
Ich war auch nur interessiert was in dem Eingangsbeitrag inhaltlich vielleicht "mehr" drin steht als ich beim ersten lesen so gesehen habe. Ich finde ja auch das er ein sehr schönes Schriftbild hat und so etwas nach Kant klingt ohne gleich gänzlich abzuheben, naja nur bei den Aussagen komme ich nicht ganz auf den Punkt ^^;

Ich mein jetzt sogar von dem was ich erkenne würde ich absolut zustimmen.
Eben weil es einmal "Erzählspiel" unabhängig von Player Empowerment bzw. Bennie Zeug beschreibt ohne das als Spielmittel auszuschließen und auch noch offen Richtung eher gerailroadeter Sachen ist. Nur mir erscheint es vielleicht ein bisschen zu offen ^^;
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Offline Lord Verminaard

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #32 am: 2.03.2010 | 15:01 »
@ verminlord: „Gewollt und nicht gekonnt“ ist zweifellos ein real existierendes Phänomen. Ich vermute, einige Spieler haben vielleicht in bestimmten Regelwerken gewisse Paradigmen gelesen und postulieren diese, ohne allerdings eine richtig kohärente Vorstellung davon zu haben, wie das dann im Spiel funktioniert. Dann werden eher bestimmte Handlungen schablonenhaft ausgeführt, die vermeintlich zu einer „guten Geschichte“ führen, aber ein echtes, gemeinsames Empfinden der Beteiligten, im Spiel tatsächlich eine „gute Geschichte“ zu erleben, ist eigentlich gar nicht vorhanden. Meiner Erfahrung nach findet dann auch eher kein kreatives aufeinander Aufbauen statt, vielmehr werden alle möglichen Sachen unterbunden, weil sie „nicht stimmungsvoll“ oder „nicht storydienlich“ sind. Solche gescheiterten Erzählspielrunden verdienen Kritik, sollten jedoch nicht als Rollenmodell des Erzählspiels im Allgemeinen missverstanden werden.

Ich nehme an, meine Verwendung des Wortes „Erwartung“ hat bei dir die Assoziation zu solchen Runden geweckt. Funktioniert für dich vielleicht die Bezeichnung „gemeinsames Verständnis“ oder „gemeinsames Empfinden“ besser? Was ich damit meine, ist schlicht, dass in einer funktionierenden Erzählspielrunde die Spieler an einem Strang ziehen und auf einer Wellenlänge schwingen. Dass also, wenn dein Mitspieler seinen Charakter etwas sagen oder tun lässt, du das in aller Regel als passend und nur in seltenen Ausnahmefällen als unpassend empfindest.
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Offline Maarzan

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #33 am: 2.03.2010 | 15:16 »
Im Zusammenhang mit dem ersten Auftreten der Storyteller und dem beginnenden Kleinkrieg sehe ich das Problem darin, das der "besseren Story" quasi als Götze eine übergeordnete Qualität und Autorität zugesprochen wurde und damit die Interessen des Rests der Gruppe zweitrangig wurden. Der Kunst hatte man sich unter zu ordnen und "bessere Story" wurde von einigen als legitimier Grund angesehen, mit dem eine Meinung durchgesetzt werden sollte.
Ich weis nicht, in wie weit dass direkt aus den RAW herauslesbar ist oder ob sich das aus den Auftritten und Diskussionen der Macher und ersten Anhänger ergeben hat, aber in mneinem Wahrnehmungsbereich damals haben sich ein Haufen Leute, die zuvor Stress in den bisherigen Runden hatten (Railroader, Schummler, Wannabepowergamer) dem neuen Spielstil zugewandt, sich über die Rückständigkeit und Unerwachsenheit der zurückgebliebenen ausgelassen um dann missionierend (oder einfach mit ihrem tollen Vampirecharakter Gen.xyz) ins klassische Spiel zurück zu wollen.

In dem Sinne frage ich mich in wie weit die Ethik hier Realtitätsbezug hat. Kommunismus mag in der Theorie und diversen Kleinkommunen auch funktional sein, aber im Großen und Ganzen war es an der Realität vorbei mit entsprechenden Verirrungen in der praktischen Ausführung.
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Offline verminlord

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #34 am: 2.03.2010 | 15:26 »
„gemeinsames Verständnis“ oder „gemeinsames Empfinden“ besser?

Deutlich besser. Danke.

Offline Lord Verminaard

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #35 am: 2.03.2010 | 15:31 »
In dem Sinne frage ich mich in wie weit die Ethik hier Realtitätsbezug hat.

Ich würde sagen, insoweit, als auch jede andere Ethik Realitätsbezug hat: Anständige Leute halten sich im Wesentlichen daran, oder versuchen es zumindest.

Ich kann nur sagen, dass ich schon viele Runden mit ganz unterschiedlichen Leuten gespielt habe, in denen es jedenfalls nach meinem Empfinden und dem Bekunden der Mitspieler genau so wie von mir im Ausgangsbeitrag beschrieben funktioniert hat.
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Offline Toshi

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #36 am: 2.03.2010 | 16:09 »
Das würde ich auch so sagen, wobei die Produktion einer guten Geschichte dann auch schon gutes Erzählspiel ist. Man könnte vielleicht statt gut neutraler auch sinnvoll sagen - also sinnvoll in dem Sinn, dass Erzähltes nicht durch eine Unlogik des Erzählens entwertet wird.
Eine Ethik darf sich nicht davor drücken das "Gut" zu bestimmen, oder festzulegen wie es zu bestimmen ist.
Eine Ethik muss als Moraltheorie bestimmen 'was' gut ist und muss dies auch begründen.

Wenn man eine "gute Geschichte" als zu erreichendes Ziel benennt,
kommt man nicht drumrum eben dies zu Begründen.
Warum ist eine "gute Geschichte" wichtiger als Spannung/Kurzweil/Spass/etc...

Wenn man "das Gute" als Vorraussetzung und nicht als Schlußfolgerung präsentiert
dann ist das ne nette Auflistung von Regeln/Anweisungen, aber imho noch keine 'Ethik'.

Im Fazit wird zwar darauf verwiesen dass "das Gute" im Diskurs zu bestimmen sei,
doch wird nach wie vor vorausgesetzt dass es eine "gute Geschichte" sein soll?!?

Hm, sry, aber für mich hat das wenig mit Ethik,
und nur am Rande mit Moral zu tun was da beschrieben wird.

Ich würde sagen, insoweit, als auch jede andere Ethik Realitätsbezug hat: Anständige Leute halten sich im Wesentlichen daran, oder versuchen es zumindest.

In der Ethik geht es um die moralische Bewertung und Begründung von Handlungen.
Und alle Handlungen haben Realitätsbezug.
Als "anständig" im Sinne einer bestimmten Ethik gelten die Leute doch nur
weil/wenn sie eben dieser Ethik folgen.

Ich kann nur sagen, dass ich schon viele Runden mit ganz unterschiedlichen Leuten gespielt habe, in denen es jedenfalls nach meinem Empfinden und dem Bekunden der Mitspieler genau so wie von mir im Ausgangsbeitrag beschrieben funktioniert hat.
Eine empirische Begründung für eine Moraltheorie. Ähm... *hüstel*


...just my two cents...

Offline verminlord

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #37 am: 2.03.2010 | 16:22 »
I beg to differ. Vielleicht in deiner Erfahrung. Das heisst aber nicht, das es überhaupt keine Gruppen gibt, die die von Vermi definierten Grundvoraussetungen erfüllen. Ich selbst spiele regelmäßig in zweien und habe am Wochenende mindestens eine erlebt, die den Anspruch des Eingangspost erfüllte (sowie zwei weitere, die verdammt nahe dran kamen).

Das habe ich nicht behauptet. Aber und das sage ich in aller Klarheit, der schlechte Ruf des Erzählrollenspiel kommt von Leuten, die behaupten Erzählrollenspiel zu betreiben, aber in wirklich 'Mary Sue' Onanie darbieten.
« Letzte Änderung: 2.03.2010 | 16:31 von verminlord »

Offline Heretic

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #38 am: 2.03.2010 | 16:24 »
Ethik ist nie allgemeingültig, sondern kulturkreisbezogen.

Rollenspiel simulationistischer und gamistischer Natur führt ebenso zur "guten Geschichte" wie "Erzählspiel", nur sieht das anscheinend keiner von euch, dass beide Extremformen teil des übergeordneten Komplexes "Rollenspiel" sind, und nur die Wichtung halt jeweils anders liegt, aber am Ende das Erleben einer guten Geschichte steht, egal ob das jetzt durch Märchenonkelei oder durch gamistischen Crunch und Simulationismus erreicht wurde.

Bei den "Erzählern" folgt das Regelgerüst der narration, bei den "gamistischen" erwächst die narration aus dem durch Regeln festgelegten und in Kooperation zwischen den Mitspielenden geformten Spielgeschehn.

Das Ziel ist das gleiche, nur das Mindset und der Weg dorthin ist ggf. abweichend.

Ist zumindest meine Meinung, die wohl krass von eurer abweicht, was mich nicht wundert, da ich mit der Theorie wenig am Hut hab, sondern meist praktisch am Tisch spiele, und in meinen Runden zumeist der Pragmatismus zählt, und nicht irgendwelche Theorien.
 
ErikErikson: Ich weiss immer noch nicht, wie ich meinen Speer am besten einführe.
kirilow (IRC): Ich denke mir aber, dass Du gerne ein Misanthrop wärst.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #39 am: 2.03.2010 | 16:34 »
Eine Ethik darf sich nicht davor drücken das "Gut" zu bestimmen, oder festzulegen wie es zu bestimmen ist.
Eine Ethik muss als Moraltheorie bestimmen 'was' gut ist und muss dies auch begründen.

Wenn man eine "gute Geschichte" als zu erreichendes Ziel benennt,
kommt man nicht drumrum eben dies zu Begründen.
Warum ist eine "gute Geschichte" wichtiger als Spannung/Kurzweil/Spass/etc...

Okay, das ist eine Begriffsverwirrung. Ich schreibe „gute Geschichte“ in Anführungszeichen, weil das die gebräuchliche umgangssprachliche Bezeichnung des Spielziels ist. Dieses habe ich aber als das subjektive Empfinden der Beteiligten definiert. Subjektives Empfinden als Anknüpfungspunkt objektiver Handlungsanweisungen mag unüblich sein, darum kommt man aber m.E. hier nicht herum, eben weil es keine Rechtfertigung einer Handlungsanweisung gibt, die anhand äußerlich auferlegter, objektiver Kriterien von der Gruppe verlangt, eine bestimmte Art von Geschichte zu erzählen. Das einzige Ziel der Aktivität Rollenspiel ist ja die persönliche Erbauung der Beteiligten, also kann Maßstab für richtig oder falsch der Aktivität auch nur das subjektive Empfinden der Beteiligten sein. Wenn du z.B. eine Ethik des Sex postulieren wolltest, kämest du ebenso wenig um das subjektive Empfinden herum.

Das Gute (Richtige) im Sinne der Moralphilosophie, ohne Anführungsstriche, ist daher ein anderes gut als das „gut“ in „gute Geschichte“, wenn du mir folgen kannst. Gut (richtig) im Sinne der Moralphilosophie soll nicht die „Geschichte“ sein, sondern das Verhalten der Beteiligten während des Spiels, das sich an die – explizit oder stillschweigend – getroffene Gruppenabsprache und gewisse allgemeingültige Umgangsformen zu halten hat. Und dabei muss, wie oben erläutert, das gemeinsame ästhetische Empfinden der Beteiligten ein Beurteilungsmaßstab sein.

Zitat
In der Ethik geht es um die moralische Bewertung und Begründung von Handlungen.
Und alle Handlungen haben Realitätsbezug.
Als "anständig" im Sinne einer bestimmten Ethik gelten die Leute doch nur
weil/wenn sie eben dieser Ethik folgen.

Ja, da hast du natürlich recht. Ich bitte um Nachsicht für mein erwähntes Westentaschenlatein, ich habe keine Philosophie studiert (hatte nur mal ein Seminar mit so Laien-Philosophen aus der juristischen und theologischen Fakultät…) Natürlich ist das hier keine Herleitung, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Aber ich denke, für den Hausgebrauch reicht es. Natürlich nur, wenn der geneigte Leser ein paar Grundannahmen teilt, die sich aber im Wesentlichen mit „kategorischer Imperativ“ umschreiben lassen sollten.

Zitat
Eine empirische Begründung für eine Moraltheorie. Ähm... *hüstel*

Nana, verständig lesen bitte. Es ging dabei nicht um die moralische Frage nach richtig oder falsch, sondern allein um die praktische Frage, ob ein Handeln nach diesen Grundsätzen überhaupt realistisch ist. Es ist daher keine empirische Begründung der Moraltheorie, sondern lediglich ein anekdotischer Beleg dafür, dass die postulierten Regeln auch tatsächlich praktisch angewendet werden können.
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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #40 am: 2.03.2010 | 16:41 »
@Heretic

So ähnlich sehe ich das auch. Das Hauptziel ist es, eine Geschichte zu erleben und den Helden durch Konflikte zu führen.
Das ist mit fast jeder Spielrichtung möglich, solange die Beiträge der Spieler nicht entwertet und Vorstellungen nicht zu stark strapaziert werden.

Wenn man sich nach der "guten Geschichte" als direktem Ziel richtet möchte, sind Vermis REgeln schon vollständig (soweit ich es jetzt sehe.). Will man sich über die Weltensimulation dorthin hangeln, braucht es ersatzweise zu den fähigen Spielern einen sehr fähigen SL, dafür können sich die SPieler mehr auf den AUgenblick konzentrieren. (Oder was weiß ich machen.)
Das hat alles seinen eigenen Geschmack. Und was der eine mag ist dem anderen so ein Geschmäckle. ich habe bisher beides in gut erlebt und einige Male auch das von Vermi beschriebene Spiel. MIr persönlich macht das im Moment mehr Spaß.

Was denn nun eine gute Geschichte ist, hängt in erster Linie vom Geschmack der Mitspielenden ab. Ich mag es z.B. episch, andere mögen emo(tionsgeladene) Weltschmerzdudelei...
Hier in einer Gruppe diese versch. Anforderungen herauszufinden ist sehr schwer. Dafür braucht es einen sehr fähigen SL oder proaktive Spieler, damit "Erfolg" kein Zufall ist.
Egal, wie herum man an das Problem der verschiedenen Erwartungen herangeht, es bleibt schwierig. Wenn man sagt, dass Geschichte aus der Weltensimulation entsteht und die Spieler das schätzen sollen, macht man es sich sehr einfach.
Selbst Zornhau lässt sich des öfteren über Plothooks und das Einbinden versch. SCs aus, womit er im Endeffekt den Spielern etwas gutes tun möchte und diesen eine schöne Zeit bereiten will. Nur trägt er dabei die volle Verantwortung, was durchaus eine große Spaßquelle sein kann. Vor Allem ist es so leichter Stringenz zu wahren und die Spielweltlogik aufrecht zu erhalten.

Wenn man sich jetzt Vermis Forderungskatalog ansieht, so wird von den Spielern eine Menge vernünftigen Verhaltens gefordert. Diese Anforderungen gleichen so ziemlich denen, die man sonst hauptsächlich mit der SL-Rolle in Verbindung bringt, die als Moderatorenrolle eben solche Streitigkeiten und Kompetenzüberschreitungen vermitteln und sanktionieren soll.

Ich höre jetzt einmal auf und frage nach, ob ich gerade wieder einseitig werde.

sers,
Alex
« Letzte Änderung: 2.03.2010 | 16:45 von Destruktive_Kritik »

Boni

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #41 am: 2.03.2010 | 16:44 »
Das habe ich nicht behauptet. Aber und das sage ich in aller Klarheit, der schlechte Ruf des Erzählrollenspiel kommt von Leuten, die behaupten Erzählrollenspiel zu betreiben, aber in wirklich 'Mary Sue' Onanie darbieten.

Okay,das kam anders an. Dieser Aussage kann ich zustimmen.

Offline Lord Verminaard

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #42 am: 2.03.2010 | 16:46 »
Rollenspiel simulationistischer und gamistischer Natur führt ebenso zur "guten Geschichte" wie "Erzählspiel", nur sieht das anscheinend keiner von euch, dass beide Extremformen teil des übergeordneten Komplexes "Rollenspiel" sind, und nur die Wichtung halt jeweils anders liegt, aber am Ende das Erleben einer guten Geschichte steht, egal ob das jetzt durch Märchenonkelei oder durch gamistischen Crunch und Simulationismus erreicht wurde.

Bei den "Erzählern" folgt das Regelgerüst der narration, bei den "gamistischen" erwächst die narration aus dem durch Regeln festgelegten und in Kooperation zwischen den Mitspielenden geformten Spielgeschehn.

Das Ziel ist das gleiche, nur das Mindset und der Weg dorthin ist ggf. abweichend.

Ist zumindest meine Meinung, die wohl krass von eurer abweicht, was mich nicht wundert, da ich mit der Theorie wenig am Hut hab, sondern meist praktisch am Tisch spiele, und in meinen Runden zumeist der Pragmatismus zählt, und nicht irgendwelche Theorien.

Das ist durchaus ein berechtigter Einwand, wobei ich mich nicht festlegen möchte, ob das von mir hier beschriebene Erzählspiel im Einzelfall „narrativistisch“ oder „simulationistisch“ nach Forge-Definition ist. Das was hinten beim Rollenspiel rauskommt, ist immer eine Geschichte im Sinne eines Handlungsverlaufes. Diese Geschichte ist im Nachhinein betrachtet beim Erzählspiel nicht unbedingt „besser“ (spannender, dramatischer, stimmungsvoller) als beispielsweise beim Abenteuer(rollen)spiel nach Settembrini. Aber, wie du richtig sagst, der Mindset ist ein anderer, d.h. es wird beim Abenteuer(rollen)spiel im Gegensatz zum Erzählspiel nicht als legitim oder gar verpflichtend angesehen, Entscheidungen im Hinblick auf einen gewünschten Handlungsverlauf zu treffen, sondern es liegen andere Maximen zugrunde.

Entscheidend ist daher nicht das Ergebnis (die „Geschichte“), sondern der Weg dorthin, eben das von mir beschriebene kreative aufeinander Aufbauen. Ich habe auch nicht ohne Grund auf das Empfinden während des Spiels abgestellt, im Gegensatz zu einer rückblickenden Betrachtung. Was dann jeweils das Ziel der Beteiligten ist und was nicht, darüber kann man trefflich streiten. Ich persönlich würde ja sagen, der Weg ist das Ziel. ;)
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Offline D. M_Athair

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #43 am: 2.03.2010 | 16:52 »
Bei den "Erzählern" folgt das Regelgerüst der narration, bei den "gamistischen" erwächst die narration aus dem durch Regeln festgelegten und in Kooperation zwischen den Mitspielenden geformten Spielgeschehn.
Das kann zutreffen. Muss aber nicht.

Wenn ich Prince Valiant spiele, dann findet, das was du den "Erzählern" zuordnest nicht statt.
Dasselbe gilt für einen Freund, der TSoY leitet.


Für WW-Spiele scheint mir "Regelgerüst folgt Narration" ein Paradigma zu sein.


"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Offline Maarzan

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #44 am: 2.03.2010 | 17:29 »
Das Kernproblem im Umgang mit Story scheint mir die Festlegung zu sein, was den nun gute (oder bessere) Story ist. Beim Gamismus sind Herausforderung und Fairness noch gut auf Basis des Spiels selber diskutierbar.
Bei Simulationismus oder gar Realismusansprüchen ist das schon deutlich schwieriger, aber zumindest nicht ganz ohne Orientierung.
Dazu kommt, das Fehler hier halbwegs brauchbar ausgebessert werden könne, da das Interesse dem Weg und nicht dem Ziel, bzw. dem Gesamtwerk gewidmet ist.

Bei Story prallen nun bei dem Paradigma der Erschaffung einer "guten" Story Geschmäcker und künstlerische Egos aufeinander und mit dem Blick auf das geschlossene Gesamtbild scheint  "Pfusch" in einer Szene das ästhetische Empfinden nachhaltig und unakzeptabel zu stören.

Wo der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist, sind die Probleme deutlich seltener zu sehen, aber das erscheint mir an der Menge der Auftretensfälle eher ein -auch in der Auswahl der Systeme recht gut gekapselter- Exot zu sein.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #45 am: 2.03.2010 | 17:45 »
Ich weiß nicht, ob das ein solcher Exot ist. Kann da natürlich nur von meinem persönlichen Erfahrungshorizont ausgehen. Es sei noch mal betont, dass Erzählspiel gemäß meiner Definition durchaus mit einem klassischen, simulierenden Regelwerk gespielt werden kann und auch gespielt wird, und dass das möglicherweise auch durchaus seinen Sinn hat (wobei bestimmte zusätzliche, story-orientierte Mechaniken hinzu kommen können). Grundsätzlich ist Erzählspiel nach meiner Definition, etwas überspitzt gesagt, jede Runde, wo einer etwas macht, weil es „cool“ oder „stimmungsvoll“ ist, und die anderen daran ihre Freude haben.

Womit du zweifellos Recht hast, ist, dass die „gute Geschichte“ deutlich weniger greifbar ist als z.B. „Realismus“ oder „Herausforderung“. Daher müssen Erzählspieler die Fähigkeit mitbringen, hier die gemeinsame Wellenlänge mit ihren Mitspielern zu finden – oder zu erkennen, dass es die nicht gibt, und das Spiel dann abzubrechen oder auf einen anderen Spielstil auszuweichen. Sich – soweit möglich – auf die Vorlieben und Ideen der anderen einzulassen, ist zwingend erforderlich. Wenn jeder darauf beharrt, seine eigene Vorstellung (und nur die) sei „gut“, kann es nicht funktionieren.

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Offline Zornhau

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #46 am: 2.03.2010 | 17:58 »
Ich weiß nicht, ob das ein solcher Exot ist.
Also Spiele, "Wo der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist", die sind tatsächlich ausgesprochene Exoten in der Spielelandschaft. Und es ging ja im obigen Beitrag nicht darum, daß man Erzählspiel mit allerlei Spielprodukten spielen könnte, sondern eben um die Exoten, bei denen "der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist". Die sind selten und kaum jemand kennt und spielt sie.

Womit du zweifellos Recht hast, ist, dass die „gute Geschichte“ deutlich weniger greifbar ist als z.B. „Realismus“ oder „Herausforderung“. Daher müssen Erzählspieler die Fähigkeit mitbringen, hier die gemeinsame Wellenlänge mit ihren Mitspielern zu finden – oder zu erkennen, dass es die nicht gibt, und das Spiel dann abzubrechen oder auf einen anderen Spielstil auszuweichen. Sich – soweit möglich – auf die Vorlieben und Ideen der anderen einzulassen, ist zwingend erforderlich. Wenn jeder darauf beharrt, seine eigene Vorstellung (und nur die) sei „gut“, kann es nicht funktionieren.
Ersetze "Erzählspieler" durch ROLLENSPIELER.

Denn EGAL, ob es um Die Gute Geschichte (tm) geht oder um eine Knackige Herausforderung (tm) oder darum, ob etwas Realistisch (tm) ist, ohne eine gemeinsame Wellenlänge, ohne stimmende Gruppenchemie, ohne eine Rücksichtnahme zur Förderung der Gruppe, da kann man KEIN Rollenspiel betreiben.

Das ist absolut unabhängig von der Zielsetzung, Spielweise, Stilausprägung und was auch immer!

Da geht es auch nicht darum, daß "Realismus" irgendwie "greifbarer" wäre. - Wer sich das GEZERRE von Realismus-Fanatikern mal anschaut, der erkennt sofort, daß hier ein Konsens sogar noch VIEL SCHWERER zu finden ist, als bei Story-Fanatiker oder Herausforderungs-Fanatikern! - Realismus und "realistisch" ist geradezu ein GARANT für Dissenz in einer Gruppe von Spielern, denen Realismus wichtig ist. Denn das, was sich JEDER EINZELNE als "realistisch" vorstellt, ist ja ganz grundsätzlich und zwangsweise UNREALISTISCH, weil es nur durch SEINE gefilterte Wahrnehmung dessen, was er für "real" hält, zustande kommt. - Daher gibt es bei den R-Spielern auch übelste Zerwürfnisse.

Das ist keine Vermutung, sondern ich war in der Frühzeit ein Hard-Sci-Fi-Fan und bin Naturwissenschaftler. Das sind schon einmal Voraussetzungen dafür, daß es EKELHAFT werden kann, wenn es hier zu Diskussionen - schlimmstenfalls mitten im Spiel - kommt, ob und wie "realistisch" etwas ist. - Das hat zur Selbstzerfleischung von Gruppen geführt.

Ich bin davon GRÜNDLICHST kuriert. - R-Spiel gibt es bei mir NICHT und erwarte ich auch NICHT. - Das erspart endlosen Ärger.

Offline Blutschrei

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #47 am: 2.03.2010 | 18:16 »
Ich sehe keinerlei moralisches Lehrmedium im Rollenspiel, sehr wohl aber die Möglichkeit, daraus zu "lernen".

Uff, Deutsch-LK lass mich nicht im Stich! xD Ich glaube Lessing (?!) hatte soetwas doch schonmal zur Literatur behauptet, dass er als Schriftsteller nur eine Geschichte bietet, ohne direkt als Lehrer darüber zu werten, jedoch bleibt es dem Leser selbst frei, was für moralische Lehren er aus dem Roman zieht.
Ist meiner Meinung nach 1:1 aufs Rollenspiel übertragbar. Ich möchte mit meiner Geschichte, bzw dem Handeln meines Charakters nichts lehren, aber aus der Beobachtung und dem persönlichen Auswerten der Geschichte, kann jeder seine Lehren ziehen wie es ihm passt.
Durch diese Ansicht bleibt es auch weitestgehend neutral und es wird keine "unmoral" durch unmoralische Dinge im Rollenspiel gelehrt, da ja jeder selbst dafür verantwortlich ist, was er aus den ereignissen für sein Moral-/Ethikverständnis übernimmt oder ablehnt.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #48 am: 2.03.2010 | 18:20 »
Also Spiele, "Wo der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist", die sind tatsächlich ausgesprochene Exoten in der Spielelandschaft. Und es ging ja im obigen Beitrag nicht darum, daß man Erzählspiel mit allerlei Spielprodukten spielen könnte, sondern eben um die Exoten, bei denen "der Vorgang des Spinnen der Geschichte Kern des Interesses ist". Die sind selten und kaum jemand kennt und spielt sie.

Im Ausgangsbeitrag dieses Threads rede ich nicht über Spielsysteme, sondern über einen Spielstil. Dieser Spielstil ist meiner Meinung nach von DSA bis Vampire, von Star Wars d6 bis Buffy the Vampire Slayer, ein sowohl in den Anleitungstexten als auch in den Spielrunden absolut verbreiteter Spielstil. Mir ging es darum, mich für diesen Spielstil einer auf ethischen Überlegungen basierenden Definition anzunähern, wie man diesen „richtig“ spielt (denn anscheinend kann man ihn auch „falsch“ spielen, wobei wir alle nur raten können, die häufig das tatsächlich vorkommt). Die verwendeten Regelwerke sind dabei im Wesentlichen simulierend, setzen aber meist einige Akzente, die die Story-Orientierung erkennen lassen. Wie das zusammen passt, habe ich im Ausgangsbeitrag versucht zu erläutern.

Irgendwelche Forge-Spiele mit Erzählrechteverteilung und ähnlichem Schnick-Schnack sind in der Tat Exoten, und um die geht es mir hier auch nicht.

Zitat
Ersetze "Erzählspieler" durch ROLLENSPIELER.

Denn EGAL, ob es um Die Gute Geschichte (tm) geht oder um eine Knackige Herausforderung (tm) oder darum, ob etwas Realistisch (tm) ist, ohne eine gemeinsame Wellenlänge, ohne stimmende Gruppenchemie, ohne eine Rücksichtnahme zur Förderung der Gruppe, da kann man KEIN Rollenspiel betreiben.

Das stimmt natürlich. Letztendlich ist die Frage, was davon am Schwersten zu greifen ist, auch müßig.
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Offline Bad Horse

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Re: Versuch einer Ethik des Erzählspiels (lang)
« Antwort #49 am: 2.03.2010 | 18:25 »
Es geht aber nicht um das moralische bzw. unmoralische Verhalten der Charaktere. In dieser Beziehung hast du nicht nur vollkommen recht, sondern das auch noch sehr schön auf den Punkt gebracht.

Es geht darum, welches Verhalten der Spieler in einer Erzählspielrunde moralisch bzw. unmoralisch ist.

In der Richtung wäre es z.B. unmoralisch, wenn der Schurke ohne Absprache wegschleicht und den großen Bösewicht im Alleingang meuchelt, obwohl der Rest der Gruppe einen anderen Plan hat - nicht, weil Meucheln unmoralisch ist, sondern weil er den Spannungsbogen unterbricht und den anderen Spielern die Möglichkeit nimmt, an der Konfrontation mit ihrem Erzfeind teilzunehmen. Er nimmt ihnen den dramatischen Höhepunkt des Spiels, gerade wenn seine Aktion von Erfolg gekrönt ist.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?