Immersion via Charakterbogen
Immersion ist ein tolles Wort und so toll wie das Wort ist, pflegt fast jeder Rollenspieler seine eigene Definition des Wortes und ist auf die meisten anderen Definitionen schlecht zu sprechen. Ich habe in Jörgs Gedanken zur Immersion schon einmal versucht verschiedene Wege aufzuzeigen, wie unterschiedliche Spielertypen zur Immersion finden können und möchte mich in diesem Beitrag mal dem fast ultimativen Hilfsmittel zuwenden, mit dem der eine oder andere Spieler in sein Spiel findet.
Dem Charakterbogen
Na klar, jeder definiert seinen Spaß anders und die Sache mit der Immersion als Zeichen der Loslösung vom Geschehen um das Spiel oder den Eintauchen in den Charakter ist eine persönliche Sache, die ich schlecht erklären kann. Trotzdem möchte ich mich einer der Varianten widmen, die mir als Spieler oder SL häufig begegnet und die ich auch selber benutze um in oder zu meinem Charakter zu finden.Der Nutzung des Charakterbogens als Mittel zur Fokussierung oder Improvisation.
Was, den Charakterbogen?
Was hat denn das mit Immersion zu tun?!? Tönen dann gleich andere Spieler, doch ich habe in meinem anderen Text ja schon dargelegt, das er mehr Arten als die Immersion gibt, die wohl mit“ in dem Charakter sein“ beschrieben wird.
Der Charakterbogen ist ein Mittel zu Improvisation. Auf ihm stehen Zahlen und Werte, es sind Fertigkeiten vermerkt, eventuell Gesinnungen und sonstige Informationen. Mit Hilfe des Charakterbogens soll sich der Spieler ein Bild vom Charakter machen können. Deshalb bin ich auch ein Fan von Anmerkungen zu etwas persönlichen auf dem Charakterbogen. Der Mantel in Dogs ist zum Beispiel etwas, was mir extrem hilft, in den Charakter zu finden. Die fünf Fragen aus Darkon, die weit oben auf dem Charakterbogen stehen sind auch eine Sache die gut auf den Bogen kann, weil sie etwas über die Persönlichkeit aussagen.
Warum? Ich sehe immer wieder gute Spieler die von oder vor mir mit einer Situation konfrontiert werden, die sie nicht intuitiv im Sinne des Charakters erfassen und entscheiden können. Diese Spieler werfen dann einen Blick auf ihren Charakterbogen und nutzen diesen, um sich Hilfe bei der anstehenden Entscheidung zu holen. Sie sehen, was für eine Klasse der Charakter (was oft einem Klischee entspricht) hat, wo er herkommt (was oft auch gewissen Klischees entspricht ) was für Attribute er hat (was auch wieder Tendenzen zur Problembewältigung verdeutlichen könnte) und was für Fertigkeiten er beherrscht, (was zeigt, wie er versuchen wird auf gewisse Sachen zu reagieren, denn man versucht Probleme meist mit Fertigkeiten zu beheben in denen man gut ist). Bei guten Charakterbögen nach meiner Überzeugung zeigen sie auch den Fokus des Charakters, seine Flags oder was er im Spiel will.
Wirft der geneigte Spieler also in einer Situation einen Blick auf seinen Charakterbogen, in der er nicht weiß, wie er sich verhalten soll, hat er meist eine Fülle an Informationen, die er verarbeiten kann um über die Reaktion des Charakters zu entscheiden. Dabei habe ich noch nie den Satz gehört: Mein Charakter will das aber nicht so, denn der Spieler der auf den Charakterbogen sieht sucht für gewöhnlich nach einer Lösung und nicht nach einer Aussage.
Und das ist auch gut so!
Oft sehe ich Spieler die über die Immersion via Charakterbogen lächeln und sagen, das man kein Papier benötigt um in seinen Charakter zu finden. Nein, brauchen vielleicht nicht. Aber dafür machen sie mir in Kampagnen regelmäßig das Leben zur Hölle, wenn sie sich nicht vorstellen können, wie ihr Charakter nach einem Höhepunkt weiter gespielt werden kann oder warum er sich in einer bestimmten Situation nicht verweigert.
Ganz ehrlich, mir sind die Jungs mit ihren Blick auf den Charakterbogen lieber, denn Rollenspiel ist für mich mehr als nur die Darstellung eines vermeintlichen Alter Egos. Es ist ein Gruppenspiel.