Ich poste das hier mal in den Diaries - es geht um eine DSA-Runde, das Problem, von dem ich berichte, ist aber eher allgemeinerer Natur, nun aber wiederum nicht so allgemein, dass es für den Theoriebereich passen würde. Insofern fällt meine Schilderung hier etwas kanpp und problemorientiert aus, und Diskussion ist erwünscht.
Die Gruppe: DSA-Runde in langjährig bestehender Konstellation (ich glaube, so um die 5 Jahre), in der 7G-Kampagne (mit einigen kleineren Änderungen). Und weil diese Fragen immer mal wieder auftaucht: 27 bis 34 Jahre alt, 3m, 1w.
Der Spielstil: Anfangs streng nach Abenteuer plotorientiert, inzwischen wechselnd zwischen plotorientierten, stark vorgeskripteten Sequenzen und freiem Ausspielen der Konsequenzen des Handelns der SC. Wechselnde Spielleiter, je nach denen wechselt auch der Stil (ich als SL beackere mehr das Feld des freien Spiels).
Die Charaktere: Jeweils mehrere wechselnd, in der hier relevanten Situation: Eine Hexe (mein SC, Gesellschaftscharakter), Eine Borongeweihte, Eien Kor-Geweihte. Ein NSC-Korgeweihter als kampfstarke Begleitung.
Das Geschehen (ich war hier Spieler):
Die genannten Charaktere befinden sich gerade auf einer Recherchemission in Fasar. Sie werden von einem Borongeweihten angesprochen, der offenbar wichtige Informationen für sie hat, sie ihnen aber aufgrund seines Schweigegelübdes nicht aussprechen kann und ihnen stattdessen irgendwo in der Stadt etwas zeigen will. Auf dem Weg sieht unsere Gruppe zufällig die "Gegengruppe" der "Blutigen Sieben", die sich auch gerade in der Stadt aufhält. Wir beschließen, die Gunst der Stunde zu nutzen, einer Gegnerin aufzulauern und sie Gefangenzunehmen. Die Sache wird etwas haarig, wir töten die Gegnerin beinahe und müssen dann fliehen. In der befreundeten Magierakademie beraten wir uns. Wir wissen, dass unsere zahlenmäßig überlegenen und brandgefährlichen Feinde draußen in der Stadt unterwegs sind und uns wahrscheinlich suchen. Andererseits ist uns auch klar, dass wir uns nicht ewig in der Magierakademie verkriechen können. Also beschließen wir, lieber schnell zu handeln, während unsere überrumpelten Feinde sich noch sammeln müssen, und brechen sogleich mit dem Boroni an den Ort auf, zu dem er uns so dringend führen will. Der SL weist uns darauf hin, dass das nun aber ein verdammtes Risiko sei.
Auf dem Weg durch die Stadt geraten wir in ein religiöses Fest, dichtes Gedränge. Meine Hexe trägt ein magisches Artefakt (das 4. Zeichen), das sie vor Gefahr warnt und sich nun leise zu melden beginnt. Ich schaue mich nach Bedrohungen um, kann aber im Gedränge nichts erkennen. Bevor ich Gelegenheit habe, einen Zauber zum Aufspüren eventueller Zauberkundiger in der Menge zu wirken, erklärt mir der SL, dass ich einen Stich am Hals verspüre. Als ich mich umdrehe, kann ich den Täter nicht mehr sehen, er ist in der Menge verschwunden.
Ich vermute natürlich sofort Gift, und als der SL was von Juckreiz sagt, weiß ich als Spieler (ebenso wie meine in Giften bewanderte Hexe), dass es sich wohl um Kukris handeln wird - ein Gift, dass für meinen Charakter mit absoluter Gewissheit innerhalb kurzer Zeit tödlich wirkt, sollte die magische Heilung scheitern.
Meine Hexe macht sich an die Heilung, da der zauber aber um die Giftstufe (12) erschwert ist, scheitert sie beim ersten Mal. Die beiden Folgeversuche sind wegen des Misslingens zusätzlich erschwert und misslingen ebenfalls. Nach langen Berechnungen wird festgestellt, dass ein Hochgeschwindigkeitsbesenflug zur Magierakadamie mindestens eine Minute dauern würde, und es ist klar, dass meine Hexe bis dahin längst tot wäre. Schließlich erklärt der SL mir, dass ich eine Zahl auf W20 nennen kann, sollte ich anschließend genau die würfeln, befindet sich in der Menge tatsächlich ein Zauberkundiger oder Geweihter, der auf unsere Rufe reagiert und meinen Charakter retten kann. Ich verfehle die Zahl und meine Hexe stirbt.
Derweil wurde auch die Borongeweihte (die SC, nicht der NSC) mit Kukris vergiftet. Sie setzt dem Übeltäter nach und streckt ihn in einiger Entfernung am Fluss nieder, er löst sich im wasser zu ekligem Schleim auf - und da er offensichtlich ein Paktierer ist, gehen wir davon aus, dass es sich um eine dämonische Nebelleib-Variante handelt und er überlegt hat. Die Borongeweihte kann nun die Giftwirkung bei sich selbst durch ein Schlaf-Wunder stoppen - sie weiß aber nicht, dass derweil meine hexe stirbt und könnte ohnehin nicht beiden helfen. Der NSC-Borongeweihte bleibt bei unserer SC-Boroni, um ihren Schlaf zu bewachen, und kriegt ebenfalls nichts vom Ableben meiner Hexe mit.
Fazit: Alle logischen Möglichkeiten, den SC zu retten, waren erschöpft, insofern war der Charaktertod tatsächlich erstmal "okay" bzw. unvermeidlich.
Trotzdem bin ich als Spieler natürlich unzufrieden, obwohl ich mich eigentlich durchaus ganz gut auch von lange gespielten Charakteren trennen kann. Zum einen hat das natürlich mit der wenig spektakulären Todesart zu tun, aber selbst die hatte ihren "Sinn" - so ist der Gruppe mal klar geworden, dass sie es da mit echt fiesen Gegnern zu tun haben. und auch, dass die bösartigste Gifte einsetzen, passte hervorragend. Schließlich hat uns der SL ja auch gewarnt, dass die Sache gefährlich wird.
Dazu kommt, dass ich dem leitenden SL gerade vorher gepredigt hatte, er solle Situationen doch endlich mal konsequent durchziehen, unsere Handlungen mit Konsequenzen quittieren und nicht dauernd beschließen, dass Gegner sich aus unerfindlichen Gründen zurückziehen, sobald einer von uns unter 10 LP hat. Also konnte ich jetzt schlecht meckern, nachdem er an einem gewissen Punkt genau das gemacht hat.
Um entsprechende Spekulationen gleich voran zu entkräften: Der SL wollte mir ganz sicher nicht eins dafür auswischen, dass ich an seinem Stil rumgemäkelt habe, von wegen: "Der beschwert sich immer über mein Railroading, nah dann soll er mal sehen, wie es ihm schmeckt, wenn ich freies Spiel mit ernsten Konsequenzen leite!" Das wars definitiv nicht, der SL war vielmehr am Ende deutlich zerknirschter als ich und hat sich, so wie er geguckt hat, richtig Vorwürfe gemacht. Nein, ich glaube wirklich, dass er sich meine Spielerwünsche nach mehr Risiko, mehr Freiheit und logischen Konsequenzen zu Herzen genommen hat.
So, und nach den langen Erklärungen letztlich zu meinem Problem mit der Situation:
1. Der NSC musste nicht würfeln, um sich zu verbergen oder um meine Hexe mit seiner Giftnadel zu treffen. Bzw.: der SL meinte später, er hätte ihm einfach eine fifty-fifty-Chance für die ganze Operation gegeben und einen Wurf gemacht.
2. Vor allem: meine Hexe hatte keine Chance, die Bedrohung in letzter sekunde zu entdecken und ihr zu entgehen, obwohl sie durch ihr Artefakt gewarnt war. Obwohl ich nach Feinden Ausschau gehalten habe, habe ich in der Szene keinen einzigen Würfelwurf zugestanden gekriegt, bevor dann der Piekser am Hals kam ...
3. Anschließend fing der SL dann an, im Regelbuch zu blättern, um sich offenbar ERSTMALIG die Wirkung des Gifts anzusehen, das der Attentäter verwendet hat (dass er Kukris benutzt, stand wohl im Aventeuer).
4. Offenbar ist der SL auch erstmal davon ausgegangen, dass wir der Sache mit Heilmagie beikommen können - er hat sich anscheinend weder den KLARUM PURUM noch den HEXENSPEICHEL vorher angesehen, um festzustellen, dass ersterer um die Giftstufe erschwert (und damit kaum noch zu schaffen) ist und das letzterer die Giftwirkung nicht stoppt, gegen ein Gift, dass sehr lange oder bis zum Tode wirkt also völlig nutzlos ist.
5. So richtig klar war nicht, warum unsere Feinde uns so ohne weiteres orten konnten.
Punkt 1 und 2 finde ich ehrlich gesagt schwer verzeihlich, insbesondere, wenn das Leben eines SC daran hängt. Dass die Sache so ernst war, war dem SL aber offenbar wegen mangelnder Regelkenntnis nicht klar. Über Punkt 3 und 4 kann man sich streiten: Schließlich ist es durchaus logisch, dass unsere Feinde versuchen, uns zu vergiften, und dabei auch sehr schwere Geschütze auffahren. Daran ändert sich eigentlich dadurch nichts, dass der SL vorher überprüft, wie schwer diese Geschütze nun ganz genau sind. Punkt 5 kann ich schwer beurteilen, ich weiß nicht, ob unsere Feinde Mittel hatten, uns sofort zu finden - ich hatte aber den Eindruck, dass der SL einfach beschlossen hat, dass ein Meuchler in der Menge ist.
Einerseits hatte ich also die Warnung des SL, dass es jetzt ernst wird. Andererseits hatte ich eine konkrete Gefahrensituation, in der mein Charakter keine Möglichkeit hatte, den Schaden von sich abzuwenden, und in der letztlich alles an einer gelungenen Heilzauber-Probe hing. Letzteres erscheint mir für gelungenes Spiel eher kontraproduktiv, erstmal durchaus unabhängig davon, was jetzt logisch ist - wenn ein lebensbedrohlicher Konflikt einsetzt, sollten die Charaktere in irgendeiner Weise handlungsfähig sein, um ihr Schicksal zu beeinflussen. Ich konnte das Schicksal meiner Hexe jedoch nur durch einen einzigen Zauberwurf beeinflussen, bei dessen Misslingen war ihr Tod besiegelt.
Letztlich finde ich den Tod des Charakters für die Gruppe wie gesagt gar nicht so übel, weil es einfach ein schockierendes Ereignis war, das das gesamte Bedrohungsgefühl deutlich verstärkt hat. Trotzdem war es für den Charakter selbst natürlich ein blöder Abgang, und die Situation am Spieltisch war grausig, weil alle das nun durchziehen mussten, aber alle es natürlich auch bescheuert fanden. Das Problem lag aber eigentlich nicht in der durchaus dramatischen Situation selbst (SC stirbt unweigerlich an Vergiftung), sondern darin, dass sie durch eine schlecht durchdachte und regeltechnisch nicht ordentlich durchgeführte Entscheidung des SL entstanden war und dann nicht mehr aufzuhalten. Ich glaube, wenn meine Hexe in einem Kampf oder nach einem misslungenen Ausweichen von der Giftnadel erwischt worden wäre, wäre das Ganze schon nicht mehr so schrecklich ärgerlich gewesen ...
Wie seht ihr das?