Ich als Zahnarztfrau werde oft gefragt...
Ist D&D 4 "back to the roots"?
Glgnfz hat hier eine Liste veröffentlicht, die Punkte enthält, die seinem Gefühl nach die Wurzeln von D&D
ausmachen. Immer wenn ich in diesem Beitrag von Wurzeln schreibe, meine ich die von Glgnfz definierten und nur die.
- Ein Regelwerk, das dazu einlädt, es sich "zu eigen" zu machen. Ob nun "bug" oder "feature" ist an dieser Stelle
völlig egal. Auf jeden Fall führt es dazu, dass jeder Spielleiter einen eigenen Zugang zu dem System erschließt.
Keine Rückbesinnung auf die Wurzeln, weil die Spieldesigner dem Spielleiter einen Werkzeugkasten
entworfen haben, der es ihm ermöglicht die unterschiedlichen Situationen regeltechnisch einheitlich und
unkompliziert abzuwickeln. Im Werkzeugkasten ist alles zu finden von A wie Anpassen bestehender Monster über
F wie Fertigkeisherausforderung bis Z wie Zustände (blind, angeschlagen, sterbend...). Würde man einen der
Spieldesigner fragen, ob es trotz oder wegen der Regeln notwendig sei, sich einen eigenen Zugang zum System zu
erschließen, würde er bestimmt antworten, dass dies nicht notwenig sei, weil der Werkzeugkasten und ein bisschen
Übung ausreiche, um alle Aufgaben des Spielleiters damit zu erledigen.
- Weniger ist mehr. Gerade bei den Regeln. Je weniger Regeln es gibt, umso freier ist das Spiel. Das gilt aber auch
für Quellenbände, Abenteuer, Klassen... Alles, was es nicht gibt, kann durch die schlanken Regeln schnell
entworfen werden.
Hier bin ich unentschlossen. Außerhalb des Kampfsystems gibt es wenig Regeln. Also würde ich sagen, hier fand eine
Rückbesinnung statt. Im Kampfsystem wurde vereinfacht, zusammengefasst und ausbalanciert. Trotzdem müssen Felder gezählt und Boni unter Berücksichtigung der Anrechenbarkeit addiert werden. Das ist sicher keine Rückbesinnung auf die Wurzeln. Zumal im Kampfsystem ja auch die umfangreichste und aufwändigste Neuerung von D&D 4 zu bewundern ist: Kräfte. Der befragte Spieldesigner von oben würde bestimmt sagen, außerhalb des Kampfsystems habe man sich auf die Wurzeln besonnen, im Kampfsystem seien neue Wege beschritten worden.
Ich besitze einen Quellenband (Hammerfast) und ein Abenteuer (Keep On The Shadowfell). Die enthalten keine neue
Regeln. Diese Stichprobe ist jeweils nicht repräsentativ (n=1), deshalb tue ich meine Meinung zu diesem Bereich nicht kund.
Die neuen Klassen, die im Spielerhandbuch 2 und 3 veröffentlicht wurden, basieren zum Teil auf neuen Konzepten und
Mechanismen, deshalb würde ich sagen, dass die Klassen keine Rückkehr zu den Wurzeln darstellen, was allerdings
wieder den Kräften bzw. dem Kampfsystem geschuldet ist.
- Damit stark zusammenhängend: Der Spielleiter spielt zwar "gegen" die Spieler, es herrscht aber das gegenseitige
Vertrauen, dass er dabei fair bleibt.
Umso mehr Regeln es gibt, desto leichter kann man Fehler machen, ob jetzt bewusst oder unbewusst. Das ist klar.
Insofern kann unser Freund der Spieldesigner auch hier nur zugeben, dass sich D&D 4 auf Grund des neuen Kampfsystems
eher weiter von seinen Wurzeln entfernt hat. Allerdings ist dieser Punkt vor allem vom Spielstil abhängig und
nicht vom Regelwerk. Oder habe ich ihn nicht richtig verstanden? Vielleicht hilft mir dann ein konkretes Beispiel?
- Ein dahinter stehender Geist von "do it yourself". Damit Hand in Hand gehend natürlich viele Hinweise wie man
sein eigenes Spiel aufziehen kann, wie man Kontinente, Länder, Regionen... entwirft.
Auf dem Gebiet leistet das Spielleiterhandbuch richtig viel Einstiegshilfe.
Auch kommt hier der oben genannte Werkzeugkasten voll zur Geltung. Der Standardkampagnenhintergrund "Inseln des Lichts"
passt wunderbar zum DIY-Geist, ebenso wie der Hinweis, dass es klein anzufangen gilt. Gut, der ein oder andere
"Guru und Ex-Guru" (R. Völler, seines Zeichens Fußballgott) könnte anmerken, dass ihm die Informationen hier zu
knapp seien. Aber könnte es nicht auch sein, dass Informationsflut das Selbermachen behindert, hm? ;-)
Deshalb gibt es von mir ein deutliches "Zurück zu den Wurzeln".
- Herausforderungen werden den Spielern gestellt, nicht den Charakteren
Ich mag Fertigkeitsherausforderungen unter anderem deshalb, weil sie Spieler
motivieren sich kreative Einsatzmöglichkeiten für alle Fertigkeiten zu überlegen, um in bestimmten Situationen
weiterzukommen. Insbesondere natürlich für die Fertigkeiten, die ihre Charaktere besonders gut können und die daher
die Charaktere definieren. Wenn das bedeutet, dass der Charakter die Herausforderung löst, dann ist D&D 4 in einem
zentralen Punkt der Bewältigung von Herausforderungen außerhalb des Kampfsystems von seinen Wurzeln abgerückt. Im
Kampfsystem mag es vorkommen, dass Spieler zu sehr die Kräfte ihrer Charaktere im Kopf haben und deshalb die Spieler
nicht auf die grandiosen Ideen kommen, dem Zyklopen Matsch ins Auge zu werfen oder den Koboldpriester in den Ameisenhaufen
zu schmeißen. Wenn die Charaktere jetzt den Kampf trotzdem gewinnen und das bedeutet, dass die Charaktere die
Herausforderung gemeistert haben und nicht die Spieler, dann hat sich D&D 4 in seinem Urgrund von seinen Wurzeln
entfernt.
- Damit zusammenhängend: Nicht alle Herausforderungen sind zu meistern. Sprich: Die Welt richtet sich nicht nach
den Charakteren, diese müssen sich nach der Welt richten. Wenn sie auf der ersten Stufe in den "Drachenwald"
gehen wollen: "Bitte schön." Sie müssen aber nicht erwarten wieder hinauszukommen.
In den Kaufabenteuern so bestimmt nicht zu finden. Die Abenteuer sind bestimmt so entworfen worden,
dass die Helden mit mehr oder weniger Mühe durchkommen. Ich kann mich auch nicht entsinnen,
irgendwo einen Hinweis in offiziellen Veröffentlichungen auf diesen Spielstil gelesen zu haben.
Ist womöglich Absicht, weil gewinnende Spieler glücklich sind und glückliche Spieler kaufen
und weiter empfehlen. Darum kommt D&D 4 hier wohl den Wurzeln seiner Vorgänger auch nicht näher. Ich
formulierte mit Hintergedanken so vorsichtig, weil ich erstens Mutmaßungen anstellen und
zweitens kein Spielleiter Regeln, Hinweise und Werkzeuge braucht, um seinen liebsten Spielstil durchzuziehen. Insbesondere
dann nicht, wenn der Spielstil beinhaltet, den Helden Hindernisse in den Handlungsradius zu stellen, denen sie nicht
gewachsen sind. ;-)
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Unterm Strich: D&D 4 ist nicht "back to the roots". Ich halte das nicht für einen Makel, ganz im Gegenteil.
Weiß jemand, ob sich die Entwickler von D&D 4 auf die Fahne geschrieben haben, zu den Wurzeln zurückzukehren?