Um mich mal wieder als A.D. zu betätigen:
Diese Merkmale werden durch freies Spiel gefördert, durch Railroading verkümmern sie und werden sogar abtrainiert. Auf welche Weise das geshiert dürfte klar sein.
Nein, ist es nicht. Und ich glaube, daran krankt auch die ganze "Überlegenheit"... aber es ist natürlich bequemer, von "das dürfte klar sein" auszugehen, um sich gar nicht erst mit lästigen Argumenten herumschlagen zu müssen.
Kreativität, "Mündigkeit" und Eigenverantwortung gehen im "freien" Spiel in dem Maß verloren, in dem "alles geht", denn dann gibt es keinen Unterschied mehr zu Beliebigkeit. Mündigkeit ist im "freien" Spiel überflüssig und stört da eh nur - es muß schließlich weitergehen, und das Weitergehen muß von den Charakteren kommen, denn sonst wären die ja nicht frei, und Informationssuche kann da schnell zur "Totzeit" werden, vor allem für die Haudrauffraktion. Ebenso die Eigenverantwortung, es ist ja nur ein Charakter, macht man sich halt einen neuen, dann ist wenigstens was passiert und man hat seine Zeit nicht blödsinnig damit verplempert, zu hoffen, daß man mal wieder über etwas "Action" stolpert. Und die ach so tolle "freie" Kontrolle kollabiert in dem Moment, wo keiner mehr Bock hat, dem andern "immer das Ruder zu überlassen"; genauso erstarrt das Spiel, wenn alle im "Berieselungsmodus" sind. Weder Konkurrenz um das Entscheidungsrecht für die Gruppe noch bloße Mitmachmentalität erlauben der Gruppe, gemeinsam einigermaßen zuverlässig interessante Erlebnisse zu haben: Im ersten Fall erlebt die Gruppe, daß sich jemand zankt (na toll), im zweiten Fall eiert sie ziellos herum (na wie großartig).
Wenn der Spielleiter sich traut, einen Weg auszuarbeiten, den die Spieler (mit)gehen können, und die Spieler nicht zu der unter Regel 0 ausgeschlossenen Gruppe gehören, d.h. wenn sie bereit sind, sich auf das gemeinsame (!) Spiel mit (!) dem Spielleiter einzulassen, kann der schon mal zusehen, daß die Spielsitzung ihre Höhepunkte hat und es im besten Falle sogar effektiv weitergegangen ist. Dann bleibt Freiraum für den Spieler, in dem er kreativ werden kann, und er kann für
seinen Charakter mitdenken und entscheiden, wie es für diesen Charakter passend ist, weil der Spielleiter das Recht und die Pflicht übernommen hat, einen Weg auszuarbeiten, den die Spieler (mit)gehen können.
Am Spielleiter hängt es beide Male: Wenn der Spielleiter den nassen Sack mimt, der nur mit kurzen Statements reagiert, wenn die Spieler eine Information von ihm brauchen, ist das Spiel in beiden Fällen mühselig und schwerfällig. Wenn er auf die Spieler und deren Eigenheiten und Ideen eingeht (und ja, das kann er auch, wenn er einen Plot im Kopf hat!), können die Spieler sich in beiden Fällen ernstgenommen und ins Spiel eingebunden fühlen.
Ein Spielleiter ist aber eben auch nur ein endliches Wesen, und vor allem seine Zeit, seine Kreativität und seine Vorbereitungsmöglichkeiten sind endlich. Er kann vier, fünf NSCs sorgfältig vorbereiten und ausgestalten, aber nicht 400 oder 500. Indem man ihm eine Vorauswahl zugesteht, mit wem die Charaktere interagieren, können diese NSCs sehr viel mehr bieten, als wenn der Spielleiter vage im Kopf hat, daß es natürlich da jemand geben muß... diesen "Jemand" aber aus dem Stehtgreif mit den spielrelevanten Assoziationen ausstatten muß. Zu glauben, daß Spielleiter, die einen Plot im Kopf haben, grundsätzlich zur Nasser-Sack-Fraktion gehören und diejenigen, die auf eigene Ploterwägungen im Vorfeld verzichten, immer die kreativsten Gemüter sind, ist ein allzu leicht durchschaubares Vorurteil und hat mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Spielstile nichts zu tun.