Ich finde eigentlich die Ansätze interessant, in denen die heutigen Religionen noch erhalten sind und wo man sich vorstellen kann, dass sich die Religion in dieser Weise tatsächlich entwickeln könnte. Oder wo neue Religionen eine Rolle spielen, die an heutige Formen erinnern. In dem Zusammenhang finde ich z.B. Dune schon nicht schlecht. Riddick wäre vielleicht auch ein gutes Beispiel.
Was man machen könnte, ist, sich bestimmte Entwicklungslinien anzuschauen und weiterzudenken oder abzubrechen. Zum Beispiel wird der Dalai Lama vom Westen oftmals als Oberhaupt des Buddhismus betrachtet. Wer weiß - vielleicht ist der tibetische Buddhismus in 200 Jahren tatsächlich eine Art zentrale Instanz, an der sich zumindest der Westliche Buddhismus orientiert. Andererseits könnte es in 200 Jahren auch gar keinen Dalai Lama mehr geben, nachdem die Kette durch die Entführung des Penchen Lama unterbrochen wurde. Auch hat der Dalai Lama angekündigt, dass er womöglich außerhalb Tibets wiedergeboren wird. Vielleicht ist der nächste Dalai Lama ja ein Amerikaner, was die Vorrangstellung des tibetischen Buddhismus in der westlichen Welt beschleunigen könnte.
Die Ökumene unter den Kirchen könnte weiter voranschreiten. Ein Reform-Papst könnte weitere, einschneidende Veränderungen bewirken. Unter dem Druck der Fundis könnte die katholische Kirche aber auch Rückschritte machen, dies wird ihr ja heute schon vorgeworfen. Das zweite vatikanische Konzil könnte schnell vergessen sein.
Das Neuheidentum ist ein neuer Spieler auf dem Markt der Religionen. In den nächsten 100-200 Jahren könnte es sich als feste Größe etablieren.
Man könnte auch große Twists einbauen. Beispiel: Der jüdische Tempel wird neu errichtet. Im Moment steht da eine Moschee, die den Wiederaufbau (oder auch archäologische Ausgrabungen) verhindert. Vielleicht steht die in 200 Jahren nicht mehr - aber was wird dann dort stehen?
Usw. usf.
Spannend wäre auch die Frage, wie sich gesellschaftliche und technische Entwicklungen auf das religiöse Leben auswirken. So haben die evangelische Kirchen in Deutschland ein Online-Portal gestartet, eine Community, wo man sich anmelden kann und eben austauschen. Man kann sich dort wohl ähnlich wie in StudiVZ oder Facebook ein Profil erstellen, zu Gruppen zusammenfinden usw. (Link:
http://www.evangelisch.de) Solche Tendenzen könnten auch verstärkt eine Rolle spielen. (Erst neuleich meinte ich zu einer Freundin, Gemeinden seien ein Auslaufmodell. Das war zwar nicht ernst gemeint, aber vielleicht steckt ja ein Funken Prophezeiung drin?)
Wenn es eine virtuelle Realität gibt, ähnlich der Shadowrun-Matrix... Es werden sicher viele lieber in die tollsten Kirchen zu denbesten Priestern virtuell gehen, als ihren Arsch hochzuhieven. Andererseits wird es auch technofeindliche Religionsangehörige geben, die an den althergebrachten Methoden festhalten. Ein Buddhist wird kaum in einer virtuellen Realität meditieren - andere Buddhisten werden darin vielleicht eine Möglichkeit sehen, das Nirvana schneller zu erreichen. Hier lässt sich viel mit machen. Man kann nicht vorhersehen, wie auf solche Technik reagiert wird. Aber man kann spekulieren.
Eine wirklich religionswissenschaftlich geprägte Extrapolation kenne ich leider nicht. Die wäre auch viel zu spekulativ, um noch wissenschaftlich zu sein. Würde mich aber trotzdem interessieren.
Was es gibt, ist der Religionsmonitor (
www.religionsmonitor.com): Eine statistische Erhebung zur Religiosität, die 2007 international durchgeführt wurde. Die soll regelmäßig wiederholt werden, damit wird es dann hoffentlich möglich, Tendenzen aufzuzeigen. Über die ersten Ergebnisse wird schon viel geschrieben, aber um Aussagen über die nächsten 100-200 Jahre treffen zu können... Da werden wir wohl noch eine Weile spekulieren müssen
.