Und weiter geht's:
Die "Flinke Flunder" setzte ihren Anker vor Peraines Wunderinsel, die ihre Bezeichnung durchaus verdiente, denn auf dem kleinen und überschaubaren Eiland wurzelte ein gigantischer Apfelbaum. Der Käpt'n bzw. Großmaul wies Leatmon, Tsafried, Bolotonongo und eines der Besatzungsmitglieder an, mit dem Beiboot an der Insel anzulanden, damit sie dort frische Äpfel fassen ("Nie wieder Skorbut!") und Leatmon sich seinen begehrten Orakelspruch mitteilen lassen konnte.
An dieser Stelle trumpft "Der Unersättliche" mit einem meiner Lieblings-Fantasy-Klischees auf, nämlich mysteriöse wirre Mädels, die irgendwo in der Landschaft rumwarten und allen, die des Weges kommen, allerlei seltsame unheilvolle Prophezeiungen um die Ohren hauen.
Kaum war die Bootsbesatzung beim Äpfelpflücken, da erschien wie aus dem Nichts eine Dryade neben dem Baum, die nach einem kleinen Plausch tatsächlich mit einer kryptischen Prophezeiung rausrückte.
Mit ein wenig Hilfe von Leatmon konnte diese entschlüsselt werden und es zeigte sich, dass es sich weniger um eine Prophezeiung sondern vielmehr um einen Auftrag handelte:
Die Helden sollten irgend so einen von Peraine gesegneten Krug aus den Klauen von Xeeran, dem Unersättlichen, dem Herrscher über Mendena und die Piratenküste, entreißen. Zu welchem Sinn und Zweck die Helden das eigentlich machen sollten, darauf wurde in dem Spruch unserer Orakel-Dryade nur ziemlich vage eingegangen. Aber es wurde immerhin angedeutet, dass das wohl so seine Richtigkeit habe und dass ohne den Krug alles voll doof wäre, was die Helden hinreichend motivieren sollte.
Nachdem sie genug Äpfel gesammelt und sich von der Dryade verabschiedet hatten, ruderten die vier zurück zur "Flinken Flunder". Auf dem Schiff herrschte derweil hektisches Treiben, denn diesmal waren gleich zwei Piratenschiffe mit Kurs auf die "Flunder" in Sichtweite. Kurz bevor die Beibootsbesatzung es auf's Schiff schaffte, klatschten bereits die ersten feindlichen Geschützsalven ins Wasser. Und erneut stellte Käpt'n Horathio seine Fähigkeiten als Seefahrer eindrucksvoll unter Beweis, als es ihm gelang, den beiden Schiffen zu entkommen.
Schon bald darauf steuerte die "Flinke Flunder" endlich Ilsur an, die seit Jahren von Xeerans Truppen belagerte Stadt und einstmalige Pilgerstätte des Peraine-Kultes. Die Ladung wurde gelöscht, die Mannschaft war froh darüber, dass sie die Blutige See überstanden und endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, und meine Mitspieler waren froh darüber, dass sie nicht mehr den schon längst in der Wiederholungsschleife laufenden "Fluch der Karibik" Soundtrack weiterhören mussten.
Die Helden nutzten die kurze Zeit in Ilsur, um beim Kommandanten der Stadt ein paar nützliche Infos einzuholen. So erfuhren sie, dass sich der gesuchte Krug höchstwahrscheinlich in der Schatzkammer von Xeerans Palast in Mendena, dem sogenannten Goldenen Haus, befände und dass vor einigen Wochen eine Invasionsstreitmacht aus der Fürstkomturei Maraskan in Xeerans Reich eingefallen wäre. Etliche Ländereien im Süden Xeeraniens wären bereits erorbert und der Kriegszustand dauere noch an. Außerdem wurde den Helden mitgeteilt, wie sie mit den im Gebiet von Mendena herum operierenden Widerstandskämpfern Kontakt aufnehmen können und an welche vetrauenswürdigen Personen in der Stadt sie sich im Zweifelsfall ratsuchend wenden könnten.
Leatmon Phraisop würde in Ilsur verbleiben. (Schließlich wollte er den Helden bei ihrem bevorstehenden Einsatz in Mendena nicht im Wege stehen. Oder das Risiko eingehen, verletzt oder gar getötet zu werden. Das wäre ja fatal, immerhin würde er noch für den Metaplot gebraucht werden.
) Leatmon bedankte sich zum Abschied bei den Helden und der Crew der "Flunder" und man einigte sich darauf, dass die Helden den Wunderkrug nach Ilsur bringen sollten, wenn sie ihn gefunden hätten.
Und so nahm nach diesem kurzen Zwischenhalt in Ilsur die "Flinke Flunder" Kurs auf das nicht weit entfernte Mendena.
Es gab keine nennenswerten Schwierigkeiten bei der Einreise. Im Hafen wurde der Königstiger (dem eine großartige Karriere in der Arena vorherbestimmt war, wie sich später noch zeigen würde) ausgeladen, Dukaten wechselten darauf die Besitzer und der Käpt'n bzw. Großmaul verkündete einen längeren Landurlaub, worauf die Mannschaft jubelnd in die nächstbeste Taverne, die "Krakonierbraut", strömte. Entweder begaben sich Käpt'n Horathio, Tsafried und Bolotonongo zunächst auch in die Kneipe, um sich vorher ein bisschen die Kehle anzufeuchten, oder sie machten sich sofort an die Arbeit, so ganz genau weiß ich das nicht mehr.
"Der Unersättliche" enthielt eine ausgiebige Beschreibung von Mendena, seiner wichtigsten Örtlichkeiten und Personen. Ebenso offerierte das Abenteuer eine erschöpfende Zahl von Möglichkeiten, wie die Helden in Xeerans Palast, das Goldene Haus, und die dadrin befindliche Schatzkammer eindringen könnten. Und auf etliche mögliche Pläne wurde hinsichtlich Erfolgsaussichten und Durchführbarkeit sehr detailliert eingegangen.
Vielleicht war die schon beinahe überfordernde hohe Fülle an Infos und Details um die Begebenheiten Mendenas dafür verantwortlich, dass den Helden ein kleines Versäumnis unterlaufen ist: Bei jedem Fantasy-RPG gehört es doch eigentlich schon fast zur Standardvorgehensweise, in einer neuen Stadt erstmal alle Trödler und den Markt abzuchecken, um die Ausrüstung aufzubessern. Natürlich hätte ich die Spieler subtil auf diese Option hinweisen können, muss aber zu meiner Schande gestehen, dass auch ich's schlicht und einfach vergessen hatte. Bei der Ergänzung der Ausrüstung denke ich da ganz besonders an den einen oder anderen Heiltrank für den Notfall. Dieses kleine Versäumnis erschiene mir auch gar nicht erwähnenswert, wenn ich nicht schon wieder rückblickend einige der Faktoren betrachten würde, die zu einem gewissen größeren Debakel führten. Somit war das kleine Versäumnis, sich mit Heiltränken einzudecken, möglicherweise ein verhängnisvoller... nun ja... ihr wisst schon!
Die Helden loteten allerlei Strategien aus, an die Schatzkammer im Goldenen Haus heranzukommen. Sie spähten Xeerans Palast von außen aus, nahmen Konkakt zu ihnen in Ilsur empfohlenen Personen auf, schnüffelten allerorten herum und sammelten Informationen (dabei erfuhren die Helden, dass Xeeran derzeit nicht in der Stadt weilte, weil er irgendwo im Landesinneren persönlich das Oberkommando über seine Truppen, die gegen die maraskanischen Invasoren kämpfen, führe). Dank seines umwerfenden Charmes schaffte Bolotonongo es sogar unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand im Goldenen Haus zu einem hochrangigen Administraten vorgelassen zu werden - auch wenn er es nicht bis zur Schatzkammer schaffte.
Ich vermute, dass sich die ersten Züge eines wirklich konkreten Planes seitens der Spieler herauskristallisierten, als Bolotonongo die Direktorin der Arena, Nadeschja Bornjewa, aufsuchte. Den Helden war zu Ohren gekommen, dass diese händerringend Darsteller und Gladiatorenkämpfer sucht - aufgrund einer skurillen Kriegsrechtsverornung war es nämlich aktuell nur Tieren und Ausländern gestattet, in der Arena aufzutreten. Bolotonongo stellte sich Nadeschja, einer ehemaligen erfolgreichen Theaterdarstellerin, vor und mithilfe seines hinreißenden Charmes (oder anders ausgedrückt: einer grandios gelungenen Betören-Probe) gelang es ihm, sie davon zu überzeugen, ihn bei der nächsten Veranstaltung in der Arena nicht nur als Musiker im Vorprogramm sondern auch bei den Kämpfen als Hauptattraktion auftreten zu lassen.
Bei der kommenden Vorführung in der Arena waren neben Käpt'n Horahio und Tsafried auch die Besatzung der "Flinken Flunder" auf den Zuschauerrängen zugegen, um ihrem Schiffskameraden zuzujubeln. Bolotonongo wusste bereits mit seinem Trommelkonzert im Vorprogramm die Menge zu begeistern (gelungene Musizieren-Probe). Im martialischeren Part der Veranstaltung gab es dann ein Wiedersehen mit dem Königstiger, der einen Krakenmolch in seinem Badetümpel spektakulär in Stücke riss. Nach diversen kulturellen Darbietungen sowie Tier- und Gladiatorenkämpfen betrat schlussendlich Blotonongo erneut die Arena. Bei dem darauf folgenden spannenden Kampf mit einem Säbelzahntiger schaffte es der charmante Utulu das jubelnde Publikum vollends für sich zu gewinnen. Mendena hatte einen neuen Star!
Danach verhandelte Bolotonongo mit Nadeschja über einen weiteren Auftritt in der Arena. Nadeschja war natürlich völlig begeistert von ihrem neuen Publikumsliebling und war zu Zugeständnissen bereit. Bolotonongo wollte für seinen nächsten Kampf seinen Gegner selbst bestimmen, vorausgesetzt Nadeschja hätte eine entsprechende Kreatur gerade zur Verfügung stehend oder könne sie rechtzeitig auftreiben. Weiterhin bat er sie, ihm irgendeine Vorlage für offizielle Mitteilungen oder Verlautbarungen Xeerans auszuleihen.
Anhand eines solchen Dokuments fertigten die Helden und die Besatzungsmitglieder der "Flinken Flunder", die des Lesens und Schreibens mächtig waren, möglichst offiziell aussehnende Verlautbarungen an, die verkündeten, dass auf dem Marktplatz von Mendena eine hohe Menge an Freibier ausgeschenkt werden würde. Als Termin für den Freibierausschank trugen sie den Abend des Tages der nächsten Veranstaltung in der Arena ein. Diese Verlautbarungen wurden dann heimlich in der ganzen Stadt ausgehängt. Großmaul stand (flog) Schmiere und ab und zu wurde eine Sich Verstecken- oder Schleichen-Probe fällig, um zu vermeiden, dass irgendeine überaufmerksame Stadtwache eventuell unangenehme Fragen stellt.
Außerdem befahl Käpt'n Horathio seiner Mannschaft, dass sie bei allen sich bietenden Gelegenheiten das Gerücht verbreiten sollte, dass es an besagtem Termin einen großen Freibierausschank auf dem Marktplatz geben würde.
Ich war verwirrt. Was hatten die Spieler vor? Wollten sie alle Wachen aus Xeerans Palast mit tollen Darbietungen in der Arena und Freibier herauslocken?
Leider wusste ich nicht, wie der konkrete Plan meiner Mitspieler, die Helden in Xeerans Schatzkammer hineinzubekommen, exakt aussah. Denn zu dem Zeitpunkt als der Plan am Spieltisch feste Formen annahm, war ich zwischenzeitlich mal kurz auf der Toilette gewesen.
So ungefähr an dieser Stelle beendeten wir unseren ersten Spielabend. Wir würden uns am nächsten Abend wiedertreffen. Ich vereinbarte mit dem Spieler von Bolotonongo, er möge bis dahin eine Kreatur auswählen, die beim nächsten Kampf in der Arena gegen seinen Helden antreten solle. Sie solle einerseits einen spannenden Kampf liefern können und andererseits - hinsichtlich einer nachvollziehbaren Verfügbarkeit für Nadeschja - plausibel sein. Wir verabschiedeten uns und ich fragte mich noch lange danach, wie der großartige Masterplan meiner Mitspieler nun verdammt nochmal aussehen könnte...
Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass dieser teuflische Plan Mendena bis auf seine Grundfesten erschüttern würde!
Fortsetzung folgt...